Hagenmarkt: Rede Wolfgang Büchs – Ratssitzung 11.05.2021

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Freifläche des Anstosses: Dieses kleine grüne Fleckchen zwischen den Verkehrsflächen soll seit Ende 2017 umgestaltet werden. Nun erklärte die Stadtverwaltung ihr Scheitern in der Angelegenheit. Foto: ©Stadt Braunschweig, Fachbereich Stadtplanung und Geoinformation, Abt. Geoinformation

20-14454-09 Weiteres Verfahren zur Umgestaltung des Hagenmarktes – Neustart

Ein Interfraktioneller PLUA-Beschluss für den grünen Hagenmarkt steht – das ganz aufwändige Brimborium eines „Neustarts“ ist überflüssig wie ein Kropf.

Am 05.10.2017 hat Sturmtief Xaver auf dem Hagenmarkt gewütet und zahlreiche Bäume entwurzelt. Am 17.November 2017 postete die Stadt auf Twitter „Der Hagenmarkt bekommt ein neues Gesicht. Und alle können mitreden.“

Von mitreden und vor allem Mitbestimmen blieb dann leider nicht mehr viel. Standen am Anfang noch Hagenwald (Wiederherstellung des Ursprungszustandes), Piazza-Lösung (eine amphitheaterartige Öffnung des Platzes von der Casparistraße zum Heinrichsbrunnen) und die von Prof. Ackers und der Stadt präferierte „Marktlösung“ (nur noch einzelne Bäume und große Flächen mit gebundener Decke) gleichwertig nebeneinander – verschwanden Hagenwald und Piazzalösung in der Folge-veranstaltung sang- und klanglos, und es wurden nur noch die Ackers-Varianten in verschiedenen Spielarten diskutiert.

Meine Anfrage an die Verwaltung vom 11.11.2020 (Ds. 20-14776), warum Piazza-Lösung und Hagenwald nicht weiterverfolgt wurden und wo diese Entscheidung im Beteiligungsprozess dokumentiert sei, wurde sinngemäß wie folgt beantwortet: Bürgerbeteiligung kann Anregungen geben, sei aber keine Bürgermitbestimmung. Es sei stets klar gewesen, dass eine Arbeitsgruppe bestehend aus Fachleuten der Verwaltung und Büro Ackers das Gesamtkonzept erstellen würden. – Übersetzt heißt dies, ob Bürgeranregungen berücksichtigt werden, oblag letztendlich dem Gusto der Verwaltung und dem Büro Ackers.

Und dann kommt etwas, das haut dem Fass förmlich den Boden raus – ich zitiere wörtlich – „Die beiden konkreten Vorschläge „Grüne Piazza“ (Ziel freier Raum und Amphitheater) und „Hagenwald“ (Ziel Wald) sind in der Form in die Planungsskizzen eingeflossen, dass die Aspekte „Veranstaltungsraum“ und „intensive Begrünung“ ernsthafte Leitziele der Planung wurde, die auch in der Vorzugslösung der Verwaltung Berücksichtigung gefunden hätten…“

Es tut mir leid: Eine solche Antwort ist zynisch und eine schlichte Unverschämtheit. Wenn so „transparente Bürgerbeteiligung“ (Zitat Ackers, BZ 10.05.2021) verstanden wird, muss man sich über das Chaos, das jetzt entstanden ist, nicht wundern, sondern sagen – die Verwaltung hat nichts anderes verdient.

Und lieber Oberbürgermeister Markurth, wo waren Sie denn im Vorfeld der PLUA-Entscheidung am 28. April – denn ursprünglich sollte die Vorlage im PLUA enden? Warum haben Sie sich nicht vor der PLUA-Sitzung gemeldet, sondern erst 5 Tage später? Ich gehe doch davon aus, dass Sie als SPD-Mann den von Ihrer Parteikollegin und der Ausschussvorsitzenden Nicole Palm höchstpersönlich ausgearbeiteten Änderungsantrag im Vorfeld zumindest zur Kenntnis erhalten haben, zumal er ja eine Beschlussvorlage der Verwaltung außer Kraft setzte.

Bei der Diskussion des Antrags am Morgen der PLUA-Sitzung sagte mir Frau Palm, sie habe dafür die volle Rückendeckung von Fraktion und Partei.

Sich im Nachhinein überrascht zu geben und so zu tun als sei hier eine echte Bürgerbeteiligung mit Füßen getreten worden – die es ja so gar nicht gab – und daraus dann die Forderung nach einem Neuanfang abzuleiten, ist nicht korrekt, sondern in meinen Augen schon fast Demagogie.

Und außerdem – wenn ich mir die Reaktionen aus der Bevölkerung angucke, gibt es doch gar nicht die großen Proteste gegen die jetzt im PLUA beschlossene Grüne Hagenmarktlösung. Proteste höre ich bisher nur von Architekten und Planern, die den Hagenmarkt puppenhausmäßig ausstaffieren und oberflächenversiegeln wollen.

Die Anwohner (die sich z.T. auch nicht unerheblich finanziell beteiligen sollen), aber offenbar auch ein Großteil der Braunschweiger Bevölkerung sehen das offenbar wesentlich pragmatischer (andernfalls würde es Proteste zu Hauf geben): Einfach die preisgekrönte Grünanlage wiederherstellen, d.h. eine gründliche Sanierung des Platzes mit Bäumen, die dort wachsen können, Blühstreifen, mit Verweilmöglichkeiten und Wegen, die auch für Behinderte barrierefrei begehbar sind. Das war´s . Wir brauchen das ganz aufwändige und zeitraubende Brimborium eine Neustarts nicht – es besteht ein von sechs Fraktionen getragener Beschluss.

Hinzu kommt noch Folgendes: Nach dem Ende des Beteiligungsprozesses gab es die Fridays-for-Future-Bewegung, mit der Folge einer viel stärkeren Gewichtung von Klimaschutzaspekten. Wenn wir die Klimaschutzziele überhaupt erreichen wollen, können wir auf diesen verkehrsreichen Platz im Zentrum unserer Stadt nicht als Grünfläche mit klimaschützender Wirkung verzichten.

Da ist der PLUA-Beschluss schon auf der richtigen Spur – denn er erkennt den unschätzbaren Wert der sehr zukunftsweisenden und damit zu Recht preisgekrönten Planung von Stadtbaurat Konrad Wiese in den 80er Jahren, die nun gerade jetzt in Zeiten des Klimanotstandes geradezu alternativlos ist.

Wir brauchen keinen „Neustart“ – er ist überflüssig wie ein Kropf.

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