Quadriga oder: Wie man städtisches Geld zu sich umleitet und der OB auch noch Danke sagt

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Die Anatomie der politischen Dummheit

Den Mitteilungen der Stadt und der örtlichen Presse ist zu entnehmen, dass Braunschweig der Richard-Borek-Stiftung für ihr Quadriga-Geschenk zu Dank verpflichtet ist. Tatsächlich sieht es auf den ersten Blick ja auch so aus, dass Borek ein großzügiger Schenker ist.

700 000 € hat ihn die Quadriga gekostet, nun übergibt er sie der Stadt, die ihm dafür – die vielbesprochenen Folgekosten des Geschenkes hin oder her – keinen Cent zahlen muss.

Schaut man sich die diesbezüglichen Unterlagen (die Schenkungsverträge und die Vorlage der Stadt vom 27. 05. 08) genauer an, ergibt sich jedoch ein anderes Bild.

 

Entscheidend ist dabei folgendes:

Die Stadt verpflichtet sich nicht nur, die Kosten für die Quadriga und den damit verbundenen Besichtigungsbetrieb in Höhe von durchschnittlich ca. 35 000 € pro Jahr zu übernehmen, sondern sie verpflichtet sich auch, sämtliche aus dem Eintrittskartenverkauf erzielten Einnahmen an die Borek-Stiftung weiterzureichen. Diese Einnahmen liegen nach Erwartung der Stadt bei ca. 200 000 € pro Jahr. In der Vorlage der Stadt vom 27. 05 .08 wird mit ca. 100 000 Quadriga-Besuchern jährlich gerechnet. Eine Eintrittskarte soll – so steht es in den Beschlussvorlagen – 2 € kosten. (Siehe dazu auch vorherige Beiträge zu dieser Schenkung mit Links zu den Vorlagen und Verträgen, etwa den vom 08. Juli oder den vom 29. Juni.)

 

 

Der Hase im Pfeffer: ein gutes Geschäft (für den Gourmet)

1. Fall: Angenommen, die Stadt lehnte Boreks mit den besagten Auflagen versehenes Geschenkangebot ab und kaufte ihm die Quadriga statt dessen für 700 000 € ab (oder bestellte sich -falls Borek seine Quadriga-Replik zu solchen Konditionen nicht herausgeben wollte- beim polnischen Kunstgiesser einfach eine zweite Replik):

Dann rechnete sich die Errichtung der Quadriga incl. Besichtigungsbetrieb überschlägig für die Stadt wie folgt:
Einnahmen: Erlös aus Kartenverkauf
+200 000 € pro Jahr
Ausgaben: Zinslast für 700 000 € für Kreditaufnahme zur Finanzierung der Quadriga:
-40 000 € pro Jahr
Quadriga-Unterhaltung und -Betrieb
-35 000 € pro Jahr, macht dann zusammen einen erfreulichen jährlichen Gewinn von
+125 000 € pro Jahr

2. Fall: Nimmt die Stadt dagegen Boreks Geschenk zu dessen Bedingungen an, dann rechnet sich der Quadriga-Betrieb für die Stadt wie folgt: Ausgaben für die Quadriga für Unterhaltung und Betrieb
-35 000 € pro Jahr. Darauf bleibt die Stadt sitzen und verbucht einen Verlust von
-35 000 € pro Jahr

Für die Borek-Stiftung dagegen sieht das finanzielle Ergebnis ihres Geschenkes wie folgt aus:
Einnahmen: Erlös aus Kartenverkauf
+200 000 € pro Jahr. Ausgaben: Zinslast für 700 000 € Kreditaufnahme zur Finanzierung der Quadriga:
-40 000 € pro Jahr. Unter dem Strich ergibt sich da für die Borek Stiftung ein überraschender Gewinn von
+160 000 € pro Jahr

D.h.: In völliger Verdrehung des Wortsinnes stellt sich das vermeintliche Geschenk der Borek-Stiftung nicht etwa als ein Gewinn für die Beschenkte und ein materielles Opfer für die Schenkerin heraus.

Im Gegenteil: Legt man die Zahlen der Stadt zugrunde, verliert die Stadt durch das ‚Geschenk’ von Borek 160 000 € im Jahr, während die Borek-Stiftung dank ihrer Schenkung eben diese 160 000 € im Jahr gewinnt. (Siehe dazu auch die Anmerkungen zu dieser Rechnung im Artikel vom 31.10.08)

Und dennoch nimmt die Stadt das Geschenk an und will sogar eine dem edlen Stifter Borek gewidmete bronzegetäfelte Dankesadresse an der Schlossfassade anbringen.

 

Wie kommt die Stadt dazu, wieso tut sie das?

Ein Beispiel aus der Völkerkunde mag hier ersten Aufschluss geben: Südafrikanische Stämme fangen Affen mit einem hübschen Trick. Sie legen eine Orange in ein Astloch.

– Einerseits ist das Astloch dabei gerade groß genug, dass der Affe seine gestreckte Hand in die Höhlung stecken und die Orange darin umgreifen kann.
– Andererseits ist das Astloch so klein, dass der Affe seine Hand, so lange er die Orange umgreift, nicht wieder herausziehen kann.

