Klostergut und SlowFood – Dibbesdorf im Zentrum nachhaltiger Kultur

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Das passte zusammen. Es trafen sich die enkeltauglichen Kulturen unserer Stadt. SlowFood machte eine Betriebsbesichtigung beim Klostergut Dibbesdorf, das nach BIO-LAND-Richtlinien produziert. Diese Demonstration der Nachhaltigkeit war ein Treffen im Zentrum braunschweigischer Kultur! Denn „agricultur“ auf der Grundlage einer zukunftsorientierten Agrarethik zum Anfassen, gibt es in Braunschweig nur in Dibbesdorf, im Biolandbetrieb von Luisa Garbe und Jannes Wehmann.

Ein Stück braunschweigische Kultur ist auch SlowFood. Kultiviert essen ist heute bei all dem fastfood auf dem Bürgersteig wie Döner, Pommes, Hamburger usw. schon fast in Vergessenheit geraten. Essen nach kulturellen Massstäben ist nicht das überteuerte Edelfutter in den In-Restaurants. Es ist das langsame Genießen in einer auf das Essen und das Gespräch konzentrierten Atmosphäre von Produkten, die bei der Produktion das Klima und die Biodiversität schützen und dem Bauern ein gutes Einkommen überlassen. Slow Food beachtet die Kultur der enkeltauglichen Gastlichkeit, der Gastrosophie.

Und was passt besser zusammen als eine achtsame Lebensmittel-Produktion auf dem Biohof und das achtsame Essen der wertvollen Produkte. Beides ist eine Kultur der Achtsamkeit. Vielleicht erstaunt es, aber so etwas gibt es in Braunschweig – für alle Bürger der Stadt!

Respekt vor der Ur-Zelle – dem Ei

Luisa und Jannis mit einem kleinen Teil ihren täglich „geernteten“ Eiern, die im Braunschweiger Raum sehr begeht sind. Die Konsumenten wünschen sich i.d.R. braune Eier. Nur zu Ostern nicht. Die Lösung dieses Kundenwunsches ist nicht möglich, wenn Hühnerrassen gehalten werden, die nur braune legen. Foto: Wehmann/Garbe

Wenn Sie durch Dibbesdorf fahren Richtung Lehre, sehen Sie rechter Hand die Hühnerställe und tausende rumlaufende Hühner. Ein paar Hähne sind auch dabei. Diese Tiere haben es so richtig gut. Ob sie glücklich sind, wissen wir nicht, aber die Voraussetzungen sind gut. Natürlich bekommt das Federvieh Biofutter, hauptsächlich vom eigenen Betrieb.

Der transportable Hühnerstall, der aus hygienischen Gründen immer mal wieder die Fläche wechselt. Nachts sind alle Hühner drin. Hoffentlich. Das weiße Federvieh vorne ist ein stolzer Hahn, der immer dabei ein muss, um Ordnung in der Hühnerherde zu schaffen.

Die Hühner werden gehalten, um Eier zu legen – nicht für die Fleischproduktion. Trotzdem werden sie natürlich auch geschlachtet und wandern als Suppenhuhn in den Suppentopf. Beides, Eier und Suppenhuhn kann und sollte man von diesem Hof kaufen. Denn ohne Suppenhuhn keine Eier. Slow Food sorgt dafür, dass diese Zusammenhänge den Menschen wieder deutlich werden. Das zu Ende Denken von einfachen Prozessen wie das Essen ist die Aufgabe von Slow Food. Auch weil man durch den Kauf unserer örtlichen Produkte am kulturellen Leben unserer Stadt teilnehmen kann. Die Slow Food-Mitglieder wissen das natürlich, denn die wollen selbstverständlich wissen, wo das Essen herkommt. Dieses Wissen ist sozusagen Slow-Food-Kultur in unserer Stadt.

Im Inneren des Hühnerstalls. Eier und Suppenhühner aus diesem Stall sind eine kulturelle Leistung, und darum ihren Preis wert. Die Farbe der Hühner hat mit der Eierfarbe übrigens nichts zu tun.

Das, was so leicht aussieht, nämlich das Halten von Hühnern, ist schwierig, weil komplex und risikoreich. Auch bei frei unter dem Himmel laufenden Hühnern ist die Hygiene ein Kernproblem. Die bekommen zwar kein Corona, aber dafür viele andere Krankheiten. Das ständige Wechseln der Freilaufflächen ist daher unbedingt nötig. Auch für den Hühnerhabicht muss mal ein Huhn geopfert werden. Doch der Fuchs ist ein echtes Problem, denn der tötet viel mehr, als er fressen kann.

Natürlich kommt die Frage nach dem „Kükenschreddern“. Schließlich werden die männlichen Küken alle getötet – ein höchst unmoralisches Menschenverhalten, das ein Schlaglicht auf die sog. „Moderne Landwirtschaft“ wirft. Das Tier hat nur dann einen Wert, wenn es einen Marktwert hat. Wenn nicht – ab in den Schredder. Das Lebendige hat keinen Wert. Doch das Problem haben unsere Dibbesdorfer Bio-Bauern unserer Kultur gemäß gelöst: Ab 2020 werden die „Bruderhähne“ nicht mehr getötet sondern am Leben erhalten, aufgezogen und verkauft.

