Neue Trinkwassermischung: bis zu 43 Prozent vom härteren Wasser aus Börßum

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Trinkwassermischung

Zwei Wasserleitungen treffen in der Übernahmestation Leiferde im Süden Braunschweigs zusammen. Dort wird die neue, bei vielen Bürgern nichts sehr beliebte Mischung von offiziell 65 Prozent weichem Harzwasser und 35 Prozent härterem Grundwasser aus Börßum vorgenommen, so dass nun in ganz Braunschweig nicht mehr Wasser vom Härtegrad 3,4 in die Haushalte kommt, sondern Wasser von einem mehr als doppelt so hohem Härtegrad – BS Energy gibt 7,5 Grad an. 

Selbst dieser Härtegrad wird nun aber nicht zu jeder Zeit eingehalten. Auf die Frage des Braunschweig-Spiegel, ob denn das Mischungsverhältnis 35/65 immer eingehalten wird, teilt der Sprecher von BS Energy am 15. April mit:

„Das Mischungsverhältnis kann schwanken, maximal werden bis zu 43 Prozent des Wassers aus Börßum eingespeist.“

Die von BS Energy angegebenen 35 Prozent seien ein rechnerischer Durchschnittswert, das tagesaktuelle Mischungsverhältnis könne darüber liegen. Statt 35 Prozent können es also auch mal 43 Prozent mit einer Härte von etwa 14 Grad sein. Damit nähert man sich schon recht deutlich den 50 Prozent an, was natürlich den Härtegrad in die Höhe treibt, sei es, dass gerade noch in der Kategorie „weich“ eingehalten wird oder dass schon die Grenze zur Kategorie „mittel“ überschritten ist.  

Kann unser Wasser manchmal sogar einen Härtegrad von 11 erreichen?

Ines Eder, Braunschweiger Bezirksapothekerin, hat nach eigener Angabe schon einmal eine Härte von 11 Grad gemessen. Vielleicht hat sie da gerade eine besonders ungünstige Mischung erhalten? Jedenfalls können wir festhalten, dass BS Energy die selber angekündigte Mischung von 35/65 nicht durchgängig einhält, so dass es auch eine Frage der Tageszeit sein kann, welche Mischung man nun genau erwischt. Vielleicht wurde das Wasser zu einer Tageszeit gemischt, zu der das Harzwasser teurer war und man deshalb mehr von dem billigeren Grundwasser aus Börßum beigemischt hat? Denn die Grundpreise der Harzwasserwerke (HWW) sind zwar für alle Bezieher gleich (anders, als etwa Herr Markurth dies in der BZ vom 9. Februar 2024 darstellte, der beklagte, Braunschweig müsse besonders viel bezahlen, obwohl es doch der größte Abnehmer sei), allerdings führen unterschiedliche Tageszeiten des Wasserbezugs wie auch Stundenspitzenbezüge im Preissystem der HWW zu „unterschiedlichen Betrachtungen“, wie Norman Droste, Sprecher der HWW, im Schreiben vom 22. Februar mitteilt. Im Sinne der Minimierung der Kosten könnte BS Energy also möglicherweise den Bezug von weichem Wasser dann verringern und durch Grundwasser ausgleichen, wenn der HWW-Preis gerade etwas höher ist.

Das Nachsehen haben die 217 000 Haushalte, die Kunde bei BS Energy sind. Denn sie sollen sich jetzt mit geschmacklichen, geruchlichen Veränderungen abfinden und auch mit der Verkalkung von Haushaltsgeräten, die mit höheren Kosten verbunden sind. Erinnern wir uns an den Werbetext, mit dem BS Energy noch am 1. Februar den Braunschweigern das weiche Harzwasser zu Recht angepriesen hat:

„ … von weichem Wasser profitiert zudem Ihre Haushaltskasse: Im Gegensatz zu hartem Wasser ist der Bedarf an Wasch- und Spülmittel weitaus geringer. Teure Wasserenthärter brauchen Sie nicht einzusetzen. Die Lebensdauer Ihrer elektrischen Geräte, wie etwa Wasserkocher, Waschmaschine und Geschirrspülmaschine, wird erhöht.“

