Silver Club „FBZ Special“ – Kurze Mitschrift

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Der Silver Club beschäftigte sich in seiner jüngsten Veranstaltung mit dem Thema „FBZ Reloaded – Ein neues Kulturzentrum für Braunschweig – Ein Blick nach vorn“.

 

Kurzform der Mitschrift der Diskussionsrunde

 

Samstag, 1. September, Mensa 2 der TU, Beethovenstraße

Moderatoren:
Sascha Werthschulte (Silver Club)
Roland Kremer

Diskussionsrunde:
Uwe Flake (Brunsviga)
Markus Wiener (Kulturschaufenster 38118)
Jan-Heie Erchinger (Jazzkantine)
Falk-Martin Drescher (Kultviertel)

sowie Gastbeiträge und Interview-Einspielungen

 

 

Eine Mitschrift (chronologische Zusammenfassung)

In der Silver-Club-Veranstaltung lässt Moderator Roland Kremer Zeitzeugen aus dem FBZ erzählen sowie Zeitgenossen berichten, wie Kultur heute aussieht und ein Kulturzentrum künftig aussehen könnte. Dabei kommen auch Gäste aus den Zuschauerreihen zu Wort. Kremer formuliert die Zielerkenntnis: „Brauchen wir so etwas wieder und wenn ja, in welcher Form, und wir hoffen, dass wir dann ein Mitspracherecht haben.“

Uwe Flake, Mitglied des die Brunsviga leitenden Dreiergremiums, war indirekter Mitarbeiter des FBZ, indem er 1983 im Nachbarschaftsladen und der Backstube arbeitete und ehrenamtlich in der Brunsviga. „Das war ein Konzept für ganz Braunschweig: Das FBZ als Mutterschiff mit Satelliten in allen Stadtteilen. Wir waren mit der Brunsviga einer der ersten Satelliten und gehörten zum FBZ dazu.“

In einem eingespielten Interview (geführt von Maike Richtler, Radio Oldenburg 1) berichtet Peter Vaihinger, Booker im FBZ, wie er zufällig in Braunschweig und im FBZ landete und zunächst bei der Film-Koop mitmachte. „Ein gutes, ausgefülltes, anspruchsvolles Musikprogramm ist der Weg, den ich 1983 gehen wollte.“ Ein Althippietum aus den 70ern habe zu dem Zeitpunkt Bands und Publikum ausgemacht. Er zählt wichtige Bands und Konzerterlebnisse auf, betont aber, dass heute vieles verklärt gesehen werde. Dennoch sei das FBZ insbesondere für die rund 300 Braunschweiger Bands wichtig gewesen, um Helden sehen und in deren Vorprogramm spielen zu können. „Ein neues Kulturzentrum in Braunschweig finde ich zwingend notwendig, es fehlt seit längerer Zeit eine Location für 500 bis 1000 Leute und für Bands, die zu klein sind für die Stadthalle.“ Zwar hätten sich in der Universitätsstadt Braunschweig die Freizeitaktivitäten geändert, dennoch sollte eine bestimmte Live-Kultur, auch im Theaterbereich, in der Stadt wieder ihren Platz haben.

„Peter war ein großes Glück für das FBZ“, sagt Uwe Flake. Schon vorher sei das FBZ aber relevant gewesen: „Das Festival ‚Folk 69‘ hat bundesweit für Aufsehen gesorgt.“
Auch auf andere Veranstaltungen weist Flake hin, etwa den vom FBZ organisierten Flohmarkt im Bürgerpark. „Das FBZ war mehr als nur Musik“, fasst Roland Kremer zusammen.

Der „FBZ-sozialisierte Typ“ Jan-Heie Erchinger berichtet von Bandwettbewerben im FBZ, die er mit seiner Band G-Point gewann. Auch er betont: „Das FBZ heute mehr oder weniger zu verklären, das bringt uns nicht weiter.“ Dennoch verurteile er die heutige Haltung, mit Kultur unbedingt Geld machen zu wollen, und unterstrich, wie sehr der „freakige“ Spirit aus dem FBZ heute fehle.

