Der lange Schatten der Leuchttürme – Teil 3

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Foto: Edgar Vögel

Von Edgar Vögel

Vorbemerkung Red.: Diese Artikelserie beschäftigt sich mit dem „Intergrierten Klimaschutzkonzept (IKSK) 2.0 der Stadt Braunschweig. Eine Einführung in das Thema (eine Zusammenfassung der wichtigsten kritischen Aspekte) finden Sie hier. Wegen der Fülle des Stoffs wurde der Inhalt auf insgesamt vier Teile aufgeteilt. Hier folgt nun der dritte Teil. Den ersten Teil finden Sie hier, den zweiten hier.

III. Feststellung: Geburtsfehler beim IKSK 2.0

1. Klimakonzept bei städtischen Gesellschaften? Fehlanzeige!

Sämtliche städtischen GmbH-Gesellschaften, in denen die Stadt die Mehrheit hält, kommen im Klimaschutzkonzept 2.0 überhaupt nicht vor. Ein Beitrag zur Erreichung der städtischen Klimaziele haben sie mithin gar nicht zu erbringen. Wie das? Die Stadt reagiert auf Nachfrage ebenso lapidar wie schmallippig: Weil das der Rat nicht anders beschlossen hat! „Integriertes Klimaschutzkonzept“ der Stadt Braunschweig? Oh, hat da etwa jemand dabei vergessen die Stadt selbst zu integrieren?

Ein besonders eklatantes Beispiel aus dem Portfolio der Stadt stellt der „Forschungsflughafen Braunschweig-Wolfsburg“ dar, an dem die Stadt inzwischen einen Anteil von 66,173 % am stimmberechtigten Kapital hält. Hauptnutzer: VW. Dessen umweltschädliches Fluggebaren sorgte im Jahresverlauf für ein erhebliches und durchweg negatives Presseecho. Der Airport-Haupteigner hüllte sich dazu in vornehmes Schweigen.

VW dagegen gelobte Besserung und kündigte diverse Maßnahmen an, durch die die Anzahl der Flüge beschränkt und der CO2-Ausstoß gesenkt werden soll. Als die Touristikunternehmen „Der Schmidt“ und Tuifly für den Reformationstag einen Tagesausflug mit 180 Passagieren von Braunschweig nach Neapel zur „Taufe“ einer neuen Boeingmaschine ankündigten, wurde dies seitens der Stadt wiederum heftig beschwiegen. Dass fast 30 Tonnen CO2 zusätzlich und nur zum Vergnügen ausgestoßen werden sollten (und wurden), wo andernorts schon um jedes Gramm gekämpft wird, war den Stadtoberen noch nicht einmal einen erhobenen Zeigefinger wert.

Ein weiteres deutliches Signal, welcher Stellenwert den eigenen Klimazielen von ihnen beigemessen wird. Die Flughafengeschäftsführung darf noch darauf hinweisen, dass die Flugsause ja einen vierstelligen Gebührenbetrag in die Kasse bringe (bei jährlich acht Millionen Defizit). Dafür darf man ja wohl schon mal ein Auge zudrücken, nicht wahr? Bei 43.000 Passagieren im Jahr 2022 wurde also jeder von ihnen von der Stadt rechnerisch mit durchschnittlich fast 200 € üppig subventioniert. Gut für die Firma Schmidt, aber ganz schlecht fürs Klima; auch ein Stück hausgemachter „Klimakatastrophe, made in Brauschweig“, wie die BIBS dazu bemerkte.

2. Flugscham – was soll das sein?

Und in diesem Jahr geht es munter weiter. Für die vielen Anzeigen des Unternehmens in den Funke-Medien-Blättern „BZ“ (mit Regionalausgaben) und „NB“ durfte das Reiseunternehmen Schmidt im redaktionellen Teil die Werbetrommel rühren, einige Zitate als Beispiel:

Das Reiseunternehmen „Der Schmidt“ aus Wolfenbüttel wächst bei Flugreisen deutlich. Das Geschäft mit Busreisen ist hingegen leicht rückläufig, wie Geschäftsführer Philipp Cantauw im Gespräch mit unserer Zeitung erläuterte. Im Vergleich zum Jahr 2019, also vor der Corona-Pandemie, sei das Fluggeschäft um 60 Prozent gewachsen. „Der Braunschweiger Flughafen ist dabei unser Rückgrat“, erklärte Cantauw. Er stand mit seinem Unternehmen gerade bei Klimaaktivisten und der BIBS (Bürgerinitiative Braunschweig) in der Kritik für einen eintägigen Taufflug von Braunschweig nach Neapel. Der Flug sei ausgebucht gewesen. … . Der aktuelle Reisekatalog sei zudem der größte, den das Unternehmen je hatte. … „Die Nachfrage ist riesig“. … Eigentlich dient der Flughafen Braunschweig-Wolfsburg Forschungszwecken und ist zudem Start- und Landepunkt für Business-Jets von Unternehmen und Unternehmern. Aber auch touristische Flüge sind dort zugelassen. Allerdings sind sie nach einem Planfeststellungsbeschluss auf 156 pro Jahr gedeckelt, wie der Flughafen auf Anfrage mitteilt. … Der Schmidt hebt eigenen Angaben zufolge rund 40 Mal im Jahr von Braunschweig ab. (BZ, 08.11.23)

