In einer öffentliche Veranstaltung diskutierten die Spitzenkandidaten der Parteien für den Stadtrat und standen bei ver.di Rede und Antwort. Die Piratenpartei, die zur Kommunalwahl auch kandidiert, war nicht eingeladen.
Gleich beim ersten Thema ging es heiß her. Die Unterschiede in der Einschätzung der Privatisierungen in den vergangenen zehn Jahren wurden deutlich. Frau Vogler-Klages (FDP) hob die Bedeutung des Wettbewerbs hervor. Nur mehr Wettbewerb führe zur Optimierung. Außerdem wäre es durch Privatisierung möglich Schulden abzubauen, und das hätte Braunschweig getan. Herr Carsten Müller (CDU) wies auch auf den Schuldenabbau hin. Jede Privatisierung müsse man für als Einzelfallentscheidung betrachten, jede sei anders und benötige eine unterschiedliche Herangehensweise. Das hätte Braunschweig getan. Die Kontrolle der Unternehmen würde durch die Aufsichtsräte vorgenommen. Ferner sei die Kontrolle der Unternehmen durch die Kunden gegeben. Bei Staatsunternehmen wie die damalige Post, wären Beschwerden nie angekommen, alle könnten die Vorteile erkennen. Heute im Wettbewerb sähe das alles viel besser aus. (Beitrag aus dem Publikum: tausende Postämter seien geschlossen worden – das nur zur Kundenfreundlichkeit der privaten Post.)
Die Oppositionspolitiker waren im Vorteil, kamen die naturgemäß öfter zu Wort, weil es im Rat vier Oppositionsparteien gibt.
Braunschweig verzichte auf Millionen-Einnahmen und auf den Wertgewinn bei den Unternehmen (hier besonders BSEnergy), so Herr Udo Sommerfeld (Die Linke) und Herr Peter Rosenbaum (BIBS). Und nicht nur das, so Rosenbaum weiter, im Grunde gäbe es noch nicht mal den Schuldenabbau. Ein wesentlicher Teil der Schulden wären ausgelagert und tauchten im städtischen Haushalt nicht mehr auf. Rosenbaum bezweifelte auch die Pflichterfüllung des Aufsichtsrats von BSEnergy an unter OB Hoffmann. Zwei Jahre hätten die Falschkalkulationen nicht bemerkt. Braunschweig sei insgesamt arm geworden. Die Privaten würden kassieren und so der Region Geld entziehen. Sommerfeld sagte in aller Entschiedenheit, dass er kein Diktat es Marktes wolle, er plädierte für eine Re-Kommunalisierung.
Frau Marion Nikodem und Herr Martin Kaiser (beide ver.di, Braunschweig) führten durch die Diskussion
Herr Christoph Bratmann von der SPD sieht die seinerzeit mit der SPD vollzogene Teilprivatisierung der Versorgungs AG ebenfalls kritisch. Sie hätten eine Privatisierung zu 49,9 % unterstützt, doch die CDU/FDP hätten daraus eine 74,9% Privatiserung daraus gemacht. Damit wäre der Einfluss der Stadt deutlich geringer. Weitere Privatisierungen werden von der SPD abgelehnt.
Herr Holger Herlitschke (B90/Die Grünen) lehnte die Privatiserungspolitik der CDU/FDP/OB Hoffmann entschieden ab. 25% von der Versorgungs AG wollten sie seinerzeit Privatisierung, um „know how“ einzukaufen. Mit der SPD seien es dann 49.9 % geworden. Heute bei 79,9% Privatisierung durch CDU/FDP verzichte die Stadt auf hohe Einnahmen. Der Haushalt sei immer noch strukturell defizitär. OB Hoffmann und seine CDU/FDP würden Geld aus der Privatisierungskasse nehmen, um die Haushaltsdefizite auszugleichen. Vom ausgeglichenen Haushalt könne nicht die Rede sein. Dem stimmte Bratmann zu und ergänzte, dass die Schulden zu langfristigen Verbindlichkeiten umgestaltet wurden. Herlitschke führte weiter aus, dass die Stadt keinen Einfluss auf die Energieversorgung mehr habe. Etwa 18% sei der Anteil aus Atomstrom. Hier hätte die Politik keinen Einfluss mehr, der bei der Umgestaltung der Energieversorgung dringend notwendig sei.
Bratmann will zukünftig Einfluss zurückgewinnen. Es gäbe ein Primat der Politik. Das sieht auch Sommerfeld so. Wir haben einen Demokratieabbau, so Sommerfeld. Immer weniger habe der Rat zu entscheiden. Rosenbaum ergänzt mit dem Hinweis auf die Bedeutung des Vergaberechts von Aufträgen, die in der Region bleiben sollten.
Diskutiert wurde auch über die Schlossarkaden und den Einfluss auf die Innenstadt durch ECE und Partner. Zunehmend sei eine Verödung von Teilen der Innenstadt feststellbar. Komplette Etagen und Geschäftszeilen würden geschlossen. Herlitschke führte das auf die Verkaufsflächenerweiterung durch die Ansiedlung von ECE zurück. Er bedauerte die Zunahme der Filialisten. Die Stadt würde ihren eigenständigen Charakter verlieren. Jede Stadt sähe zunehmend gleich aus mit gleichen Warenangeboten. Das alles sei vorhergesagt worden. Bratmann ergänzte mit dem Hinweis, dass die SPD gegen die Ansiedlung gewesen sei, weil sie das befürchtet habe, was nun sichtbar werde – strukturelle Leerstände. Es sei eben einfach, sich durch eine Fassade ein Denkmal zu setzen, dagegen schwierig dieses mit Bildung zu tun, denn den Erfolg könne man nicht so schnell messen und davon politisch davon profitieren.
Der Bericht zur Diskussion über die Schulpolitik folgt.
Hier auf der Meinungswand waren sich die Kandidaten zu Beginn der Diskussion alle noch einig. Auf der Meinungsachse stimmten alle mit JA.