Staatstheater Braunschweig: Geschichte war gestern; in Zukunft wird geliebt

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Knallrote Banner und der Schriftzug „City of Love“: Unter diesem neuen Motto präsentierte die Leitung des Staatstheaters Braunschweig den neuen Spielplan. Foto: Klaus Knodt

Wenn die traditionellen Stammgäste weniger werden, muss man neue Kundenpotentiale heben – diese marktwirtschaftliche Devise befolgt ab der nächsten Saison auch das Staatstheater Braunschweig. Mit besonderem Blick auf die Zuschauer der Zukunft realisiert die Intendanz einen Spielplan für 2019 / 2020, der schon den Nachwuchs ab dem Babyalter anspricht und unter dem Jungen Staatstheater alle vier Sparten programmatisch bedient.

Mit dem Dauerbrenner Weihnachtsmärchen („Die feuerrote Blume“ nach dem Roman „Die Schöne und das Biest“) richten sich 21 Produktionen unter den Rubriken „Junges! Konzert“, „Junges! Schauspiel“, „tanz jung!“ und „Junges! Musiktheater“ künftig an Kinder, Schülerinnen und Schüler. Spartenleiter Jörg Wesemüller: „Der Erfolg der ‚Babykonzerte’ in der laufenden Saison, die wir natürlich fortsetzen, hat uns dazu Antrieb gegeben. Der absolute Wahnsinn, die Leute standen regelrecht Schlange für die Vorstellungen.“

Generalintendantin Dagmar Schlingmann versprach eine „Saison mit vielen großen Gefühlen als treibende Kraft des Theaters“. Foto: Klaus Knodt

Das Ganze geschieht 2019 / 2020 in knallrotem Corporate Design, denn Generalintendantin Dagmar Schlingmann hat Braunschweig zur „City of Love“ ausgerufen. Nach dem eher sperrigen Vorsaison-Motto „Geschichte wird gemacht“ verspricht sie „eine Spielzeit mit vielen, vielen großen Gefühlen“. Mit den Premieren von Gounods Oper „Faust“, dem Musical „Chicago“, „Eugen Onegin“, „Angels in America“ und dem „Fidelio“ (alles im Großen Haus) wird das Musiktheater diesem Anspruch gerecht. Das Sprechtheater schliesst sich an, betrachtet das Thema aber auch aus dem Blickwinkel der vergeblichen, kriselnden, zerbrechlichen Liebe: Mit „Wer hat Angst vor Virginia Woolf“, Tschechows’ „Kirschgarten“, Goethe’s „Iphigenie“ oder dem „Sommernachtstraum“ nähern sich Autoren verschiedener Epochen der Liebe aus entgegengesetzten Betrachtungswinkeln. Insgesamt 15 Neuproduktionen, 5 Wiederaufnahmen und 2 Sonderveranstaltungen (Die „Lesenacht“ und den Wochen-Workshop „Anders Schreiben“ für junge Autorinnen) listet das Schauspiel im Programm. Schauspielleiterin Claudia Lowin: „Ausserdem werten wir das ‚Aquarium’ im Kleinen Haus noch einmal auf. Für die experimentelle Bühne gründen wir eigens einen Verein und machen daraus einen Kleingarten.“ Gleich zweimal darf der Braunschweiger Schriftsteller Hartmut El Kurdi, noch vor einer Dekade in der Elitenkultur der Stadt verfemt, am Staatstheater seine Stücke präsentieren.

Das Staatsorchester lässt anlässlich seines 250. Geburtstags Ludwig van Beethoven hochleben. Neben der „Missa Solemnis“ stehen fünf weitere Konzerte des Meisters auf der Agenda, so Generalmusikdirektor Srba Dinic. Orchesterdirektor Martin Weller wies darauf hin, dass dem Staatstheater die Gleichberechtigung von Frauen wichtig ist: „Die ZuhörerInnen erleben in diesem Jahr zwei Dirigentinnen und zwei Konzerte von Komponistinnen“ – längst überfällig, auch hierauf den Fokus zu richten.

Stellten die neue Theater-Saison vor (v.l.) : Claudi Lowin (Dramatrirgin Sprechtheater), Operndirektorin Isabel Ostermann, Generalintendantin Dagmar Schlingmann, Chefchoreograf Gregor Zöllig (Leiter Tanztheater), Jörg Wesemüller (Leiter Junges Staatstheater), Generalmusikdirektor Srba Dinic, Orchesterdirektor Martin Weller. Foto: Klaus Knodt

Gregor Zöllig und sein Tanzteam nehmen die Zuschauer wieder mit auf Schuberts „Winterreise“ und in den „Peer Gynt“, appelieren mit fünf Neueinstudierungen aber auch getreu dem Leitmotto an „Sinn und Sinnlichkeit“, machen Bewegung zum „Bauchgefühl“ und versprechen den Zuschauern „Ekstase“ beim „Fest des Tanzes“. Zu einer bewegenden „Sportomania“ macht das Ballett Anfang 2020 einen Abstecher in die Turnhalle der Gaußschule, mit der eine Kooperation vereinbart wurde.

Nicht nur deshalb hat der Spielplan von bisher 150 auf über 180 Seiten Volumen zugelegt. Kooperationen mit Spielstätten in Wolfsburg und Göttingen, dem Filmfest Braunschweig und Sonderveranstaltungen wie „Pop meets Classic“ oder „Klassik im Park“ sollen das Angebot der größten Braunschweiger Kulturinstitution noch weiter ins Volk streuen – man will, so sagt etwa Tanztheater-Chef Gregor Zöllig, auch „bildungsferne Menschen“ mit dem Tanz für die Bühne begeistern. „Tanzen kann Jeder. Deshalb kann mit Tanz auch Jeden ansprechen“, lautet sein Credo.

Der Erfolg des Braunschweiger Orchesters und des Musiktheaters hat leider auch seine Schattenseiten. Andere Bühnen sind aufmerksam geworden auf die Braunschweiger Talentschmiede. Das Musiktheater zählt (bei 3 Neuverpflichtungen) zwar zehn feste SolistInnen, der Erste Kapellmeister Ivan Lopez Reynoso jedoch konnte nicht gehalten werden.

Die Kartenpreise bleiben in der kommenden Saison stabil. Der Kartenverkauf für AbonnentInnen beginnt sofort, der freie Einzelverkauf am 18. Mai. Das Spielzeitheft kann direkt oder unter www.staatstheater-braunschweig.de abgerufen werden.

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