Gast Bernd Schulz berichtet von seiner Zeit als Booker im FBZ, die 1972, 1973 als Teekeller-Verantwortlicher begann. Kontakte nach Hannover erbrachten weitere Kontakte, und so war er über Bands wie die Scorpions und Kraftwerk 1977 an die damals als „Punk“ missverstandenen AC/DC herangekommen: „Damals hat man den Polizeipräsidenten zu Rate gezogen, ob man das AC/DC-Konzert wieder absagen sollte.“ Laut Schulz beratschlagte zu FBZ-Gründungszeiten ein Vierergremium über die zu veranstaltenden Konzerte und klärte die Vorhaben mit der Stadt. Nachteil: Zwar hatte das FBZ einen Etat, musste aber alle Eintrittsgelder an die Stadt abführen und konnte nicht mit eigenem Wirtschaften seinen Etat aufstocken. Immerhin hatte das FBZ Sponsoren, wie Musik Mewes auf dem Kohlmarkt, die halfen, DDR-Bands zu holen: „Das war uns auch wichtiger als AC/DC.“

Die „sehr gute“, die „beste“ Lage des FBZ arbeitet Markus Wiener heraus, außerdem die Vielfalt der Nutzer: „Nur die Konzerte zu sehen, ist zu kurz gegriffen, es war viel mehr.“ Falk-Martin Drescher hat das FBZ nur geschlossen erlebt und stellt fest: „Heute fehlt so eine Plattform in der Form.“ Darin bestätigt ihn Gast Roland Kowalzik: „Das FBZ war ein kultureller Treffpunkt von allen politischen und sozialen Gruppen.“ Das fehle Braunschweig, doch bezweifle er, dass das FBZ mit dem heute fehlenden Spirit zu ersetzen sein würde.

Als Beispiel für eine funktionierende Initiative, die zu einem kommunalen Kulturzentrum führte, führen Roland Kremer und Sascha Werthschulte das Kulturzentrum Hallenbad in Wolfsburg an. In einem eingespielten Interview (geführt von Maike Richtler, Radio Oldenburg 1) berichtet Leiter Frank Rauschenbach, dass es zehn Jahre „ von der Idee von Künstlern und Kulturschaffenden in Wolfsburg“ bis zur Eröffnung gedauert habe. Die Politik habe signalisiert, einen Anfang zu unterstützen und nachzubessern, sobald es sich rechne. Auch Rauschenbach als früherer FBZ-Gast bedauert dessen Schließung, betont mit Blick auf Pläne für ein neues Kulturzentrum aber: „Man braucht Partner, Kultur braucht Geld. Wenn es professionell sein soll, braucht man professionelle Leute, und die kosten Geld.“ Die Haltung teilt Uwe Flake. Seiner Erfahrung nach schlafe ehrenamtliche Initiative mit der Zeit ein.

Roland Kremer richtet den Blick auf einen möglichen Standort für ein neues Kulturzentrum. Es müsse zentral liegen und man müsse dort Krach machen dürfen. Er stellt zudem fest, dass es im westlichen Ringgebiet und im Stadtzentrum Initiativen – wie den Silver Club – und Läden gibt: „Ein neues FBZ könnte das bündeln und mehr präsentieren.“ Was die große Zahl an Initiativen betrifft, pflichtet ihm Markus Wiener bei: „Es ist alles nicht so schlimm, wie es scheint – es entwickelt sich was, zum Beispiel der Silver Club, Eiko, Nexus und eben das Kulturschaufenster.“

Gast Apfel betont als Nexus-Initiator, dass das Nexus unkommerziell und in Eigenregie läuft, und widerspricht Uwe Flake: „Dass der Idealismus fehlt, sehe ich anders: Es läuft gut bei uns, wir beweisen permanent, dass es ohne Geld geht, wir kriegen keine Zuschüsse, wir finanzieren alles selber.“

Einen Blick zurück wirft Gast Torsten Kandziora (Toddn): „Das FBZ der 80er war super, ich musste nicht nach Hamburg, Berlin oder andere Großstädte, wo coole, gute Bands gespielt haben. Nach der Schließung des FBZ war das nicht mehr so: Die Musikszene ist gestorben.“

Doch: „Man kann das FBZ nicht wunschzettelmäßig wiederhaben“, mahnt Jan-Heie Erchinger. Er unterstreicht die Forderung nach einer zentralen Lage und einer professionellen Leitung. Zudem hoffe er, „dass hier ein anderer kultureller Verteilungswind entsteht“.

