Mariä Lichtmess mag erleuchten: Annalena Baerbock mit ihren Sondertribunalen

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Prof. Dr. Heribert Prantl war 25 Jahre lang Leiter des Ressorts Innenpolitik der SZ, sodann Leiter des neugegründeten Ressorts Meinung. Acht Jahre lang war er Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung. Seit seinem altersbedingten Ausscheiden aus diesen Ämtern zum 1. März 2019 ist er Kolumnist und Autor der SZ.

Von Herbert Prantl aus „Prantls Blick“

Nächste Woche ist Mariä Lichtmess. Das ist, vierzig Tage nach Weihnachten, der katholische Festtag, an dem man früher die Krippe eingepackt und den Christbaum entsorgt hat. Aber selbst in der katholischen Kirche endet die Weihnachtszeit seit der Liturgiereform von 1970 nicht mehr an Lichtmess, sondern schon am Sonntag nach Dreikönig. Lichtmess ist ein Tag des überwiegend vergessenen Brauchtums, der schönen Kalendersprüche und Wetterregeln: „Wenn‘s an Lichtmess stürmt und schneit / ist der Frühling nicht mehr weit / Ist es aber kalt und hell / kommt der Lenz wohl nicht so schnell.“ Ab Lichtmess werden die Tage spürbar heller, bis Anfang Mai nimmt die Dauer der Helligkeit jeden Tag um vier Minuten zu. In alter Zeit wurden an diesem Tag die Dienstboten entlohnt und konnten den Arbeitgeber wechseln.

Licht in die Dunkelheit

Am besten gefallen mir die fast vergessenen Bräuche rund um die Kerzen; sie sind Symbol dafür, dass Licht in die Dunkelheit muss. Die Welt ist ziemlich dunkel gerade, sie kann Erleuchtung brauchen. Und wenn es noch so wäre, dass man den im Haushalt für das nächste Jahr benötigten Kerzenvorrat in der Kirche segnen lässt, dann müssten die Leute, die für den Bundeshaushalt zuständig sind, die Kerzen kistenweise dahin schleppen. Es muss viel Licht in die Regierung, zumal ins Außenministerium. Vielleicht sieht Ministerin Annalena Baerbock dann ein, dass es extrem gefährlich ist, von einem „Krieg gegen Russland“ zu reden.

Vielleicht sieht sie dann auch ein, dass es die Autorität des Weltstrafgerichts in Den Haag untergräbt, wenn sie jetzt, wie sie es im Einklang mit den Amerikanern macht, ein Ukraine-Sondertribunal fordert. Wer soll Putin & Co. packen: Der Internationale Strafgerichtshof, also das Weltstrafgericht, das vor 25 Jahren gegründet wurde? Oder ein Ukraine-Sondertribunal? Damit beschäftige ich mich heute in meinem SZ-Plus-Text. Putin packen? Ein Sondertribunal nach ukrainischem Recht, wie Baerbock es vorschlägt, könnte das gar nicht, es könnte nur die Handlanger Putins verfolgen. Das reicht aber nicht. Nur beim Weltstrafgericht gilt die Immunität für aktive Staats- und Kriegslenker nicht.

Gleichwohl: Die Amerikaner wollen unter Aufbietung all ihrer juristischen und diplomatischen Hilfstruppen den von ihnen bekämpften Weltstrafgerichtshof lahmlegen. Sie fürchten den Autoritätsgewinn, den die Ankläger in Den Haag und der Weltstrafgerichtshof hätten, wenn dort Haftbefehle gegen Putin, Lawrow und Co. ausgestellt würden. Die USA bekämpfen den Weltstrafgerichtshof, weil sie ihre Kriege und ihre Kriegführung nicht von einem Weltstrafgericht prüfen und aburteilen lassen wollen.

Deshalb soll dieser Weltstrafgerichtshof durch ein Sondertribunal ausgebootet werden, das sich offenbar in Den Haag schon im Aufbau befindet. Das ziemlich dürftige Argument lautet: Das Weltstrafgericht könne ja „nur“ die Kriegsverbrechen, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermordsverbrechen untersuchen und bestrafen, wie das 43 Staaten aus allen Kontinenten schon beantragt haben. Beim Verbrechen der Aggression seien aber dem Weltstrafgerichtshof die Hände gebunden; die Statuten geben seine Zuständigkeit nicht her. Das ist richtig. Aber wenn man die Aggressionsverbrechen hinzunimmt, würden die zu erwartenden Strafen ohnehin nicht höher ausfallen.

Der Internationale Strafgerichtshof ist ein Geschenk der Hoffnung

Sehr ins Gewicht fallen aber die Nachteile eines Sondertribunals: Es würde den weiteren Ausbau einer globalen Strafjustiz verhindern, die auch vor Staatsangehörigen und Staatslenkern einer UN-Vetomacht nicht haltmacht. Das wäre den US-Amerikanern ein Gräuel, weil es auch sie treffen könnte. Deshalb wollen sie ein Sondertribunal, nur Russland und die Ukraine betreffend. Deshalb wollen sie auf diese Weise den Weltstrafgerichtshof, den sie ebenso wenig anerkennen wie Russland und China, schwächen.

Der Internationale Strafgerichtshof, das Weltstrafgericht, braucht Stärkung, nicht Schwächung. Karim Khan, der Chefankläger, hat es sensibel auf den Punkt gebracht: „We don’t want dilution, we want consolidation“ („Wir wollen keine Verwässerung, wir wollen Verbesserung“). Der Internationale Strafgerichtshof muss ausgebaut, seine Statuten müssen verbessert und geschärft werden. Er ist kein „Monster“, wie ihn US-Politiker nennen, er ist ein Geschenk der Hoffnung.
SZPlusPrantls Blick:Putin packen! Aber wie? Zum Artikel
Hoffen wir, dass die Eskalation von Krieg und Gewalt gestoppt werden kann – auch mit justitiellen Mitteln. Ich wünsche Ihnen gute Februarwochen, ich wünsche uns eine Ahnung vom Frühling.

Ihr
Heribert Prantl

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