Stadtentwicklung und Stadtplanung: Was sagen die OB-Kandidat*innen? Beitrag vom 05.08.21 mit Ergänzungen

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Zu Beginn dieser Dokumentationsreihe hat die Redaktion die OB-Kandidat*innen vorgestellt. Die zu den Themenblöcken gehörenden Antworten folgen nun weiter schrittweise in gewürfelter Reihenfolge. Leider haben die Kandidat*innen nicht zu allen Fragen geantwortet.

Herr Kornblum hat seine Antworten zum Thema ISEK / Bürger*innenbeteiligung nachgereicht und um Veröffentlichung gebeten. Zur besseren Vergleichbarkeit der politischen Konzepte der einzelnen Bürgermeister- Kandidaten, sind auch die Antworten die die Kandidaten bisher gegeben haben im Beitrag enthalten.

ISEK / Bürger*innenbeteiligung (Zusatzfrage)

Frage 1: Wie stehen Sie zu einer Weiterentwicklung und Realisierung der im Integrierten Stadtentwicklungskonzept (ISEK) erarbeiteten Vorschläge?  Und wie sieht es grundsätzlich mit einer umfassenden Bürgerinnenbeteiligung aus?

Anke Schneider (Die Linke)

Zu Frage 1: Der Beschluss des ISEK 2018 war  ein erster Schritt hin zu einer integrierten Stadtentwicklung. Das Leitbild, die Rahmenprojekte und Teilraumkonzepte sind noch relativ allgemein formuliert. Es war von vorn herein so angelegt, dass es regelmäßig überprüft, weiterentwickelt und evaluiert werden sollte. Jetzt muss damit weitergearbeitet werden. An einzelnen Projekten arbeitet die Stadtverwaltung ja auch. Natürlich geht mir vieles viel zu langsam und ist noch immer sehr unkonkret. Nehmen wir als Beispiel den Mobilitätsentwicklungsplan. 2023 soll er fertig sein. Vier Wochen lang konnten sich die Einwohner:innen anhand noch sehr allgemeiner Fragestellungen einbringen und in einem Lifetalk informieren. Aber immerhin drei Jahre nach dem Beschluss des ISEK ist da noch nichts wirklich Greifbares und nichts, wo man den Eindruck hat, dass man wirklich Einfluss nehmen kann – nicht einmal als gewähltes Ratsmitglied.

Für mich hat die Beteiligung der Einwohnerinnen und Einwohner einen großen Stellenwert. Die Hürden für Einwohner:innenanträge und Bürger:innenentscheide sind in Niedersachsen viel zu hoch. In Braunschweig hatte DIE LINKE 2013 erfolgreich die Einführung eines Bürgerhaushaltes beantragt, der leider inzwischen wieder abgeschafft wurde. Beteiligungsprozesse wie „Denk deine Stadt“ beim ISEK oder jetzt beim Stadtbahnausbaukonzept, wo sich die Einwohner:innen umfassend informieren und einbringen können, sind an sich eine sehr gute Sache. Bei bestimmten Projekten wäre es wünschenswert die jeweils existierenden ehrenamtlichen Expert:innenverbände eng mit einzubinden. Ich stehe auch dem Gedanken der Bürger:innenräte positiv gegenüber. Wichtig dabei ist allerdings, dass man am Ende wirklich eine repräsentative Zusammensetzung dieser Räte erreicht und dass die Entscheidungen am Ende auch eine Verbindlichkeit haben.

Thorsten Kornblum (SPD)

Zu Frage 1: Das ISEK ist ein lebender Prozess mit Leitzielen, Projekten und Schwerpunkten für die räumliche Entwicklung Braunschweigs, das einen klaren Orientierungsrahmen für Stadtentwicklungsprojekte aufspannt. Eine Vielzahl der aufgeführten Projekte befindet sich bereits in der Umsetzung oder sind bereits umgesetzt (Neuaufstellung des Flächennutzungsplans, Bahnhof Gliesmarode am östlichen Ringgleis, Erstellung eines Klimaschutzkonzeptes 2.0, Langer Tag der Stadtnatur, Lichtparcours, …), andere sind Daueraufgabe.

Bei zahlreichen dieser Projekte ist eine umfassende Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger ein wichtiger Schritt, um die Betroffenen und Fachleute in eigener Sache an der Weiterentwicklung ihrer Stadt teilhaben zu lassen. Je nach Projekt oder Zielgruppe können die Beteiligungsprozesse dabei unterschiedlich gestaltet sein.

 Der Zielhorizont ist das Jahr 2030, das heißt, dass in wenigen Jahren der dann aktuelle Status zahlreicher Pläne und Projekte evaluiert werden muss, um das ISEK dann fortzuschreiben.