Diese Vorteile hat BS Energy den Braunschweigern nun seit dem 1. Februar genommen. Dass es darüber erheblichen Unmut gibt, zeigt die nicht abreißende Kette von Leserbriefen in der BZ. Martin Burghartz etwa schreibt in einem Leserbrief an die Braunschweiger Zeitung, dass die Bürger sicher mit großer Mehrheit lieber etwas mehr für ihr geliebtes Harzwasser bezahlen würden, um damit immense Verkalkungskosten an ihren Haushaltsgeräten zu vermeiden. Die meisten Leserbriefe klagen über die Verschlechterung der Wasserqualität, aber auch darüber, dass die Bürger vorher nicht gefragt wurden, obwohl doch ständig der hohe Wert einer guten Bürgerbeteiligung gepriesen werde.

Börßumer Wasser ist für BS Energy billiger zu haben

Der Ärger lässt sich sicher auch daraus erklären, dass es offenbar keinen zwingenden Grund für die Änderung gab. Denn das Argument, dass irgendwann im Laufe des Klimawandels das Wasser knapp werden könnte, wird vom Wasserfachmann Professor Meon von der TU Braunschweig zurückgewiesen, und zwar aufgrund einer breit angelegten Studie, die die wahrscheinliche Entwicklung bis zum Jahr 2100 untersucht hat. Meon kommt denn auch zu dem Schluss, dass das Ersetzen eines Drittels unseres bisherigen Harzwassers durch Grundwasser aus Börßum rein betriebswirtschaftliche Gründe hatte: es sei einfach billiger. Dies umso mehr, als nach Aussage von Herrn Bohr von Braunschweig Energy sieben Industriebetriebe im Raum Salzgitter ihre Wasserbezüge aus Börßum drastisch reduziert haben, so dass dringend neue Abnehmer gesucht wurden. Das hat BS Energy genutzt. 

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht liegt der Verdacht nahe, dass BS Energy nach wie vor mit dem Gedanken liebäugelt, den Anteil des Grundwassers weiter zu erhöhen und den des Harzwassers entsprechend zu senken, vielleicht sogar die Geschäftsbeziehung mit den Harzwasserwerken auf Dauer ganz aufzulösen. BS Energy streitet inzwischen ab, dass es den Verkauf seines 10 Prozent-Anteils an den Harzwasserwerken plane. Aber warum hat es dann mit den HWW nur einen Vertrag über 10 Jahre geschlossen, obwohl doch 15 Jahre möglich gewesen? Immerhin teilt Norman Droste, Sprecher der HWW, am 15. April mit:

„Die Harzwasserwerke streben bei Vertragsabschlüssen aktuell Laufzeiten von bis zu 15 Jahren an.“  

Und schließlich: Wenn wir es richtig sehen, hat sich der Aufsichtsratsvorsitzende von BS Energy, Oberbürgermeister Kornblum, immer noch nicht zum Thema Wasser geäußert, nicht zur bemängelten Qualität, nicht zur Kritik am Vorgehen von BS Energy und nicht zum Thema Verkauf der HWW-Anteile. Wenn er seine Bürger ernst nimmt, sollte er nicht mehr lange damit warten. 

1 Kommentar

  1. Glückliche Lindenbergsiedlung!

    Wie Herr Danckert gerade mitteilt, war seine Information, dass in allen Braunschweiger Haushalten dieselbe Wassermischung ankommt, nicht ganz richtig: etwa 5 Prozent aller Kunden in Braunschweig, die im Bereich Lindenbergsiedlung wohnen, bekommen nach wie vor reines Harzwasser. Die Eckerleitung, die von den Harzwasserwerken nach Wolfsburg führt, wird in Rautheim „angezapft“ und speist von dort Wasser für den genannten Bereich ein.

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