„Stell Dir mal vor, das kommt an die Presse!“ Offiziere der Luftwaffe im abgehörten Gespräch

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Von Amadeus Martin

Vier Offiziere der Luftwaffe haben über mögliche Einsätze des Marschflugkörpers Taurus in der Ukraine gesprochen; dabei spielte es eine große Rolle, wie der Eindruck vermieden werden könne, dass Deutschland in den Krieg eingreift. Denn dann könnte es auch von Russland als Kriegsgegner behandelt werden, der Eskalation wären Tür und Tor geöffnet. Gesprächsleiter war General Ingo Gerhartz, Inspekteur der Luftwaffe. Der Ton ist nicht eben vertrauenserweckend: „Scheiß“, „Schwachsinn“, „Gelaber“, „Blödsinn“, „zuballern“, „supporten“, „mega-sau-ärgerlich“ – man hat nicht das Gefühl, dass sich die vier Offiziere des Ernstes der Lage und der Gefahren ihres „Projektes“ bewusst sind. (Natürlich muss auch die Tatsache, dass es russischen Diensten so leichtgefallen ist, das Gespräch mitzuhören und aufzuzeichnen, irritieren. Laut Spiegel ist das Gespräch über WebEx gelaufen, unverschlüsselt; und im Laufe des Gesprächs kündigt einer der Beteiligten an, dem andern ein Schriftstück des „Comos“ (gemeint wohl Commodore) zu „whatsappen“.) 

Nun aber sind eine Audioaufzeichnung des 38-minütigen Gesprächs und Transskripte davon in der Welt, auch wenn deutsche Medien das weder verlinken noch journalistisch korrekt   darüber berichten. „Bild“ berichtet, die Bundeswehr habe bei X (vormals Twitter) darauf hingewirkt, dass Verlinkungen gesperrt werden. Kein Zweifel, dass diejenigen Journalisten, die über das Gespräch berichten, es selber gehört oder gelesen haben müssen, sonst könnten sie in ihren Berichten einige Details nicht wiedergeben. Sie verharmlosen den Inhalt aber nach Kräften und lassen wichtige Passagen unerwähnt. 

Die vier Offiziere erörtern, wie Taurus gegen russische Munitionsdepots und die Krimbrücke eingesetzt werden kann. Offizier Udo Fenske dazu wörtlich:

„Und die Brücke ist leider aufgrund ihrer Größe wie ein Flugplatz. Das heißt, es kann durchaus sein, dass ich dafür 10 oder 20 Flugkörper brauche (gemeint ist Taurus, der Verfasser).“

Ausführlich wird erörtert, wie man die Tauruseinsätze von Deutschland aus ermöglichen kann, sei es durch Datentransfer vom Fliegerhorst Büchel aus oder von der Luftwaffe zur Firma TSG („Schrobshausen“), die dann die Datensätze, die Zieldaten und wohl auch Angriffsrouten enthalten, an die ukrainischen Streitkräfte weiterleitet, so dass es vielleicht so dargestellt werden kann, dass die Bundeswehr, also der deutsche Staat, nichts damit zu tun hat. Oder, so schlägt es einer vor, „es fährt jemand mit dem Auto nach Polen“, man schaffe also das „Datenfile“ nach Polen, „dann Handover, Takeover in Polen“. Den Beteiligten ist sehr bewusst, dass das nach einer Kriegsbeteiligung Deutschlands riecht. General Frank Gräfe zu General Gerhartz:

„Ich glaub, das macht keinen Unterschied, Ingo. Wir müssen halt aufpassen, dass wir nicht gleich zu Beginn im Kriegskriterium formulieren. Wenn wir dem Minister jetzt sagen, ich überspitz mal ein bisschen, wir planen die Daten und fahren sie dann von Polen aus mit dem Auto rüber, damit es keiner mitkriegt – das ist ein Kriegskriterium.“

Das Gespräch dient der Vorbereitung eines Termins bei Minister Pistorius. Der Minister wolle informationsmäßig „tiefer einsteigen“, es sei aber nicht so, dass der Kanzler dahinter stehe. Anhand einiger „slides“ (Tischvorlagen) soll Pistorius informiert werden, wobei zu jeder Darstellung eines möglichen Problems gleich die mögliche Lösung mitgeliefert werden soll.

