Leserbrief – Lasst die Reiter, wo sie sind!

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Herr Meyer und Herr Klauenberg setzen sich dafür ein, die Reiterstandbilder der beiden Herzöge umzusetzen. Wollen wir das wirklich?

Herzog Karl Wilhelm Ferdinand ging in die Weltgeschichte ein, aber unrühmlich. Er führte die preußischen und österreichischen Truppen gegen die französische Revolution. In seinem Manifest vom 25. Juli 1792 fordert er die Bewohner der Stadt Paris auf, „sich sogleich ihrem König zu unterwerfen“. Werde der französischen Königsfamilie auch nur die „mindeste Beleidigung“ zugefügt, so werde man „eine beispiellose und für alle Zeiten denkwürdige Rache nehmen und die Stadt Paris einer militärischen Exekution und einem gänzlichen Ruine preisgegeben.“ Da ist es nur ein schwacher Trost, dass er durch die Kanonade von Valmy daran gehindert wurde, sein Vorhaben zu verwirklichen. Und Friedrich Wilhelm? Lutz Tantow und andere schreiben in ihrem Werk „Braunschweig zu Fuß“, er habe 1813 nach seiner Rückkehr eine rigorose Pressezensur in Braunschweig verhängt und als Feldherr die Prügelstrafe wieder eingeführt. Ihr Fazit: „Nach alledem muss man annehmen, dass die Liebe seiner Untertanen auf die Zeit nach seinem Tode fiel.“

Wir sollten die beiden alten Herren da belassen, wo sie sind. Und die Betonsockel vor den Schlossarkaden? Ja, wem haben wir denn dieses ohne Zweifel beispiellose Gebäude zu verdanken? Na, klickert’s?

 

15.02.07 – Klaus Beddies antwortet Andreas Matthies

Nichts ist schlimmer, als Menschen, die sich nur ein bisschen was angelesen haben. Herr Matthies wäre z.B. gut beraten, sich z.B. zusätzlich auch einmal durchzulesen, was etwa die französische (!) Wikipedia-Seite über Herzog Karl Wilhelm Ferdinand sagt (ich übersetze sicherheitshalber):
„Ein Mann von Kultur und ein aufgeklärter Souverän – 1766 kam er nach Frankreich, wo ihn sowohl seine (früheren) Feinde wie Verbündete mit allen Ehren aufnahmen. In Paris lernte er Marmontel kennen, in der Schweiz (…) Voltaire, und in Rom (…) war sein Führer Winckelmann. (…) Mit Hilfe seines Ministers Féonce von Rosenkreuz rettete er den Staat vor dem Bankrott (…) Seine Popularität war grenzenlos, und als er seinem Vater 1780 auf dem Thron folgte (…), wurde er schnell das Modell eines Souveräns. Er war womöglich der beste Vertreter des aufgeklärten Despotismus im 18. Jahrhundert: weise, vernünftig, vorsichtig und liebenswürdig. (…) Er stand (1792) in Übereinstimmung mit den französischen Reformwünschen (…) und stand nicht im Gegensatz mit der revolutionären französischen Regierung (!!). Tatsächlich hatte man ihm zu Beginn dieses Jahres (1792) (sogar) den Oberbefehl der französischen Armee angeboten.“

Na, was sagen Sie nun, Herr Matthies?

Dass er diesen Oberbefehl nicht annahm, sondern im Gegenteil den der Koalitionstruppen, folgte Überlegungen, die die Sicherheit und die Überlebenschancen seines Herzogtums betrafen. Sie erwiesen sich im übrigen als nicht tragfähig. Aber auch „aufgeklärte Despoten“ können irren.

Herrn Matthies‘ ebenso selbstsicheren Schnellschuss gegen Herzog Friedrich Wilhelm, lasse ich erst einmal unkommentiert. Aber auch hier wäre allerlei zu sagen. Von seinen Zeitgenossen wurde er jedenfalls zunächst einmal als Freiheitskämpfer wahrgenommen, in einer Reihe mit der spanischen Guerilla, Andreas Hofer oder Ferdinand von Schill.

26.02.07 Andreas Matthies antwortet Klaus Beddies

Lieber Herr Beddies,

schön, dass wir auf diesem Wege eine kleine Diskussion über die Herzöge beginnen. Noch schöner wäre es, wenn eine solche Diskussion in der Braunschweiger Öffentlichkeit geführt werden könnte. Genau das war das Ziel meines Leserbriefs an die Braunschweiger Zeitung, die sich aber leider verweigert.

