Kampf gegen Corona: das (schwierige) Gesellenstück, Kampf gegen den Klimawandel: das Meisterstück

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Ein Drittel der klimachädlichen Emissionen verursacht die Landwirtschaft. Daran wird sich so schnell auch nichts ändern, weil der Wille dazu fehlt. Foto: Pixabay

Die meisten von uns sind schon mit Corona vollauf bedient, verständlicherweise. Sie nehmen große Einschränkungen hin und würden gern wissen, wann „das endlich aufhört“. In dieser Lage soll man sich auch noch mit dem Klimawandel beschäftigen? Versinkt man da nicht endgültig in der Depression? Nein, denn man kann die momentanen Erfahrungen gut nutzen, um sich auf das große Zukunftsthema einzustellen.

Corona zeigt: Verdrängen der Gefahr ist menschlich, bringt aber nichts

Es war nicht gut, dass Politik und viele Medien in den Monaten Januar bis (Anfang) März ständig davon sprachen, wir seien gut vorbereitet auf das Virus. Sie wiegten sich und uns in trügerischer Sicherheit und verhinderten so, dass rechtzeitig gehandelt wurde. Fehlende Schutzmasken sind nur ein kleiner Beleg dafür. Merke also: das Wegschieben einer drohenden Gefahr verhindert rechtzeitige Vorbereitung und der Zeitverlust potenziert den entstehenden Schaden. Das sehen wir in der Corona – Krise, aber beim Klimawandel ist es nicht anders.

Wir sollten auch so ehrlich sein, uns einzugestehen, dass die meisten Bürger beim Verdrängen der Corona – Gefahr doch bereitwillig mitgemacht haben („Womit soll ich mich denn noch befassen?“), was natürlich die Fehler der Politik nicht rechtfertigt. Denn die soll ja gerade vorausschauend „Schaden vom deutschen Volke abwenden“.

Corona zeigt: Wir haben die Instrumente, um es erfolgreich zu bekämpfen

In der großen Pestpandemie im Mittelalter, die in Europa etwa ein Drittel der Bevölkerung dahinraffte, waren die Menschen der Pest vollkommen hilflos ausgesetzt. Sie konnten nicht wissen, dass das Pest – Bakterium von Flöhen übertragen wurde, die dann im Fell von Ratten in die Welt hinausgetragen wurden. Also kamen die Menschen zu den absonderlichsten Verhaltensweisen: so schlugen sie etwa ihre jüdischen Mitbürger tot, weil die angeblich die Brunnen vergiftet hätten, oder sie organisierten Geißlerzüge durchs ganze Land, weil sie glaubten, die Pest sei eine Strafe Gottes, und wenn man sich selbst auspeitschte, könne man Gottes Gnade erlangen.

Ganz anders heute. Die Menschheit hat mithilfe der weit entwickelten Wissenschaft schnell das Virus und sein Genom erkannt, ebenso seine besondere Gefahr wie die Tatsache, dass es bisher keine Immunität dagegen gibt. Sie konnte dieses Wissen in kürzester Zeit in der ganzen Welt verbreiten, so dass die Politik die Chance bekam, rechtzeitige Schutzmaßnahmen einzuleiten. Die fieberhafte Arbeit an Impfstoffen und Medikamenten konnte beginnen. (Die „wissenschaftsfeindlichen Tölpel“ (John Schellnhuber) unter den Politikern wie etwa der amerikanische Präsident vertaten die Chance und ihre Völker müssen nun dafür leiden.) Die Mehrheit der Bevölkerung ist immerhin für die Argumente der Wissenschaft und der Politik (bei uns seit Mitte März) so gut erreichbar, dass sie bereit ist, persönliche Einschränkungen umzusetzen.

Was also im Mittelalter Schicksal war, dem die Menschheit ohnmächtig ausgesetzt war, ist heute eine Herausforderung, die bewältigt werden kann, jedenfalls auf Dauer.

Die Corona – Krise ist ein starker Wind, der ungebremste Klimawandels ein Orkan!

Die Corona – Krise mit ihren menschlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen ist schlimm genug, keine Frage. Für alle Betroffenen. In den ärmeren Ländern schlimmer als in den reicheren, in den Ländern mit schlecht ausgestattetem Gesundheitswesen schlimmer als in denen mit besser entwickeltem System; in den Ländern, in denen die Politik die Gefahr dauerhaft herunterspielt, schlimmer als in denen, wo die Politik dies nicht tat bzw. wo sie umgesteuert hat, wie zum Beispiel in Deutschland.

Der Klimawandel aber wird die Corona – Krise in den Schatten stellen. Das wird aber nicht schlagartig der Fall sein, sondern sich langsam aufbauen. Auch ist nicht absehbar, wann welche Veränderung eintreten wird. Aber dass viele Veränderungen unausweichlich wären, wenn die Menschheit es nicht schafft um zusteuern, das ist sonnenklar. Der Meeresspiegel würde ansteigen, ganze Landstriche würden unbewohnbar werden, riesige Fluchtbewegungen ausgelöst, die Nahrungsmittelproduktion würde leiden (besonders bei Reis, aber auch in anderen Bereichen), extreme Wetterereignisse würden weiter zunehmen, mit erheblichen Folgen für sehr viele Menschen. John Schellnhuber, Gründer des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, spricht davon, dass unsere Zivilisation „mit stark überhöhter Geschwindigkeit auf eine Heißzeit zuschleudert, wo die Existenzgrundlage von Milliarden Menschen zusammenbrechen dürfte“. Wie gesagt, wenn dem nicht durch eine konsequente Politik des Klimaschutzes begegnet wird. Der Faktor Zeit ist dabei von entscheidender Bedeutung: dieselben Maßnahmen, 10 Jahre später umgesetzt, haben einen viel geringeren Effekt, als ihre Einführung in ein, zwei Jahren hätte.

