Ein halbes Jahr Neue Ethnologische Dauerausstellung im Städtischen Museum Braunschweig
Viel Verblüffung gab es im Oktober 2023 bei der Neueröffnung der von Dr. Rainer Hatoum und seinem Team ganz neu gedachten und strukturierten Ethnologischen Sammlung.
Vitrinen auf rollbaren Paletten, Informationstafeln einfach an die Wand gelehnt. Alles irgendwie improvisiert, ja unfertig.
Informativ, unterhaltend und natürlich verblüffend ist sie tatsächlich immer noch, diese Ausstellung mit ihren engen Bezügen zur Geschichte Braunschweigs in der Welt.
Sie zeigt sanft aber konsequent, daß nichts so bleiben kann, und bleiben wird, wie es ist. Auch die Rückgabe von Objekten bei neuen Erkenntnissen gehört zum neuen Konzept. Das Städtische Museum realisiert seit Jahren Forschungsprojekte zur Provenienzgeschichte ethnologischer Objekte und Rückgabe ist immer eine Option.
Konzeptioneller Ausgangspunkt für die neue, dynamische Sammlungsstruktur ist die Erkenntnis, dass es nicht “die” Geschichte eines Gegenstandes, einer Nation, einer Kultur geben kann – wie in sehr vielen Ausstellungen immer noch suggeriert; sondern dass Ethnologie eine “Verflechtungsgeschichte“ ist, aus netzwerkartigen Verbindungen und Erkenntnissen besteht.
Braunschweig gilt in der deutschen Museumslandschaft seit der erfolgreichen konzeptionellen Umgestaltung 2023 als beispielhaft für dieses neue Modell ethnografischen Sehens und Begreifens kultureller Prozesse.
Regelmäßig besuchen deshalb Ethnologen, Kuratoren, Museumsmacher aus ganz Deutschland die neue Dauerausstellung in unserer Stadt. In Braunschweig gibt es Neues, Bespielhaftes, Zukunftsfähiges zu sehen, zu diskutieren, zu prüfen. Hier im SMBS kann man neue Impulse empfangen für die eigene konzeptionelle Arbeit.
Dr. Rainer Hatoum, verantwortlicher Kurator der Sammlung, zeigt sich zufrieden. Zufrieden mit der konzeptionellen Leistung des Städtischen Museums, die ethnologische Sammlung nicht mehr als “klassische”, in sich geschlossene Vitrinen- und Bilderschau zu organisieren, sondern sich neuen Sichtweisen zu öffnen, kontrovers zu werden, das Provisorische, Fließende als feste Größe zu begreifen.
Noch zufriedener wäre er natürlich, wenn die Sammlung noch mehr Besucher, noch mehr Schulklassen anziehen würde. Und auch mehr Veranstaltungen anbieten könnte.
Doch das Städtische Museum Braunschweig steht natürlich, vielleicht wegen seiner konzeptionellen Offenheit sogar noch stärker, vor denselben Herausforderungen wie viele anderen Museen auch: mit historisch gewachsenen Strukturen daran zu arbeiten, Zukunftsfähig zu werden und zu bleiben.
Braunschweigs Spuren in der Weltgeschichte sind vielleicht eher klein, aber doch wichtig und unübersehbar.
Um sie geht es in der kommenden internationalen Ausstellung im Jahr 2026 – zum 250. Jubiläum der “Declaration of Independence”, der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung.
Der noch etwas sperrige Arbeitstitel : „Indigene Andenken aus der Zeit der Amerikanischen Revolution in Deutschland.“
Neben Stücken aus dem SMBS, dem Braunschweigischem Landesmuseum und dem HAUM werden u.a. auch Objekte aus der dem Hessischen Landesmuseum Darmstadt, der Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim, dem Museum Fünf Kontinente in München, der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha, von den Schlösser & Kunstsammlungen der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz und auch der Völkerkundesammlung Lübeck zu sehen sein.
Im Zentrum der im Städtischen Museum Braunschweig und im Landesmuseum Darmstadt konzipierten und organisierten internationalen Schau wird die Beteiligung und der Beitrag deutscher Kleinstaaten und der indigenen Bevölkerung Nordamerkas am Unabhängigkeitskrieg stehen.
Das Fürstentum Hessen-Kassel unter Landgraf Friedrich II. und das Herzogtum Braunschweig-Lüneburg unter Herzog Karl II. gehörten zu den wichtigsten “Lieferanten” von Soldaten für die englische Krone im Kampf gegen die abgefallenen englischen Kolonien von 1775 bis 1783.
Tatsächlich sind durch die überlebenden, aus dem Unabhängigkeitskrieg zurück kehrenden Braunschweiger Soldaten, viele indigene Objekte in die Ethnologische Sammlung gekommen.
So ziehen sich wieder neue, offene Verbindungslinien bis in die Tiefen der Braunschweiger Sammlung.