Man kommt auch auf die Möglichkeit zu sprechen, fürs erste Engländer in der Ukraine „zu fragen, ob sie das übernehmen“, damit es schneller gehe („die Engländer … haben die Flugzeuge verkabelt“; dabei ging es um die britischen Marschflugkörper Storm Shadow). Die Engländer hätten „´n paar Leute vor Ort“. Sie hätten gesagt, sie „würden auch beim Taurus-Loading den Ukrainern über die Schultern gucken“.

Übrigens wird auch sonst kein Geheimnis daraus gemacht, dass NATO-Soldaten in der Ukraine an der Kriegsführung direkt mitwirken. Inspekteur Gerhartz dazu ganz trocken:

„Wir wissen ja auch, dass da viele Leute mit amerikanischem Akzent in Zivilklamotten herumlaufen.“

Insgesamt schwebt ihm die Lieferung einer „ersten Tranche“ von 50 Taurus vor, der dann eine zweite von ebenfalls 50 Flugkörpern folgen könnte. Je länger man warte, desto schwieriger werde es werden, natürlich könne man auch Ukrainer in Deutschland ausbilden und werde das auch tun, allerdings dauere es dann wesentlich länger bis zum Einsatz der Waffen, wenn man auf den Abschluss der Ausbildung warte.

Viele weitere Details kommen zur Sprache, etwa, dass die Brückenpfeiler der Krimbrücke klein seien, so dass deren Abschuss eine hohe Präzision erfordert (Zielgenauigkeit unter drei Metern). Auch, dass bereits im Oktober der US-General Kenneth Wilsbach über den Plan informiert worden ist, ansatzweise wohl auch dessen Nachfolger, General Kevin B. Schneider. 

Vom „guten Boris“, dem „coolen Typ“

Halten wir fest: die vier Offiziere erörtern ganz offen ein Eingreifen deutscher Militärs in den Krieg in der Ukraine. Ein solches Eingreifen würde die rote Linie der direkten Beteiligung am Krieg überschreiten. Deshalb auch der Satz von General Gräfe („Stell Dir mal vor, das kommt an die Presse!“). Die Militärs scheinen die rote Linie nicht besonders ernst zu nehmen, sie mokieren sich eher über die Zurückhaltung von Kanzler Scholz. Man beginnt aber zu ahnen, was folgen könnte, wenn Minister Pistorius allzu blauäugig mit den „Informationen der Experten“ umginge. Und immerhin spricht Gerhartz schon fast liebevoll vom „guten Boris“, der „ein cooler Typ im Umgang“ sei.  

Das abgehörte Gespräch schlägt hohe Wellen in Russland, wie man sich unschwer vorstellen kann, wenn man an den Zweiten Weltkrieg denkt. Nichts davon allerdings in den deutschen Medien, die sich im Gegenteil bemühen, die Brisanz des Gesprächsinhalts zu verbergen. Inzwischen gehen die meisten Beobachter davon aus, dass es sich um eine authentische Aufnahme handelt, und nicht etwa um ein KI-gestütztes Machwerk der russischen Dienste.

Sehr Vieles spricht für die Echtheit, viele auch eher unwichtige Einzelheiten, der Sprachstil der Teilnehmer, die Stimmen selber und sehr viele detaillierte Informationen (nicht zuletzt über „Franks“ Aufenthalt in Singapur).   

