… ein Fluch auf diesem Schloss? …
Nicht nur Kulissen – Architektur in Braunschweig
In der Neuen Zürcher Zeitung widmet sich am heutigen Tage Jürgen Tietz der Stadt Braunschweig (Die Artikel der NZZ sind in der Regel nur einen Tag über das Internet abrufbar). Wie gewohnt in diesen Zeiten mit einem Blick auf die Schloss-Arkaden: "Willkommen in überall" - und wie gewohnt auch das Urteil: "Das architektonische Ergebnis ist enttäuschend. ..."
Mit einer Stimme Mehrheit fiel die Entscheidung für eine Rekonstruktion des Schlosses. Nun also ist es mit rund 600 alten Bausteinen zurückgekehrt, die bei dem Abriss geborgen worden waren. Dem stehen 8200 neu gefertigte Elemente gegenüber. Und obwohl die Presseerklärung der ECE stolz darauf verweist, dass am Schloss Handwerker mitgearbeitet hätten, die schon an der Dresdner Frauenkirche beschäftigt waren, verströmt der auf alt getrimmte Neubau bestenfalls den Charme einer Klötzchenarchitektur aus dem Steinbaukasten. In engen Abständen gesetzte Öffnungen für die Hinterlüftung der Fassade lassen das Schloss wie perforiert wirken. Das Ergebnis ist ein architektonisches Abreissbildchen, ein baugeschichtliches Pin-up, das für den Fortgang der Rekonstruktionswelle in Deutschland nichts Gutes erwarten lässt. Was einst als Residenz ausreichte, das genügt der ECE als Shopping-Mall bei weitem nicht. Und so hat der neue Einkaufstempel auch den einstigen Garten mit verschlungen, der das Schloss früher seitlich flankierte. Mit Glas und Beton, ein bisschen grün, ein bisschen kupferfarben, bietet der Neubau eine auf edel getrimmte Durchschnittsarchitektur. Mit ihrer vertikalen Strukturierung bemüht sie sich darum, die gewaltigen Abmessungen für die rund 30 000 Quadratmeter Verkaufsfläche auf ein erträgliches Mass herunterzuzoomen. Doch spätestens mit der Seitenansicht des Parkhauses endete alles architektonische Bemühen. Da spendet nur noch eine Fassadenbegrünung Trost - doch bis die sich gnädig über die nackten Wände ausbreitet, wird noch einige Zeit vergehen.
Aber ganz ungewohnt in diesen Zeiten, auch eine Ehrenrettung der Stadt in der NZZ. Denn, Architekt sei Dank: es gibt mehr in Braunschweig als nur die Schloss-Arkaden, anderen Umgang auch mit baulicher Vergangenheit. Tietz wirft einen Blick auf die ebenfalls gerade fertig gestellte Jakob Kemenate:
Die etwas versteckt am Eiermarkt gelegene Kriegsruine haben die Architekten Rainer Ottinger und Thomas Möhlendick zusammen mit dem Kieler Künstler Jörg Plickat wiederbelebt. Eine neue Fassade mit einer Verkleidung aus rostrotem Cortenstahl sowie ein Zwischenteil aus Stahl und Glas ergänzen nun das historische Mauerwerk und das alte Gebälk. Hier schreit nichts «Kauf mich! Jetzt!». Stattdessen beginnt die Architektur mit ihrer spannungsvollen Komposition und Materialsinnlichkeit harmonisch zu klingen, kraftvoll, aber nicht lärmend. Und so wird die Jacobs-Kemenate ganz im Gegensatz zur Beliebigkeit der Schlossarkaden zu einem regionalen Architekturerlebnis von überregionaler Qualität.