Inhaltlich stellen sich Sascha Werthschulte und Roland Kremer ein Kulturzentrum in Braunschweig ähnlich breit aufgestellt vor wie das Kulturzentrum Hallenbad in Wolfsburg. „Konzerte sind dort wichtig, aber auch Lesungen, Proberäume, Seminare, Tanzendes Theater, Tonstudio – so verstehe ich auch ein Kulturzentrum“, sagt Werthschulte.

Auch Falk-Martin Drescher glaubt nicht, dass es heute weniger Initiative gibt. Vielmehr scheuen seiner Ansicht nach die potentiellen Initiatoren die bürokratischen Hürden, die sie zu nehmen hätten, wie Raummieten oder Vereinsgründungen. Es fehle an Kontakten, die herzustellen etwa eine Aufgabe seiner Initiative „Kultviertel“ sei. Und es fehle an der Bereitschaft der Eigentümer, flexiblere Mietverträge zuzulassen.

Das Anliegen der Diskussionsrunde, ein neues Kulturzentrum einzurichten, unterstreicht Gast Udo Sommerfeld (Die Linke). Sein Standort-Vorschlag: „Am Westbahnhof gibt es eine riesige Fläche, die liegt zum Teil brach, da passiert sehr viel, es gibt die Fliegerhalle und über das Ringgleis eine Anbindung an den Rest der Stadt, und es gibt keine Wohnbebauung drumherum.“

Erneut fürs Zentrum spricht sich Jan-Heie Erchinger aus. Falls Karstadt bankrott gehe, sei das Gebäude ideal. Einen weiteren Standort-Vorschlag macht Falk-Martin Drescher: „Das Oberlandesgericht wird umziehen, es soll 2014 vom Bankplatz abziehen, es müsste saniert werden, es ist sehr groß und es liegt dort, wo sich die Kulturleute eh bewegen – die dürfen nicht das Gefühl bekommen, abgeschoben zu werden, es muss da stattfinden, wo sie eh unterwegs sind, kurze Wege: Innenstadt.“

Auf noch keinen Standort habe sich die SPD festgelegt, berichtet Gast Conny Seifert (SPD). Aber: „Für mich ist es wichtig, heute hier zu sein, und zu hören, was sich die Kulturschaffenden wünschen.“

Auch Uwe Flakes Schwester, Gast Elke Flake (Grüne), betont, dass sie die FBZ-Schließung bedauert, aber nicht zur „Nostalgieverklärung“ neigen will: „Wir kriegen dann nicht das, was man heute braucht. Wir können das FBZ nicht 1:1 wieder hinstellen und denken, dass es so wieder wird.“ Sie berichtet von dem Ratsbeschluss, dass die Verwaltung bis Ende des Jahres die Aufgabe hat, einen Standort vorzuschlagen. Sie sieht jedoch ein Problem: „Der Standort und das Konzept müssten mit den Kulturschaffenden besprochen werden und nicht im stillen Kämmerlein – aber zurzeit ist das so.“ Zum Standort sagt sie: „Mitten in der Stadt: Das ist naiv, dort kann man keinen Krach machen.“

Ein Gast schlägt vor, aus dem Silver Club eine Körperschaft zu machen „als Ansprechpartner für die Stadt“, doch Sascha Werthschulte wehrt ab, der Silver Club habe andere Aufgaben: „Wir wollen die Diskussion in die Öffentlichkeit tragen.“

Das Fazit zieht Roland Kremer: „Das Interesse ist da, im Rat der Stadt macht man sich Gedanken – wir gucken zuversichtlich in die Zukunft.“

Nach der Diskussionsrunde gab es eine Feuershow mit Anke Tischler, ein Konzert mit Cleopatra Schwarz und Party mit den DJs Silas und Matze Trunk.

Matthias Bosenick, Braunschweig, 9. und 10. September 2012.
Fotos: Rüdiger Knuth, www.ishootrockshows.com

 

 

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