Die halbe Wahrheit

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Bürger können sich nur eine eigene Meinung bilden, wenn sie Medien vorfinden, die über die verschiedenen Themen so objektiv wie möglich berichten. Das bedeutet zum Beispiel, dass man bei einem Konflikt beide Seiten darstellt, dass man also auch die Positionen und Fakten sachlich wiedergibt, die einem selber nicht gefallen. Es bedeutet weiter, dass der (männliche oder weibliche) Journalist die eigene Meinung nur in Kommentaren ausdrückt und sie nicht in Berichte „hineinschmuggelt“. Sonst entsteht Propaganda, volkstümlich auch „halbe Wahrheit“ genannt. Es gilt das Wort von Hans-Joachim Friedrich: Der Journalist soll sich nicht mit einer Sache gemein machen, und sei es auch eine gute. Das sollte für alle Themen gelten, auch für das Thema Ukrainekrieg, das Thema Corona oder das Thema Gaza-Konflikt. Im Folgenden ein Beispiel, in dem es offenbar nicht gilt.

CNN: Journalistisches Fehlverhalten beklagt  

Mitarbeiter des amerikanischen Senders CNN beklagen die Einseitigkeit der Berichterstattung ihres Hauses über den Gaza-Konflikt: Erklärungen der israelischen Regierung würden stets für bare Münze genommen, für Erklärungen der Hamas gälten dagegen strenge Beschränkungen. Die Mehrheit der Nachrichten zum Gaza-Konflikt seit dem 7. Oktober würde durch „systemische und institutionelle Voreingenommenheit“ verzerrt. So werde insgesamt der palästinensische Blickwinkel auf den Konflikt stark beschnitten. Der CNN-Chef Thompson habe eine Anweisung verfasst, nach der die Zuschauer „weiterhin … immer an die unmittelbaren Ursachen dieses Konflikts“ erinnert werden müssten, nämlich den Angriff der Hamas. Das erinnert stark an die deutschen Medien, die ebenfalls nicht müde werden, mindestens am Ende jeden Beitrags daran zu erinnern, dass der Konflikt mit dem Überfall der Hamas begonnen habe. Als seien die Zuschauer und Leser ständig von kollektivem Gedächtnisverlust bedroht.

Die britische Zeitung „Guardian“ berichtet über diese Vorgänge. Man habe mit sechs Mitarbeitern von CNN gesprochen, dabei seien Dutzende von Mails und Memoranden zum Thema dem „Guardian“ zur Einsicht vorgelegt worden, um die Vorwürfe zu untermauern. Die CNN-Spitze verwahrt sich gegen die Vorwürfe und behauptet, beide Seiten des Konflikts würden gleich behandelt.

Das kritisierte Informationsverhalten des amerikanischen Senders kommt den Zuschauern und Lesern deutscher Medien sicher nicht unbekannt vor. Immerhin ist es bemerkenswert, dass es amerikanische Journalisten gibt, die dagegen aufbegehren (einige sollen sogar die Kündigung erwägen). Ebenso erfreulich ist es, dass eine britische Zeitung dies zum Thema macht. 

Nun hat immerhin der Spiegel (Spiegel Online, 5.2.24) ebenfalls auf diesen Fall aufmerksam gemacht. Allerdings kann der zuständige Redakteur auch in diesem Fall am Ende des Artikels nicht auf die Mitteilung verzichten, dass der Konflikt mit dem Hamas-Angriff begonnen habe, bei dem über 1200 Menschen getötet worden seien.  

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