Gönnen auch wir uns hier einige Blicke auf die Jakob-Kemente:
Rätselhafter Osten
"Vergebliches warten auf die Wagenlenkerin Brunonia - Polnischer Fahrer lag schlafend in seiner Koje"
Glosse zum Artikel in der BZ
Wie Herr Jonscher in der BZ vom 7. Mai zum Besten gab, hat er aus sicherer Quelle erfahren, das es vor allem auch Schuld eines ‚pennenden’ polnischen Kraftfahrers war, dass die termingerechte Errichtung der Rietschel-Quadriga -und somit auch die groß angekündigte spektukuläre Enthüllung derselben- ins Wasser gefallen ist. Hoffmann und Borek stehen mit weißer Weste da; alles war bestens vorbereitet; erst in letzter Minute vermasselte ein Ausländer alles.
Ein Blick hinter die Schlosskulissen
"... Säulen im Bereich der Treppenanlage zonieren den langgestreckten Raum," gibt Yorck Stuhlemmer (1) - in zuckersüßem Architektendeutsch - die Baubeschreibung für den Zeitschriftenlesesaal im Südflügel der Schlossfassaden zum Besten. Und weiter: "An den Wänden entsprechen der Säulenstellung Pilaster(3), so dass die Deckenfelder darauf bezogene Kassatierungen erhalten."
Zwischen zwei Schmucksäulen ein Stück tragende Betonmauer, das weder in Lage, Größe, Form, das in keiner Weise mit den Säulen und Pilastern korrespondiert. Es ist einfach nur unförmig und hässlich. Längs gezogene Lüftungsschlitze weisen die horizontalen Deckenstreben plump als technische Versorgungsleitwerke aus. Auf das Gruseligste disharmonieren die billig antikisierenden Säulen mit der Technodecke (Stuhlemmer spricht auch von "akustisch wirksamen Decken"), die zu tragen sich die Säulen den Anschein geben. Darunter modernistische Hängelampen (6), die in keinerlei proportionalem Verhältnis zu den Feldern stehen, die sie umgeben:
Das ist nicht komisch, es ist kein Kitsch, es ist einfach nur fürchterlich ... und der Gipfel: 1,2 Millionen Euro hat die Erstellung dieser "schlossähnlichen Anmutung" gekostet.
Welchen Herzog hat Braunschweig verdient?
Brief einer Leserin zum Residenz/Shoppingschloss
Zur Erinnerung in Sachen „Schloss“
Berichte zur Kundgebung: „Die Gedanken sind frei“
Lügen haben kurze Beine – oder die Verschiebung von Wahrheit (Teil 32)
Auf eine Anfrage der Grünen Ratsfraktion gab Kulturdezernent Laczny in Vertretung des Oberbürgermeisters am 13. April 2007 folgende Antwort:
Folgende Stellungnahme gab Kulturdezernent Wolfgang Laczny dann in Vertretung des Oberbürgermeisters für die Ratssitzung vom 2. Mai 2007:

Berlin lernt von Braunschweig
Kritiker, die das Kaufhausprojekt über dem Braunschweiger Schlosspark für rundum misslungen halten (zu denen ich mich zugegeben zähle), werden es kaum glauben. Aber das Projekt trägt doch Früchte, wenn auch im negativen Sinne. Berlin kann daraus lernen wie man es jedenfalls nicht machen sollte, und Berlin ist offenbar auch fest entschlossen, daraus zu lernen:
"Braunschweig ist der Sündenfall, der nun auch in der fassadenfixierten Berliner Schlossdebatte zum Umdenken zwingt. Der Schock, im ehemaligen Welfenschloss nach Eintritt durchs Schlossportal in einem Starbucks-Café und einem banalen Einkaufszentrum zu landen, bestärkt diejenigen, die eine Kongruenz von Form und Inhalt fordern. „Eine Schrumpfform von Schloss gibt es nicht“, fasst es der Architekturkritiker Dankwart Guratzsch zusammen, und der Berliner Stararchitekt Hans Kollhoff fordert „das ganze Schloss, keine Attrappe“, also eine Rekonstruktion auch der bedeutenden Innenräume sowie der monumentalen Treppen und Durchgänge: „Das Schloss muss prunkvoll sein“, so seine Devise."































