Braunschweig und sein Schuldenberg: Was sagen die „Direkte Demokraten“?

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Foto: Uwe Meier

16 Jahre sind es her, dass in der Stadt massiv gestritten wurde wie sinnvoll es ist, die Stadtentwässerung zu privatisieren. Man sprach von einem „Haushaltswunder“, das der damalige Oberbürgermeiter Dr. Hoffmann durch die Privatisierung angeblich geschaffen hat.

Die damals geschlossenen Verträge zur Abwasserprivatisierung laufen im Jahr 2035 laufen aus. Nun hat die Verwaltung im Finanzausschuss am 2. Februar des Jahres mitgeteilt, dass für die dann vorzunehmende Rückübertragung eine Summe von 600 bis 800 Millionen Euro aufzubringen sein wird. Der 2005 amtierende Oberbürgermeister hatte dagegen eine Summe von 215 Millionen Euro veranschlagt, die „z. B. mittels Bank-Kredit“ erfolgen könne; der Rückerwerb und seine Finanzierung würden gebührenneutral zu bewerkstelligen sein (Schreiben an die Fraktion Die Grünen vom 15.11.2005). Die nun von der Verwaltung genannten Zahlen ergeben offenbar ein gänzlich anderes, unserer Meinung nach für die Stadt Braunschweig eher bedrohliches Bild.

Der Braunschweig–Spiegel möchte über die damit verbundene große Herausforderung informieren und gleichzeitig Vorschläge der Rats-Fraktionen vorstellen, auf welche Weise sie das Problem sinnvoll angehen möchten. Wir hatten dazu eine Reihe von Fragen an die Fraktionen geschickt mit der Bitte, diese zu beantworten.

Nachfolgend dokumentieren wir hier die Antworten der „Direkte Demokraten“:

Frage: Wie hat sich Ihre Fraktion damals (2005) in der Abstimmung über das Abwassergeschäft verhalten?

Diese Frage lässt sich leicht beantworten: Im Jahr 2005 gab es weder die Piratenpartei, noch die Partei dieBasis, daher war die Gruppe „Direkte Demokraten“ an den Privatisierungsgeschäften im Jahr 2005 in keiner Art und Weise beteiligt. Grundsätzlich halten wir jedoch interessengeleitete Gutachten und Studien für wenig aussagekräftig und sind aus Gründen der Transparenz für eine Offenlegung von Verträgen vor Entscheidungen durch Mandatsträger.

Bevor man sich zu einem Sachverhalt äußert, ist es immer sinnvoll, sich zunächst beide Seiten anzuhören. Zur Klärung obiger Fragen haben wir daher eine Anfrage im Finanzausschuss am 4. Mai gestellt. Die Antwort der Finanzverwaltung werden wir anschließend an den Braunschweig Spiegel weiterleiten und uns dann zur Sache äußern.
Zur Transparenz: Da in den Fachausschüssen bei Anfragen maximal drei Fragen erlaubt sind, mussten wir die Presseanfrage leider leicht kürzen. Wir zitieren die Antworten vom Finanzdezernenten Christian Alexander Geiger:

Frage 1: Wie beurteilt die Verwaltung aus heutiger Sicht die damalige Begründung der Stadt für den Abwasservertrag, er würde die Stadt schuldenfrei stellen und dafür sorgen, dass sowohl die Stadt als auch die Bürger langfristig von diesem Vertrag profitieren würden?

Antwort Finanzdezernent Geiger:

Sowohl die Privatisierung des Stadtentwässerungsbetriebes als auch die Finanzierung der Investitionen in das Kanalnetz und die Rückübertragung der von der Stadtentwässerung Braunschweig GmbH erstellten Wirtschaftsgüter auf die Stadt waren in der Vergangenheit mehrfach Gegenstand von Erörterungen und Nachfragen. Die Auswirkung der Privatisierung auf die städtische Haushaltswirtschaft ist insbesondere zusammen mit den weiteren Privatisierungen betrachtet worden.

