Wie wird der zukünftige Verkehr in Braunschweig organisiert?

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Straßenbahn in Braunschweig. Foto: Hans-Georg Dempewolf

Von Bernhard Piest

Verwaltung und Politik stecken den Kopf in den Sand!

Kurz vor Weihnachten, am 18.12., tagte der Mobilitätsausschuss AMTA in einer Sondersitzung. Einziges Thema war ein wichtiger Eckpunkt des Mobilitätsentwicklungsplans MEP, der die Verkehrsentwicklung bis 2035 festlegt und der Mitte 2024 beschlossen werden soll. Zu dem jetzigen Termin hatte die Verwaltung nach Diskussionsrunden in verschiedenen Gremien einen Katalog von 88 Maßnahmen ausgearbeitet, mit denen ein „Zielszenario“ beschrieben wird. Dieses soll die klimagemäße Transformation des Verkehrs mit hoher Wirksamkeit umsetzen. Von Maßnahmen in den Bereichen Gestaltung von Innenstadtstraßen und Verkehrsverlagerung, Ausbau des Radverkehrsnetzes, Parken, ÖPNV-Elektrifizierung und Verbesserung des Tarifsystems, Ausbau der Ladeinfrastruktur und Verbesserungen für den Fußverkehr werden die größten Effekte erwartet.

Bemerkenswert ist bei der Beschreibung einiger Maßnahmen, dass bis 2035 erst Planungen erstellt werden sollen, so z.B. für die Umgestaltung von Innenstadtstraßen zwecks Reduktion der Flächen für den Kfz-Verkehr.

Was wird laut Computerberechnungen mit dem beschriebenen Vorgehen erreicht? Eine wichtige Maßzahl ist der Rückgang des PKW-Verkehrs. Mit den 88 Maßnahmen wäre bis 2035 eine Verminderung des PKW-Anteils am „modal split“ (prozentuale Verteilung des Verkehrs auf PKW-, ÖPNV-, Fahrrad- und Fußweganteile) von 53% auf 36% möglich. Das entspricht einer Reduktion um ein Drittel. Die Maßnahmen zeigen also Wirkung. Aber reicht das?

Der MEP steht nicht für sich, sondern ist in politische Vorgaben eingebunden, vor allem in den Ratsbeschluss von 2022, dass Braunschweig 2030 möglichst klimaneutral sein will. Mit den 88 Maßnahmen werden jedoch laut Dezernent Leuer die Emissionen der Treibhausgase im Bereich Verkehr bis 2035 lediglich um maximal 36% reduziert. Bezieht man diese Zahl auf die sieben Jahre bis 2030, ergibt sich eine Verminderung von 21% – statt 100%!

Die Hauptkritikpunkte an der Verwaltungsvorlage am MEP lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

  • viel zu geringe Effekte der Maßnahmen
  • viel zu langsame Umsetzung
  • weite Zielverfehlung der Vorgabe „Klimaneutralität 2030“

Wie wichtig die Umsetzung aller Klimamaßnahmen ist, zeigt ein aktueller zusammenfassender Bericht zu den Kipppunkten. Alles muss getan werden, um das Kippen an verschiedenen Orten der Erde zu verhindern, weil sonst die Klimaveränderung noch rasanter voranschreitet mit katastrophalen Folgen für Menschen und Natur.

Die Vorlage der Verwaltung führte schließlich zu dem Beschlussvorschlag, die 88 Maßnahmen zu bestätigen und damit festzulegen, gleichzeitig sollte die Verwaltung beauftragt werden, die Maßnahmen zu optimieren, um dem „Ziel Klimaneutralität besser gerecht zu werden.“ Dieser Vorschlag wurde mit der Änderung angenommen, mit den Maßnahmen, die klimawirksam sind, möglichst 2024 zu beginnen. Ein interessanter weiterer Änderungsvorschlag kam von der BIBS. Die Bürgerinitiativen hatten als Antrag vorgelegt, den PKW-Verkehr nicht nur um ein Drittel zu senken, sondern zu halbieren. Diese Maßnahme stünde im Einklang mit den Ergebnissen des Wuppertal-Institutes für Klima, Umwelt und Energie, dass eine CO2-Neutralität 2035 nur möglich sei mit einer Halbierung des PKW-Verkehrs. Der Änderungsantrag wurde abgelehnt.