Sobald der Affe sich nun die Orange gegriffen hat, haben die Affenfänger leichtes Spiel. In aller Ruhe nähern sie sich dem Affen. Dieser will natürlich fliehen, aber dazu müsste er die Orange loslassen. Das kann er aber nicht, dazu hat er sich schon zu sehr auf die Orange gefreut. Und so zetert er, reisst am Baum, aber die Hand will nicht aus dem Loch, und schon haben ihn die Affenfänger im Sack.

 

Menschen können doch nicht so dumm sein? – Können sie doch!

Es gibt einen in Braunschweig nicht unbekannten Münzhändler, der das begriffen hat und dessen Betrieb vielleicht nicht zuletzt deshalb so groß geworden ist, weil er sich ähnlicher Taktiken wie die Affenfänger bediente.

Ein Beispiel aus den 90er Jahren: Der Münzhändler bietet Dir in einer Fernsehzeitschrift eine Sondermünze zu einem günstigen Preis an, sagen wir einmal 10,- DM statt 12,- DM. Du freust Dich über das Schnäppchen und bestellst die Münze. Die Münze kommt und – welch ungeahntes Glück – auch eine kleine Silbermedaille (ohne jeden Sammlerwert wohl, aber immerhin mit 5,- DM Metallwert). Anbei liegt eine kommentarlose Rechnung, in der Dir dieses Kleinod mit 89,90 DM berechnet wird. Außerdem eine kurze Mitteilung, dass du ab jetzt monatlich insgesamt 50 weitere Medaillen aus der gleichen Reihe zum gleichen Preis zugeschickt bekommst.

Und diese Masche funktioniert! Ich kannte einen Betroffenen, der sich nach Erhalt so eines Briefes an mich wandte. Als ich meinte, er solle die ganze Lieferung einfach unfrei zurückschicken, kamen zwei Einwendungen:

1. „Aber die Sondermünze für 10,- DM würde ich doch gerne behalten, ich habe mich so darauf gefreut.“

2. „Die Leute sind doch so nett gewesen, haben sich soviel Mühe mit der Verpackung gemacht und mir kein Porto berechnet. Ich will die nicht enttäuschen.“

So ist es halt: Wenn ein Geschäftspartner uns erst einmal ins Gemüt gebrannt hat, dass er es gut mit uns meint und der Handel mit ihm ein seltenes Glück ist, dann fällt es uns schwer, von dieser Vorstellung loszulassen und an günstigere Alternativen zu denken, auch wenn die objektiven Daten das mittlerweile dringend angeraten erscheinen lassen. Und schon hat uns der Affenfänger im Sack.

Allem Anschein nach haben der Oberbürgermeister und die ihm folgenden Personen im Verwaltungsausschuss, die für die Absegnung des Schenkungsvertrages gestimmt haben, genau so weit gedacht:

„Wir haben uns doch schon so auf die Quadriga gefreut, die uns der gute Onkel von Riddagshausen zu schenken versprach. Na gut, er will – damit hatten wir zwar nicht gerechnet – jetzt alle Erlöse für sich vereinnahmen. Aber sollen wir das Geschenk deshalb ablehnen? Herr Borek hat sich doch schon so viel Mühe damit gemacht, da wollen wir ihn doch nicht enttäuschen. Außerdem hätten wir – wenn wir sein Geschenk ablehnten – daraus ebenfalls keine Einnahmen, noch nicht mal eine Quadriga. Und billiger als geschenkt kriegen wir sie wirklich nicht!“

Wenn ich einmal unterstelle, dass die Verantwortlichen der Stadt diese nicht wissentlich schädigen, dann liegt der Schluss nahe, dass sie auf Borek als edlen Spender der Quadriga so sehr fixiert waren, dass sie unfähig waren, von dieser Vorstellung loszulassen und die weitaus günstigere Alternative – nämlich den Kauf der Quadriga durch die Stadt – auch nur in Erwägung zu ziehen.

alt

Der Affe im Sack: ein schlechtes Geschäft (für den Affen)

In Sachen ‚Schloss’ fehlt Oberbürgermeister Dr. Hoffmann offensichtlich jegliches Verhandlungsgeschick, ja jeglicher Durchblick.

Erst brüstete er sich, einen großen Verhandlungserfolg gegen ECE errungen zu haben, weil er dieser den Bau der Schlossfassade aufgezwungen hätte, ohne dass es die Stadt etwas kostete.

Ganz offenbar hat er bis heute noch nicht begriffen, dass die ECE die Mehrkosten für die Fassade einfach vom Grundstückspreis, den diese an die Stadt zahlen musste, wieder abziehen durfte und er ECE somit de facto die Schlossfassade schenkte.

Nun, bei der Quadriga, glaubte sich der Oberbürgermeister wohl auf der sicheren Seite. Vermeintlich besonders pfiffig, ließ diesmal er sich etwas schenken. Aber wieder wurde er – wie dargestellt – gnadenlos von seinem Verhandlungspartner über den Tisch gezogen.

Und beide Male sagte Dr. Hoffmann artig ‚Danke’.

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