Meinungsmacht (Teil 2) – Wie kann es sein, dass in einer freien Medienlandschaft so eine Gleichförmigkeit entsteht?

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Bild: pixabay

Von Reinhardt Faudt

In Teil 1 wurde gezeigt, dass es inzwischen – mindestens in den Leitmedien – zu einer erheblichen Gleichförmigkeit der Meinungsbildung gekommen ist. Nun soll der Frage nachgegangen werden, wie es trotz einer im Grundgesetz verbrieften freien Medienlandschaft dazu gekommen ist – und das ganz ohne Zensurbehörde.

Uwe Krüger  ist Medienwissenschaftler an der Universität Leipzig. Für seine medienkritische Arbeiten erhielt er 2016 den Günter-Wallraff-Preis für Journalismuskritik. In seiner Forschung geht er der Frage nach, wie der mediale Mainstream entsteht und wie er seine mediale Wirkungsmacht entfaltet. Gegenstand seiner Analyse ist weniger die regionale Presse, die meist den Leitmedien folgt, als vielmehr die Meinungsmacht führender Journalisten von ZEIT, SPIEGEL, WELT, FAZ, Süddeutsche Zeitung, Financial Times, Focus, ZDF, ARD (Nachrichten und Kommentare) u.a.  

Die problematische Nähe von Alpha-Journalisten und Elite-Netzwerken

Krüger untersucht die Netzwerke der bekanntesten Journalisten, ihre Nähe zu den herrschenden Eliten und zeigt insbesondere auf, wie sich Journalisten in die Elitenzirkel von Politik und Wirtschaft haben einbinden lassen und so ihre kritische Distanz und Unvoreingenommenheit verloren – trotz all der journalistischen Ehrenkodexe. Sein Befund anhand der Analyse zahlreicher Artikel ist klar: Wenn diese Journalisten dauerhaft in den Netzwerken verkehren, sind sie weniger geneigt, über diese kritisch zu berichten, da sie befürchten müssen, ihre Quellen zu verärgern oder gar zu verlieren. Andererseits sorgen diese Netzwerke auch für den Aufstieg und gute Reputation der Journalisten in den politischen wie den medialen Elitezirkeln. So zeigt Krüger detailliert und tabellarisch dokumentiert die Mitgliedschaften und Beratungstätigkeiten der einzelnen ausgewählten Elitejournalisten ( z.B. Josef Joffe von der ZEIT, Stefan Kornelius von der SZ, Klaus-Dieter Frankenberger von der FAZ , Klaus Kleber vom ZDF,u.v.a.) in verschiedenen Stiftungen, Beratungsgremien, Initiativen und Thinktanks auf  und weist in ihrem journalistischen Schaffen nach, wie sich diese Mitgliedschaften auf ihre Haltungen und wertenden Kommentare auswirken, -korrumpierend, wie ich finde. Das gilt besonders in Fragen der Sicherheitspolitik und der militärischen Aufrüstung, die von transatlantischen  und NATO-nahen Netzwerken (Münchner Sicherheitskonferenz, Atlantik-Brücke, American Council u.v.a.) massiv beeinflusst werden.

Woher kommt diese Nähe zwischen Medien-Elite und politischer Elite?

Die Gründe für diese Orientierung an den Leitmedien, ihren Elitejournalisten und an den Meinungsführern in Wirtschaft und Politik sind vielfältig:

  • Die Konkurrenz um Aufmerksamkeit mit den  Online-Medien, sinkendes Anzeigenaufkommen, Sparmaßnahmen der Verlage und wachsende Arbeitsunsicherheit in den Verlagen haben unter Journalisten dazu geführt, dass Anpassungsdruck herrscht, wenig Zeit für Recherchen bleibt und ein Klima der Vorsicht bei der Bearbeitung von Themen, eine Gefahr für die „innere Pressefreiheit“.
  • Die problematische Nähe zu den Netzwerken der Mächtigen sieht Krüger auch darin begründet, dass einerseits die Eliten selbst über die wichtigsten Quellen für ihre Artikel verfügen, andererseits eine kritische Berichterstattung, die davon abweicht, mit Kritik aus den Eliten, Kontaktverlusten  und Anzeigenentzug rechnen muss, außerdem zuviel Recherchezeit kosten würde und mit Nichtbeachtung oder journalistischem Gegenwind von der Konkurrenz bestraft werden kann. 
  • Gerade durch diese Kontakte mit den Elite-Netzwerken kann sich auch die Qualität journalistischer Arbeit verändern. Medienwissenschafliche Untersuchungen zeigen nach Krüger, dass in vielen journalistischen Berichten der Anteil vorgefertigter Informationen durch Interessenverbände, Lobbyisten und PR-Agenturen zugenommen hat. So wurden 432 Journalisten daraufhin befragt, 86 % gaben an, dass Einflussversuche von PR-Agenturen zugenommen hätten (Allensbach 2014) und dass Zeitmangel die Recherchen einschränke.
  • Der Aktualitätsdruck, die Schnelligkeit der Online-Medien verstärken die Mainstream-Effekte: Viele Journalisten schauen rasch nach, was z.B. Spiegel-Online meldet, recherchieren oft unter Zeitdruck vordergründig (Wikipedia) und lassen sich gern aus offiziellen Dokumenten, Presse-Erklärungen, Broschüren usw. unterrichten.

Leitmedien verfehlen ihre wichtigste Aufgabe in der Demokratie

Auf der Grundlage seiner empirischen Befunde kommt er u.a.  zu dieser grundsätzlichen Schlussfolgerung:

An Stelle einer kritisch-distanzierten Berichterstattung und Kommentierung, wie man es in einer Demokratie von den Medien als „vierter Gewalt“ erwarten sollte, stellt Krüger fest, dass bei wichtigen Themen wie Kriegen und wirtschaftlichen Krisen „die Medien die Meinungsverteilung innerhalb der politischen Elite spiegelten“, aber nicht die Meinungsverteilung in der Bevölkerung. „Akteure aus der zivilgesellschaftlichen Peripherie (kamen) kaum zu Wort“ (S.255) Auch in den öffentlich-rechtllichen Medien sei „weniger die Publikumsrelevanz die zentrale Größe für Auswahl und Präsentation als die Elitenrelevanz“ (S.78) Grundsätzliche Kritiker der Eliten werden ignoriert oder man spricht ihnen die Legitimität ab. Das steht im Gegensatz zu der Aufgabe, die die Medien in unserer Verfassungsordnung eigentlich ausüben sollten, als Kontrollinstanz der Herrschenden und als Medium der politischen Willensbildung, die die gesellschaftliche Interessenvielfalt widerspiegeln soll (Pluralismus).

Erinnern wir uns an die Worte von Hanns Joachim Friedrichs: ein guter Journalist mache sich mit keiner Sache gemein, auch nicht mit einer vermeintlich guten. Sie klingen wie eine Botschaft aus vergangenen Zeiten.

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