Wäre eine andere Entscheidung im Rat möglich gewesen? Theoretisch ja. Unter den Umständen, dass mit den 88 Maßnahmen das Klimaziel so weit verfehlt wird, dass auch mit einer Optimierung die Stadt Klimaneutralität 2030 wohl kaum auch nur annähernd erreichen wird, wäre eine Ablehnung der Verwaltungsvorlage mit dem Auftrag einer Neubearbeitung angemessen gewesen. Aber mit der gängigen Praxis im Braunschweig Rat, Verwaltungsvorlagen mehr oder weniger kritiklos zu übernehmen, entfiel diese Option. Den Fraktionen von SPD und Grünen fehlen Mut und Phantasie, insuffiziente Verwaltungsvorschläge als solche zu benennen und Alternativen einzufordern.

Wie wird es weitergehen? Im Rahmen der Optimierung der 88 Maßnahmen und den folgenden Beratungen bestehen noch Gelegenheiten, die Maßnahmen zu beeinflussen in Richtung größerer Effektivität für das Ziel Klimaneutralität. Die Fragestellung müsste lauten: Wie müssen die Maßnahmen aussehen, damit ein maximaler Effekt erreicht wird?

Wie gesagt, die Entscheidung über den dann ausformulierten MEP soll im Sommer vom Rat getroffen werden.

3 Kommentare

  1. Das Problem bei dem Änderungsantrag der BIBS ist sicherlich, dass die Kommune nur begrenzten Spielraum bei der Einschränkung von privaten Verkehren hat. Leuer bedauerte am 18.12.23, dass der überwiegende Teil des Verkehrs aus dem Umland kommt und nicht ohne weiteres reduziert werden kann. Konkrete Maßnahmen wie eine Citymaut müssen gut vorbereitet und kommuniziert sein. Immerhin: Die falsche Beschreibung, dass erst 2035 begonnen werde, stimmt natürlich nicht. Aber schon erstaunlich, dass es genau so missverständlich in der Vorlage stand. Leuer sagte: Die Korrektur nehme man auf ins Protokoll.

  2. Anfang 1990er sprach man im Zwecklosverband Großraum Braunschweig von der Regiostadtbahn (RSB) und dem Ausbau des Schienenenetzes, Reaktivierung der Bahnlinie nach Harvesse für den Personnennahverkehr, Reaktivierung von Haltepunkten an den verschiedene Strecken in die Region.

    um 2010 herum sprach der Zwecklosverband davon, dass das Projekt RSB gestorben sei und man nun die Regiobahn 2014plus ins Leben ruft Haltepunke wie Leiferde, Bienrode und Westastadt aufbauen udn reaktiviere will

    Der Zwecklosvrband Großraum Braunschweig benannte sich dann irgendwann in Regionalverband um.

    Ende 2023 spricht der umbenannte Zwecklosverband davon, den Haltepunkt Weststadt 2027 oder 28 zu bauen. Von Haltepunkten in Leiferde, Bienrode, etc. auch nach gut 30 Jahren Dummschwätzerei und Geblubber keine Spur von Fortschritten oder gar Bauttigkeit, den Bahnhof Gliesmarode hat man zwar barrierefrei umgebaut, aber letztendlich endgültig kastriert, für höhere Frequenzen und Begegnungen mit Güterverkehr wie einst bräuchte man eigentlich drei Gleise. Die realisierten Zugkreuzungen in Rötgesbüttel vernachässige ich da mal.

    Und beim Radverkehr siehts auch nicht besser aus, es bewegt sich nichts oder man hört auf die falschen „Experten“ und Sonntagsradler vom AD“F“C und deren Sockenpuppen.

    So arbeitet man in der selbst ernannten Verkehrskompetenzregion, bzw man arbeitet nicht, das nenne ich Arbeitsverweigerung, wenn man 30 Jahre nix schafft aber sich gerne mit leeren schlauen Worthülsen und Grinse-Fotos in der BZ präsentiert

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