Freilandhaltung, Grünfutter, Biokörner (Getreide, Erbsen, Sonnenblumen) direkt vom Hof, Schatten- und Sonnenplätze und ausreichend Platz, geben den Tieren alles was sie für ein gutes Leben brauchen. Wir Konsumenten bekommen dafür mehr als Eier und Suppenhühner. Wir bekommen herausragend gute Produkte, eine kulturelle Vielfalt in unserer Stadt, Schutz unseres Klimas und der Biodiversität. Und wir unterstützen die maßgeblichen Kulturträger: die Landwirte Luisa und Jannis. Was die uns geben ist eine zukunftsorientierte kulturelle Leistung, die nicht überschätzt werden kann.

Der Hofladen mit vielen Leckereien auch aus anderen Bioläden Foto: Astrid Oberthür

Damit man immer diese besonderen Kult-Eier im Hause hat, kann man sie im Hofladen vor Ort kaufen; in den Braunschweiger Bioläden und auf den Wochenmärkten am Stand vom Lindenhof aus Eilum. Und wenn alle Termine besetzt sind oder plötzlich ein Eierkuchen gebacken werden soll, dann gibt es den Clou – den Eierautomaten. Er befindet sich direkt an der Bundesstraße an der Einmündung in den Ort Dibbesdorf.

Kunden am Eierautomaten, der rasch populär wurde. Foto: Astrid Oberthür

Zu einer enkeltauglichen Kultur gehört natürlich auch, dass man Vermehrung, Aufzucht, Eierproduktion, Schlachtung und Verkauf zusammen denkt. Also wer Eier kauft sollte auch das geschlachtete Suppenhuhn kaufen und kein Brathähnchen mit Gensoja gefüttert, das von abgebrannten Urwäldern kommt und unser Klima zerstört. Eier und Huhn gehören nun mal zusammen. Und beides gibt es auch auf dem Klostergut Dibbesdorf. Slow Food weiß das alles natürlich. Aber nicht nur das, Slow Food handelt auch als Kulturträger und Klima- Biodiversitätschützerin unserer Stadt.

Die friedliche Rinderherde. Die haben`s gut! Foto Regina Oestmann

Die Landwirtschaft stellt nun mal keine tote Materie wie Autos oder Handys her sondern Lebendiges. Das Lebendige ist was Besonderes, weil wir Leben nicht geben können. Darum müssen wir achtsam mit dem Lebendigen sein wie Luisa und Jannis, die Klimaschützer und wichtigen Kulturschaffenden in unserer Stadt.

Respekt vor dem Tier

Die Hühner „verabschieden“ die BesucherInnen von Slow Food. Foto: Astrid Oberthür

Das zweite Standbein des Biolandbetriebes „Klostergut Dibbesdorf“ ist die Bullenmast. Wenn sich die Jungbullen und die zwei Zuchtbullen nicht gerade auf der Weide oder im Wäldchen verkrümeln, kann man sie auch von der Hauptstraße aus sehen, nämlich am Futterstand, wo sie ihr hofeigenes Futter bekommen.

Die hellbraunen Tiere bestehen aus einer genetischen Mischung von zwei unterschiedlichen Rassen. Deutlich ist das schottische Highland-Rind zu erkennen, das genetisch die Robustheit bringt und das eingekreuzte Limousin-Rind gibt den optimalen Fleischansatz. Alte Kulturrassen ergeben ein wertvolles Kulturrind für den Menschen. Das passt zum Kultur-Biohof in Dibbesdorf und dem nachhaltig philosophischen Ansatz einer gelebten Agrarethik.

Astrid Oberthür von Slow Food krault einen mächtigen Zuchtbullen, der mit den Mastbullen zusammen gehalten wird. Der Bulle hat keine Hörner. Es wird angestrebt genetisch hornlose Rinder zu züchten, weil die Verletzungsgefahr geringer wird. Das gilt besonders für die Mutterkühe, die nach dem Abkalben den Menschen nicht an ihr Kalb heranlassen. Foto Regina Oestmann

Die ganzjährige Weidehaltung mit viel Bewegung, frisches Gras, Heu oder Grassilage als Futter sorgen für eine herausragende Fleischqualität.

Im Alter von 2 Jahren werden die Rinder in der Nähe geschlachtet und das Fleisch verkauft entsprechend Vorbestellung. Die Schlachttermine werden also bekannt gegeben.