 Für die Bürgerbeteiligung in Braunschweig ist ein Grundsatzkonzept mit Leitlinien und Standards zur Beteiligung zu erarbeiten. Das hat der Rat mit dem ISEK im Rahmenprojekt „Teilhabe, Vielfalt und Engagement“ beschlossen, und das werde ich mit Nachdruck auch so umsetzen.

Birgit Huvendieck (BIBS)

Zu Frage 1: Wir stehen dem ISEK skeptisch gegenüber. Im ISEK sind Vorschläge enthalten, die garantiert nicht von den Bürger:innen stammen, wie z. B. das Projekt Bahnstadt. Auf der anderen Seite gab es jede Menge Bürger:innenvorschläge für mehr Grün, für Naturschutz und zur Förderung des Radverkehrs – wie in allen Bürger:innenbeteiligungen in Braunschweig und übrigens auch in vielen anderen Städten von den Menschen gefordert. Diese wurden nach dem Beteiligungsprozess kleingeredet und deutlich zusammengestrichen. Besonders krass der Bürger:innenwunsch nach einer Baumschutzsatzung, der komplett gestrichen wurde!

Aus diesem Grunde halten wir vom ISEK wenig. Es scheint ein Instrument zu sein, mit dem die Verwaltung Bürger:innenbeteiligung vortäuscht, die keine echte ist, um später Projekte durchziehen zu können mit der Behauptung, die Bürger:innen seien beteiligt worden. Das sieht mensch auch sehr deutlich bei der Pseudobeteiligung zum Hagenmarkt. Schlussendlich richtet sich die Verwaltung leider ohnehin nicht nach Ratsbeschlüssen und oder nach ihren eigenen Vorgaben, wenn es ihr nicht in den Kram passt. Ohne politischen Druck und Widerstand der Zivilbevölkerung geht da gar nichts!

Wir setzten auf Bürger:innenräte zu einzelnen Sachthemen nach dem Vorbild für einen bundesweiten Bürger:innenrat zum Klimaschutz. Mit so etwas wurden in Frankreich und Irland schon gute Erfahrungen gesammelt.

Das könnte helfen, Korruption, Filz und Lobbyismus zu überwinden, was ja leider auch in Braunschweig dominant ist.

Tatjana Schneider (unabhängige Kandidatin für B90/Die Grünen)

Zu Frage 1: Das ISEK hat zwei wesentliche Ergebnisse geliefert: einerseits hat es das gemeinsame und bereichsübergreifende Arbeiten geübt. Andererseits wurden Ziele der Stadtentwicklung erarbeitet und Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele formuliert. Es wird in ein bis zwei Jahren an der Zeit sein sowohl die Ziele, wie auch die noch in Umsetzung befindlichen Maßnahmen zu überprüfen.

Bereits angekündigt ist, dass Leitplanken für Beteiligung erarbeitet werden. Das ist dringend notwendig, weil doch auffällt, dass Politik, Verbände und Initiativen jeweils andere Definitionen für Beteiligung verwenden. Außerdem fällt auf, dass die zur Verfügung stehenden zahlreichen Instrumente für Beteiligung nicht vollumfänglich angewendet werden. Somit unterstütze ich diesen Klärungsprozess.

Das „Wir“ ist mir wichtig. Die Stadt muss erklären, erläutern und transparent informieren. Ich möchte mit klaren Regeln Teilhabe an der Gestaltung unserer Stadt ermöglichen. Es wird nicht gelingen, es allen recht zu machen – aber alle sollen verstehen können, warum welche Entscheidungen getroffen werden. Dann werden die Veränderungen von der Stadtgesellschaft mitgetragen und die neuen öffentlichen Räume angenommen und pfleglich behandelt.

Kaspar Haller (unabhängiger Kandidat für die CDU, FDP und VOLT)

Zu Frage 1: Nicht lang schnacken, wir müssen anpacken. Viele der guten Gedanken verstauben in den Schubladen der Verwaltungsspitze.

Aufsuchende, transparente, demokratische Bürgerbeteiligungen und auch Bürgerräte funktionieren für bestimmte Fragestellungen erstaunlich gut und helfen, auch komplexe Themen in einer Stadtgesellschaft schneller und zielgerichteter zu verankern.

Gleichermaßen gilt für mich: Die erste Form der Beteiligung an unserer Demokratie ist die Wahl, dieser Wahl stelle ich mich und ich kämpfe für eine Wahlbeteiligung von 70% in Braunschweig!

Auch Ihre Stimme zählt.

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