Das war 2023. Allein in diesem Frühjahr werden es bereits 30 Flüge (je hin und zurück) sein und im Herbst/Winter noch einmal mehr, also ungefähr eine Verdopplung gegenüber dem Vorjahr. Das sind in der Summe mehrere Tausend Tonnen CO2 zusätzlich, die sich der selbsternannte „Research Airport Brunswick“ zurechnen lassen muss. Aber wie wir gesehen haben, zählt das in der städtischen Klimabilanz praktischerweise überhaupt nicht, findet also quasi gar nicht statt?

Nebenbei: Das Etikett „Forschungsflughafen“ bezieht sich längst nicht mehr auf etwaige Flüge zu Forschungszwecken, sondern nahezu ausschließlich auf die am Flughafen ansässigen Unternehmen, die im Verkehrsbereich tätig sind.

3. Klimakatastrophe, aber keine Verantwortung?

Natürlich können auch Tourismus-Manager lesen. Sie wissen, dass ihr aktuelles Geschäftsmodell zeitlich limitiert ist. Im letzten Jahr gab es im Mittelmeerraum Waldbrände aufgrund extremer Trockenheit und Allzeit-Temperaturhöchstwerten, dazu noch regional teils im Wechsel mit extremen Niederschlägen und verheerenden Überschwemmungen. Sie sind als Vorspiel der sich abzeichnenden Klimakatastrophe deutlich erkennbar.

In Katalonien wird bereits jetzt der Klimanotstand ausgerufen. Die Wasserspeicher sind nach ausbleibendem Winterregen jetzt schon fast leer und die heiße und trockene Jahreszeit kommt erst noch. Jetzt noch den CO2 – Ausstoß durch viel mehr Flugreisen in Kenntnis der Entwicklungen zu erhöhen ist, nennen wir es beim Namen, UNVERANTWORTLICH. Aber angesichts eines Kerosinpreises von 1€/l nehmen offenbar alle in der Reisebranche – ob Schmidt, TUI oder wer sonst noch – alles mit, was sie jetzt noch kriegen können. Wer weiß, wie lange das noch so gut klappt? Besuchen Sie Europa, so lange es noch geht?!

Was aber gar nicht geht, ist die Mittäterschaft der Stadt Braunschweig. Ein von ihr schon vor wenigen Jahren beauftragtes Gutachten, wie sie aus dem chronisch defizitären (Verkehrs-)Flugbetrieb herauskommen könnte, wurde von ihr unter Verschluss gehalten bzw. nicht umgesetzt – trotz vorher anders lautender Bekundungen im Stadtrat. So lange dann auch noch ein Aufsichtsratsvorsitzender wie Herr Disterheft (SPD) seine Aufsicht so versteht, Empfehlungen für einen Restaurantbesuch in Braunschweig per Flugzeug auszusprechen (das sei angeblich in den USA längst üblich), wird sich an dem verantwortungslosen Handeln auch nichts ändern. Seine Äußerung hat er nach scharfer Kritik als „bloßen Spaß“ bezeichnet. Ein Klimaspaß? Armes Klima, erbärmliches Braunschweig.

4. Keine Einbeziehung von Großunternehmen in das Konzept

Es wurde beim IKSK 2.0 von vorneherein darauf verzichtet, ortsansässige Großunternehmen einzubeziehen. „Mit Einbeziehung der Großindustrie würden die Gesamtemissionen etwa 10 % höher ausfallen“. (IKSK, S.9) „Würden“? Das tun sie! Die rein formale Begründung lautet sinngemäß, es sei auch bisher so gehandhabt worden.

Naheliegende Überlegung: Die haben ganz andere Ziele, auf die man als Stadt obendrein kaum bis gar keinen Einfluss hat (siehe BS|Energy, weiter unten). Bleiben die Klein- und Mittelbetriebe, die man über freiwillige Vereinbarungen in das Konzept einbeziehen möchte, so zumindest die formulierte Absicht. Bis dato gibt es nicht eine einzige solche Vereinbarung, dafür immerhin eine Internetseite und ein Format von Infoveranstaltungen für die Adressaten





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