Symposium Fritz Bauer: Mut und Risikobereitschaft – Eckpfeiler einer demokratischen Gesellschaft

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Fritz Bauer und sein Beitrag im Remer-Prozess 1952

Zum Symposium über den Remer-Prozess im Institut für braunschweigische Regionalgeschichte

Generalstaatsanwalt Norbert Wolf (Foto) begrüßte die Teilnehmer und führte kurz in das Thema ein. Anschließend sprach Herr Henkel von der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz ein kurzes Grußwort und wies darauf hin, dass das Durchschnittsalter der Anwesenden doch relativ hoch sei. Vielleicht könnte durch die kommende Ausstellung auch die jüngere Generation stärker eingebunden werden.

In einem ersten Beitrag wies Claudia Fröhlich darauf hin, dass E. O. Remer für Fritz Bauer in dem Prozess eigentlich nur eine Randfigur gewesen sei, quasi ein Aufhänger, da es ihm um die grundsätzliche Frage des Widerstandsrechtes gegangen sei. Sie wies im Weiteren auch auf das Urteil des BGH von 1961 hin, dass die Position von Bauer letztlich wieder in Frage stellte, indem sie ein Widerstandsrecht nur einer kleinen Elite zusprach. (Als Randbemerkung: es ist immerhin das Jahr, in dem amnesty international gegründet wurde). Eine wichtige Rolle spielt dabei auch Hermann Weinkauff als Präsident des BGH (von 1950-60), der schon seit 1955/56 immer wieder gegen die Position von Bauer agierte, was sich dann schließlich in dem merkwürdigen Urteil von 1961 niederschlug.

In dem Beitrag „Der Nationalsozialismus vor Gericht“ von Hans-Ulrich Ludwig ging es insbesondere um das Kontrollratsgesetz Nr.10 und dem dort erweiterten Täterbegriff, der auch für Fritz Bauer wichtig war. Das KGR Nr.10 behandelte erstmals die Tatbestände „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, „Kriegsverbrechen“ und „Völkermord“. Gerade dieses Gesetz wurde von vielen Deutschen abgelehnt (als sog. „Siegerjustiz“), obwohl es im Grunde eine moderne Form internationaler Rechtsprechung ist, die heute im Völkerstrafrecht allgemein verbindlich ist (Römisches Statut von 1997). Das KGR Nr.10 war damals der Versuch der Alliierten, die schweren Kriegsverbrechen im 2.Weltkrieg ahnden zu können. In seinem Buch von 1944 „Die Kriegsverbrecher vor Gericht“ hat sich Fritz Bauer genau mit dieser Frage beschäftigt. – Vergleichbare Gesetze wie das KGR Nr.10 gab es in anderen Ländern nicht, allerdings gab es die Bezüge zum Völkerrecht sowie zur Haager Konvention von 1906.

Die deutsche Justiz lehnte dies moderne Strafrecht ab und zog sich auf das deutsche Strafrecht zurück, das diese Tatbestände nicht kannte. Dadurch gelang es ihr, dass Kriegsverbrecher nicht mehr oder nur noch in einem geringen Umfang verurteilt wurden. Ein drastisches Beispiel ist hier der Revisionsprozess von 1952 gegen den ehemaligen Ministerpräsidenten des Landes Braunschweig, Dietrich Klagges. Nur durch mehrfache Intervention von Fritz Bauer konnte eine vorzeitige Haftentlassung verhindert werden.

Dietrich Kuessner beschäftigte sich mit den theologischen Gutachten im Remer-Prozess. Bei seinen Recherchen – insbesondere im Niedersächsischen Staatsarchiv in Wolfenbüttel – war er auf umfangreiches Material zum Remer-Prozess gestoßen, das noch völlig unbearbeitet sei. So forderte er gleich zu Anfang seines Beitrages ein Quellenbuch für den Remer-Prozess, das sicherlich sehr aufschlussreich sein könnte.

Interessant ist vor allem die Vorgeschichte dieser Gutachten. Im Falle der evangelischen Gutachten hatte er sich offiziell an Bischof Erdmann gewandt, der sich jedoch ablehnend äußerte und meinte, er würde keine geeignete Person für ein solches Gutachten finden. Bauer musste so selber suchen und fand schließlich in der Universität Göttingen den evangelischen Theologen Iwandt, der bereit war, zusammen mit dem Theologen Wolf die Gutachten anzufertigen. Beide gehörten schon früher dem linken Flügel der Bekennenden Kirche an. Es ist sicherlich ein Armutszeugnis für die damalige evangelische Kirche gewesen, keine eigenen Gutachter für diese besondere Frage des Widerstandsrechtes zu finden. – Im Falle des katholischen Gutachtens war es für Bauer leichter gewesen, da der katholische Theologe Angermaier schon früher kritische Beiträge zu der Thematik verfasst hatte, und Bauer sich daher nicht direkt an die Kirche zu wenden brauchte.

In einem kurzen kritischen Beitrag schilderte Helmut Kramer den Roeder-Prozess von 1950 in Lüneburg, der das direkte Gegenstück zum Braunschweiger Remer-Prozess gewesen sei. Roeder hatte die Prozesse als NS-Richter gegen die Rote Kapelle geführt und war in seinem Vorgehen auch für NS-Maßstäbe extrem gewesen (von den 47 angeklagten Mitgliedern verhängte er in 46 Fällen die Todesstrafe). Das Verfahren gegen Roeder wurde mit der Begründung eingestellt, dass Landesverrat immer zu verachten und daher zu verurteilen sei. Helmut Kramer hob daher den Mut und das Risiko von Bauer hervor, das angesichts solcher Urteile nötig war.

In einem letzten Beitrag stellte Herr Steinbach sein Buch über die Rezeptionsgeschichte eines Buches über Stauffenberg vor.

Fazit: Die Zeit von Bauer in Braunschweig Anfang der 50iger Jahre war eine besonders schwere und ungünstige Zeit für NS-Prozesse – die Restauration der alten Verhältnisse war in vollem Gange: die politische Stimmungslage hatte sich deutlich verändert, insbesondere angesichts des neuen Kalten Krieges; das Verdrängen der Vergangenheit hatte eingesetzt, auch gefördert durch die Amnestie-Gesetze wie dem 131-Gesetz, durch das viele alte „Kameraden“, d.h. ehemalige NS-Beamte wieder in ihre Ämter kamen. – Zudem war Niedersachsen damals eine Art „Stammland“ des Neonazismus und rechtsextremer Kräfte (trotz einer SPD- geführten Landesregierung)

Bauers Position war damals eher eine singuläre Erscheinung – umso bedeutender ist seine Leistung, auch in dieser Zeit und in diesem Umfeld Zeichen gesetzt zu haben. Später in Frankfurt konnte er dann seine Tätigkeit weiter entfalten und ausbauen – in Braunschweig aber legte er die Grundlagen dafür.

Bauer bewies Mut und Risikobereitschaft in einer Gesellschaft, die verdrängen und vergessen wollte – gerade aber das sind Eigenschaften, die für eine demokratische Gesellschaft unabdingbar sind. Insofern ist sein mutiges Eintreten für Gerechtigkeit auch ein Vorbild für junge Menschen, nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern.

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