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In den Weiten des Internets findet man sowohl die Audioaufzeichnung als auch Transskripte des Gesprächs, so etwa bei „anti-spiegel.ru“. Diese Seite stammt von dem Bremer Thomas Röper, der seit langer Zeit in Moskau lebt und ohne Zweifel dem russischen Kurs positiv gegenübersteht. Reine Propaganda? Wer vor allem die Audioaufzeichnung anhört, wird das für sehr unwahrscheinlich halten. Und sowieso sollte jeder Leser und Hörer immer bewusst überprüfen, was er (bzw. sie) da hört oder liest. Das Erschrecken wird dabei in diesem Fall kaum nachlassen.

3 Kommentare

  1. Inzwischen wird die Echtheit des Gesprächs vom Verteidigungsministerium bestätigt. In Tagesschau.de 2.3. 15:11 wird aber nicht die Vorbereitung von schwersten Attentaten z.B. auf die Krimbrücke kritisiert, ein Attentat, dass, bei Verwirklichung, zum offenen Krieg mit Deutschland führen kann. Es wird der Abhörfall kritisiert, der laut „Experten“ ein „Super-GAU“ sei, was meines Erachtens stimmt. Man versucht so vom Inhalt der Attentatsvorbereitung abzulenken. Daher wird auch versucht den Inhalt nicht öffentlich zu machen.
    Tagesschau.de: „Welche Konsequenzen die Bundeswehr aus dem mutmaßlichen Spionagefall zieht, ist unklar. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, es müsse endlich Schluss sein mit unserer Naivität. Cyberangriffe, Spionage und Desinformation seien bereits heute massiv angestiegen. „Wir müssen dringend unsere Sicherheit und Spionageabwehr erhöhen, denn wir sind auf diesem Gebiet offensichtlich vulnerabel“, sagte die FDP-Politikerin.“ (gleiche Quelle) Angesichts des naivem Herangehens der Offiziere, in dem sie nicht die einfachsten Maßnahmen zur Absicherung nutzten, ist der Begriff „Cyberangriff“ ziemlich hochtrabend.

  2. _Wenn_ es die Russen ueberhaupt waren … die erklaeren ihrerseits, es waere eine Aktion der Briten/Franzosen, weil die sauer seien, dass Scholz die personelle Unterstuetzung der Ukraine offen erwaehnt hatte.

    In den Militaerblogs haben die Russen angeboten, gefallene Franzosen ‚rueck-zu-ueberstellen‘ (oder wie sagt man?).
    Und die Bundeswehr? Da gibt es eben auch rustikale Typen – im Extremfall wird mal Munition gemopst. Diese Generaele sind keine Nazis, natuerlich, aber Krieg gegen Russland scheint nicht so schlimm zu sein?
    Ich frage mich, was ein Verteidigungsminister Schmidt dazu gesagt haette.

    Vielleicht war es ja auch eine ‚Kinderkanal-Produktion‘ wie der gebastelte Drohnendialog (s. youtube)?
    https://www.youtube.com/shorts/kgsVFZXnkAE
    Immerhin beschweren sich viele Eltern.

    Was Zackzack-Zimmermann betrifft – es sind ja bald Wahlen…
    Schluss mit der Naivitaet.

  3. Reinhard Faudt
    Mehr als bedenklich finde ich, dass führende Militärs unseres Landes offenbar ein Problem mit der Demokratie und dem Grundgesetz haben: Die durch Wahlen demokratisch legitimierte Regierung und v.a. der mit Richtlinienkompetenz ausgestattete Bundeskanzler tragen die volle Verantwortung dafür, das Kriegsrisiko von der deutschen Bevölkerung fern zu halten! Dem hat sich das Militär unterzuordnen. Die verzweifelten Versuche, doch noch irgendwie mit neuer Waffentechnik und Strategie Russland in die Knie zu zwingen, bürden den Menschen in der Ukraine furchtbare Leiden auf, die mit allen politischen Mitteln sofort zu stoppen sind.

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