Gehen wir ruhig von der von Ihnen zitierten Charakterisierung Herzog Karl Wilhelm Ferdinands als eines „aufgeklärten Despoten“ aus. In dem Faltblatt der „Rückkehr …“ – Bürgerinitiative wird eben nur die Seite der Aufklärung genannt, dagegen wird die Seite des Despoten verschwiegen.

Alle Schüler, die im Geschichtsunterricht halbwegs aufpassen, lernen die berühmte Drohung des Herzogs gegenüber der Bürgern der Stadt Paris kennen. Sie lernen weiter, dass der „Duc“ damit die Revolution nur weiter angefeuert hat – allerdings wider Willen. Nur in der Braunschweiger Zeitung finden Sie nichts davon wieder, und das ist m. E. einer Stadt der Wissenschaft nicht würdig. So wird jede öffentliche Diskussion im Ansatz verhindert.

Wenn man beide Seiten kennt, stellt sich natürlich die Frage, ob man immer noch so stolz auf die Herzöge sein kann, dass man sie aus der Randlage in „neue Zentrum“ holen will.

Wenn wesentliche Teile des Bürgertums im 19. Jahrhundert immer stärker für die nationale Einigung „von oben“ eintraten und dabei immer mehr das andere große Ziel der Demokratie zurückstellten (und dann ganz fallen ließen), ist das ja nachvollziehbar. Aber müssen wir aufgeklärte Demokraten uns das zu eigen machen?

Ich freue mich schon auf Ihre Antwort.

Mit freundlichen Grüßen, A. Matthies.

27.02.07 Klaus Beddies antwortet Andreas Matthies

Lieber Herr Matthies,

es gelingt Ihnen nun aber als „aufgeklärtem Demokraten“, als den Sie sich bezeichnen, alles durcheinander zu bringen. Zum Zeitpunkte des „manifeste de Brunswick“, wie es in Frankreich genannt wird, kann doch von nationaler Einigung in Deutschland überhaupt nicht die Rede sein. Es gab kein Bürgertum, das nach Einheit drängte, und es gab keine demokratischen Forderungen, die hätten verraten werden können, weil 1848 und 1871 noch im Dunkel der Geschichte lagen. Und der Herzog von Braunschweig ist auch nicht Bismarck oder Kaiser Wilhelm.

Der Begriff des „aufgeklärten Despotismus“ meint im übrigen in der Geschichtswissenschaft eine Herrschaftsform, in der sich der Herrscher freiwillig bestimmten Vernunft- und Rechtsnormen unterwirft, die auf juristischer Gleichheit und nicht auf ständestaatlichen unterschiedlichen Privilegien beruhen. Man denke an das Allgemeine preußische Landrecht oder die Reformen Kaiser Josephs II. „Despot“ ist also nicht im heutigen landläufigen Sinne zu verstehen, und überschätzen Sie auch nicht den Grad demokratischer Mitbestimmung, der damals von den „fortschrittlichen“ Kräften in Frankreich angestrebt wurde bzw. in den Vereinigten Staaten bereits erreicht war. Informieren Sie sich doch einmal beiläufig darüber, wieviele Menschen in jener Zeit tatsächlich für den Kongress wählen konnten. Sie werden erstaunt sein.

„Alle Schüler, die im Geschichtsunterricht nur halbwegs aufpassen, lernen die berühmte Drohung des Herzogs gegenüber den Bürgern der Stadt Paris kennen“, schreiben Sie. Na, das finde ich ja prima, und vielleicht lernen Sie auch, dass drei Viertel des Textes aus Versicherungen dahingehend besteht, dass man keinen Krieg gegen das französische Volk zu führen beabsichtige und dass man dasselbe allerdings auch auffordere, gefälligst seinem Könige kein Haar zu krümmen. Dass die Veröffentlichung unklug war – wer wollte das bestreiten! Aber auch „aufgeklärte Despoten“ machen manchmal Fehler, von „aufgeklärten Demokraten“ gar nicht zu reden.

(Noch zwei Bemerkungen am Rande. Der Herzog hat das später selbst so gesehen, und er war natürlich auch nicht der eigentliche Verfasser. Das war vermutlich ein Emigrant namens Limon. Aber unterschrieben ist unterschrieben! Und: Wissen Sie eigentlich, das der Krieg von französischer Seite erklärt worden war und nicht von Seiten der „Reaktion“?)