Eine umfangreiche Zusammenfassung der Auswirkungen der verschiedenen Privatisierungen auf die städtische Haushaltswirtschaft sowie die Sonderrechnungen Stadtentwässerung und Abfallwirtschaft enthält die Mitteilung 11852/11 vom 19. August 2011. In dieser Mitteilung sind die Verwendung der Einnahmen aus den verschiedenen Privatisierungen und die daraus folgenden Auswirkungen insgesamt, aber auch bezogen auf die Einzelprojekte wie z.B. auf die Privatisierung der Stadtentwässerung, detailliert erläutert. Auf diese Mitteilung verweise ich deshalb.

Andere oder ergänzende Informationen zu dieser Mitteilung gibt es nicht, die in der Mitteilung ausgeführten Einschätzungen gelten auch heute noch.“

Frage 2: Angesichts der nun für Ende 2035 angekündigten 600 – 800 Millionen Euro an Rückkaufwerten aus 30 Schuldverschreibungen: Wie plant die Verwaltung, die Gefahr eines Zahlungsverzuges für das Jahr 2035 abzuwenden?

Antwort Finanzdezernent Geiger:

Hierzu gilt auch weiterhin und unabhängig von der Höhe des Rückkaufwertes die in dem von Ihnen zitierten Schreiben (an die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 15.11.2005) getroffene Aussage, dass eine Vorsorge im städtischen Haushalt für den Rückerwerb nicht erforderlich sei.

Der Gebührenzahler wird nach Auslaufen des Abwasserentsorgungsvertrages im Jahr 2036 nicht mit der Finanzierung des Rückkaufwertes belastet, sondern mit den Abschreibungs- und Finanzierungskosten des dann zurückerworbenen Vermögens. Die Abschreibungs- und Finanzierungskosten hat der Gebührenzahler auch zuvor getragen.

Die bisher die Investitionen der SE|BS finanzierenden Banken haben sich verpflichtet, der Stadt bei Vertragsende ein Angebot für eine langfristige Finanzierung der dann der jeweiligen Bank noch geschuldeten Zahlung des Rückkaufwertes zu unterbreiten. Beabsichtigt ist, die Anschlussfinanzierungen mit den zuvor geltenden Tilgungsplänen fortzuführen, so dass die Beträge nicht nennenswert von dem Ansatz des Vorjahres abweichen werden. Damit handelt es sich insgesamt um Beträge, die aus heutiger Sicht aus dem Haushaltsplan der Stadtentwässerung und dem jährlichen Gebührenaufkommen getragen werden können. Zur Einschätzung der Zinshöhe wird auf die Mitteilung 22-20224 verwiesen.

Der im Abwasserentsorgungsvertrag vereinbarte Rückkauf, der sich auf das gesamte der Abwasserentsorgung im Entsorgungsgebiet dienende Anlagevermögen bezieht, führt zu einer Aktiv-Passiv-Mehrung. Der in der Bilanz neu auszuweisenden Finanzierung (Schuldenposition) steht ein gleich hoher Vermögenszugang gegenüber.

Aus heutiger Sicht ist daher die Gefahr eines Zahlungsverzuges (nicht fristgerechte Begleichung einer unbestrittenen Geldforderung) nicht zu erkennen, so dass es besonderer Maßnahmen, um die Gefahr eines Zahlungsverzuges für das Jahr 2035 abzuwenden, nicht bedarf.“

Frage 3: Sind durch den drohenden Schuldenberg schon jetzt aktuelle Projekte (z.B. Sanierung Stadthalle, Neubau Musikschule mit Konzertsaal, Klinikum) gefährdet?

Antwort Finanzdezernent Geiger:

Hinsichtlich der Beantwortung dieser Fragestellung wird auch auf die Antwort zur Frage Nr. 2 verwiesen.

Begleitend ist mitzuteilen, dass die mittelfristige Finanzplanung die Abbildung der Finanzierungsnotwendigkeiten der folgenden drei Jahre und deren Finanzierungsmöglichkeiten beinhaltet. Auch die sich aus den Rückkaufwerten des Vermögens sowie anderer beschlossener Projekte ergebenden finanziellen Belastungen sind bei der Entscheidung zur Abwicklung über die Kernverwaltung in den zukünftigen Finanzplanungen zu verankern und zu gegebener Zeit auf die Finanzierungsmöglichkeiten auszurichten.

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