Mutterkühe für den Naturschutz

Die schottischen Highländer Mutterkühe und Kälber im Naturschutz- und Niederungsgebiet zwischen Riddagshausen und Weddel. Screenshot HP

Wer kennt sie nicht die Kühe und Kälber auf der Mutterkuhwiese in der Grabenniederung zwischen Riddagshausen und Weddel? Sogar Aussichtshügel mit Bänken hat man seinerzeit gebaut, um die Rinder, Tümpel und wassergebundene Wildtiere zu beobachten. Die Kälber werden bei ihren Müttern belassen und haben damit keinen Anlass nächtelang nach ihren Müttern zu rufen, weil sie zu früh getrennt werden. Dafür verzichtet der Bauer oder die Bäuerin auf die Milch.

Diese Kühe leben ganzjährig in der Grabenniederung auf den Wiesen, aber auch im Wald. Der ist wichtig, weil Rinder Waldtiere sind und intensive Sonneneinstrahlung oder Hitze nicht gut vertragen. Und die Natur profitiert auch, denn die Rinder tragen zum Erhalt des Naturschutzgebietes bei, weil sie den Bewuchs niedrig halten und für eine offene Landschaft sorgen. Alles ist also bereitet, damit sich die Kühe mit ihren Kälbern so richtig wohl fühlen können und nachhaltig für hohe Biodiversität gesorgt ist.

Ackerbau für Biodiversität und Tierfutter

Mit 60 ha gepachtetem Ackerland auf nicht den besten Böden kann man heute nicht leben. Das Land wird aber dringend gebraucht, denn kein ordentlicher Biolandhof ohne Tiere und Futteranbau. Schließlich muss das Futter auch Bio sein. Es wird in Kreisläufen gedacht und gehandelt.

Es wird Getreide (Roggen, Dinkel, Weizen und Hafer) angebaut. Sonnenblumen findet man im Blühstreifen und Erbsen als Zwischenfrucht (im Gemenge z.B. mit Gräsern). Kleegras wird zur Düngung und als Futter genutzt und ist in die Fruchtfolge eingegliedert. Leben können aber auch Pflanzen nicht, wenn sie nicht gedüngt werden. Kein Lebewesen kann leben ohne „Futter“. Doch die Düngertüte vom Chemiewerk bleibt zu. Das trägt zur Biodiversität und zum Klimaschutz bei. Die wichtige Stickstoff-Düngung erfolgt mit Leguminosen, Kleegras und Mist.

Ackerwildkräuter Naturschutz auf landwirtschaftlichen Flächen

Ein wichtiges „Produkt“ des Klostergutes ist der Schutz verschiedener Ackerwildkräuter. „Gefördert wird die Extensivierung von Anbauverfahren auf Ackerland zum Erhalt von vor allem nach der Roten Liste Niedersachsen und Bremen landesweit vom Aussterben bedrohter und stark gefährdeter Pflanzenarten und -gesellschaften“. Das alles trägt zum Erhalt der Biodiversität bei. Und weil der Biodiversität, also der „Artenvielfalt“, immer noch zu wenig Beachtung geschenkt wird, hier einige Ausführungen:

Ackerwildkräuter wachsen als Begleitflora in unserer Kulturlandschaft auf Äckern oder an Ackerrändern. Sie benötigen die Bearbeitung des Bodens mit dem Pflug, denn in Wiesen und Brachen würden die meisten von ihnen von konkurrenzstärkeren, oft mehrjährigen Pflanzen verdrängt.

Der Schutz von Ackerwildkräutern ist notwendig, weil die Artenvielfalt unserer Äcker erheblich zurückgegangen ist. Durch den intensiven Einsatz von Unkrautvernichtungsmitteln und sog. „Kunstdüngern“, durch schnelle Kulturfolge und dichte Einsaat haben viele Arten keine Überlebenschance. Ein Drittel unserer etwa 300 Ackerwildkraut-Arten steht mittlerweile auf der niedersächsischen Roten Liste der gefährdeten Pflanzen.

Wegen des Rückgangs von etwa 90 Prozent der Ackerbegleitflora seit der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts sind auch die von ihnen lebenden Insekten, Vögel und Säugetiere in ihrem Bestand stark gefährdet oder verschwunden. Nach Schätzungen von Zoologen sind von den ca. 1200 Tierarten der Äcker etwa 90 Prozent verschwunden oder stark dezimiert.

„Gefördert wird die Extensivierung von Anbauverfahren auf Ackerland zum Erhalt von vor allem nach der Roten Liste Niedersachsen und Bremen landesweit vom Aussterben bedrohter und stark gefährdeter Pflanzenarten und -gesellschaften“, so Luisa Garbe, die Jungbäuerin.

Fazit

Die Kulturreise von Slow Food zum Klostergut nach Dibbesdorf, war eine Reise in eine Zukunft der Nachhaltigkeit, der Achtsamkeit, des Klimaschutzes und der Biodiversität. In einem falschen, auf Ausbeutung von Mensch und Natur orientierten System, den richtigen Weg zu gehen, ist eine kulturelle Herausforderung an unsere Gesellschaft, Diese zwei Jungbauern, Luisa Garbe und Jannis Wehmann, gehen diesen Weg.

Unterstützen wir deren mutige Entscheidung, denn deren kulturelle Leistung zur Überlebenssicherheit dient uns allen – auch unseren Enkeln.

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