Mit freundlichem Gruß
Klaus Beddies

09.03.07 Andreas Matthies antwortet Klaus Beddies

Lieber Herr Beddies,

Vielen Dank für Ihre rekordverdächtig schnelle Antwort.
Ich habe tatsächlich unterstellt, dass Sie der Gruppe der aufgeklärten Demokraten zuzurechnen seien. Falls diese Einordnung nicht mit Ihrem Selbstverständnis übereinstimmen sollte, bitte ich um Entschuldigung (und, wenn Sie wollen, Aufklärung).

Meine Bemerkungen zur Entwicklung des Bürgertums im 19. Jahrhundert haben Sie gründlich missverstanden. Herzog Karl Wilhelm Ferdinand hat seinen „Drohbrief“ an das französische Volk 1792 geschrieben. Wenn wir uns darauf einigen können, dass das noch zum 18. Jahrhundert zählt, ist klar, dass sich meine Ausführungen nicht auf diese Zeit beziehen. Es vergingen nach 1792 noch fast zwei Jahrzehnte, bis sich im Kampf gegen Napoleons Fremdherrschaft bei den deutschen Bürgern Wünsche nach Freiheit, nach Verfassung(en) und nach nationaler Einheit entwickelten.

Völlig unangemessen aber finde ich Ihre Charakterisierung des Manifestes „unseres“ Herzogs. Sie schreiben, drei Viertel des Textes beständen aus Versicherungen, „dass man keinen Krieg gegen das französische Volk zu führen beabsichtige“. Dieses Volk befand sich gerade in einer schweren inneren Auseinandersetzung. Dabei ging es nicht zuletzt um die bisherige und die künftige Rolle des Königs. Während dies nach allgemeiner Auffassung als innerfranzösische Angelegenheit gesehen wurde (und wird), in die sich keine ausländische Macht einzumischen habe, schreibt der Herzog, die von ihm geführten, nach Frankreich einrückenden Heere
„wollten nur den (französischen, A.M.) König … aus der Gefangenschaft befreien“. Weiter wird erklärt, „dass die verbündeten Heere die Städte, Märkte und Dörfer, welche sich dem König unterwerfen werden, beschützen … dass die Bewohner von Städten, Marktflecken und Dörfern, die es wagen sollten, sich gegen die Heere ihrer Majestäten zu verteidigen, …, sogleich nach der ganzen Strenge des Kriegsrechts bestraft und ihre Wohnungen zerstört oder angezündet werden sollen …“; und dann: „die Stadt Paris und alle ihre Bewohner ohne Unterschied sind schuldig, sich sogleich ihrem König zu unterwerfen (Hervorhebung durch A.M.), ihn in volle Freiheit zu setzen … und ihm die Achtung zu versichern, auf welche nach dem Vernunft- und Völkerrechte die Fürsten gegenüber ihren Untertanen Anspruch zu machen haben.“

Der Herzog bemüht hier sogar das „Vernunftrecht“, um die Unterwerfung der Untertanen unter ihre Fürsten zu fordern und wiederherzustellen. Man sieht jedenfalls, dass seine Aufgeklärtheit eine klare, enge Grenze hatte.

Diese Zielsetzung entsprach „1 : 1 original“, wie unser Oberbürgermeister sagen würde, dem Kriegsziel seiner Auftraggeber, des Kaisers und Preußenkönigs (das hatten die schon in ihrer Pillnitzer Erklärung vom August 1791 deutlich gemacht). Darüber wischen Sie mit ihren Bemerkungen, das sei „unklug“ gewesen und auch „aufgeklärte Despoten“ „machen manchmal Fehler“, einfach hinweg.

Schimmert da ein bisschen das Denken „right or wrong, my herzog“ durch?

Mit freundlichen Grüßen

A. Matthies

20.03.07 Klaus Beddies antwortet Andreas Matthies

Sehr geehrter Herr Matthies,

„right or wrong, my herzog“, das ist ja nun wirklich köstlich, jetzt kommen Sie sogar noch fremdsprachlich! Ob bei mir etwas derartiges „durchschimmert“? Ob ich womöglich nicht ganz sachlich, fast parteiisch bin? Aber gewisslich doch! Merken Sie das jetzt erst? Ich glaube, ich musste mich angesichts der von Ihnen eingenommenen deuterischen Lufthoheit einfach frühzeitig positionieren: Da war zum Einen das, was ich über die beiden inkriminierten Herzögen weiß, und da war zum Anderen das, was Sie selbst sachlich argumentativ so anbieten. Und da war die Entscheidung ganz leicht. Wirklich!

Mit freundlichem Gruß
Klaus Beddies

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