Corona lässt sich auf Dauer beherrschen, der ungebremste Klimawandel aber nicht

Sollte es gelingen, einen wirkungsvollen Impfstoff gegen das Corona – Virus zu entwickeln, wäre die Krankheit Covid-19 besiegbar. Sollte es gelingen, Medikamente zu entwickeln, die die schlimmsten Folgen der Krankheit abmildern, wäre auch schon Einiges erreicht, vielleicht ähnlich wie bei der Aids – Krankheit, gegen die es bekanntlich keinen Impfstoff gibt. In jedem Fall wird die hoffentlich vermeidbare sogenannte Herdenimmunisierung, die vermutlich viele Jahre erforderte, das Wüten dieser Krankheit auf ein geringeres Maß zurückführen.

All das aber wäre bei ungebremstem Klimawandel nicht der Fall. Ab einem gewissen Punkt gäbe es ziemlich sicher kein Zurück mehr. Es würde große Teile der Menschheit betreffen, viele davon existentiell. Wer all die Wirren und Konflikte der Corona-Krise erlebt, braucht nicht mehr viel Phantasie, um sich auszumalen, was das für das Zusammenleben der Völker bedeutete.

Klimawandel: Politik erkennt das Problem an, aber handelt nicht konsequent

Sieht man einmal von den Klimaleugnern und den ihnen folgenden Politikern wie dem amerikanischen Präsidenten ab, so ist im Großen und Ganzen die Gefahr in den Blick genommen worden, in Europa allemal. Das bedeutet aber noch nicht, dass auch das Notwendige in der notwendigen Geschwindigkeit getan wird. Auch in Teilen der Bevölkerung gibt es ein gewisses Wegschieben. Vielleicht geht es ja noch 30 Jahre gut, denkt so mancher, man weiß ja nicht so genau, wie schnell alles geht und wo es besonders schlimm sein wird, und vielleicht habe ich Glück. Das gewohnte Leben einschließlich des lieb gewonnenen Konsums haben schon starke Bindekräfte. Aber schon, wenn man an die Kinder denkt, die eigenen oder andere, ist das nicht mehr so leicht möglich, erst recht nicht, wenn man sich die Zukunft der Enkel vorzustellen versucht.

Es ist sicher kein Zufall, dass die Bewegung „Fridays for Future“ in der jungen Generation ihren Ausgang nahm. Denn der Klimawandel fühlt sich anders an, wenn man noch 50 – 70 Jahre vor sich hat, als wenn es sich „nur“ um 20 – 30 Jahre handelt. Und: diese Generation ist noch viel offener, was die eigene Lebensgestaltung angeht, und dadurch vermutlich auch zu größeren Veränderungen bereit. Natürlich müssen letztlich alle Generationen zusammen die Sache angehen, die Jüngeren könnten aber die treibende Kraft sein und hoffentlich bleiben.

Das Meisterstück: der erfolgreiche Kampf um den Klimaschutz ist eine Riesenherausforderung

Die Gefahren des Klimawandels werden uns durch die große Mehrheit der Wissenschaftler immer konkreter und drastischer aufgezeigt. Auch in dieser Frage hat die Wissenschaft große Fortschritte gemacht. Wir wissen, wo wir ansetzen müssen. Wir wissen, dass wir bei allen Maßnahmen auf soziale Verwerfungen achten müssen. Wir wissen, dass die reicheren Länder einen größeren Teil der Lasten der Klimaschutzpolitik übernehmen müssen. Man hat uns vorgerechnet, wie viel Kosten entstehen, wenn wir jetzt aktiv werden, und wie viel höhere, wenn wir es weiter vor uns herschieben. Wir rechnen damit, dass wir gewisse Abstriche bei unserem Lebensstandard hinnehmen müssen, wissen aber im Grund, dass unser Leben dadurch nicht unbedingt weniger schön werden muss. Und wir merken in der derzeitigen Corona – Krise, dass unsere Gesellschaft durchaus in der Lage ist, Einsicht in die Notwendigkeit zu entwickeln – vielleicht mehr, als uns das bisher bewusst war.

Der erfolgreiche Kampf um den Klimaschutz ist eine Herkules – Aufgabe. Ob sie erfüllt wird? Eine Garantie gibt es nicht. Aber das sichere Wissen, dass ein Misserfolg das Leben auf der gesamten Erde und damit letztlich für alle mindestens schwer beeinträchtigen würde. Es lohnt sich also in jedem Fall, daran mitzuarbeiten, dass es das Meisterstück der Menschheit wird. Und sich darauf zu verlassen, dass die Politik schon das Nötige tun wird, ist keine Option. Das zeigt schon die Geschichte des Spruchs „Wir sind bestens darauf vorbereitet“ im Angesicht der Corona – Krise.

Dem Text liegt der Aufsatz von John Schellnhuber zugrunde: „Die Seuche im Anthropozän“ (FAZ, 16. April 2020). Darin finden sich auch die zwei im Text verwendeten Zitate.

2 Kommentare

  1. Aber Klaus, geht´s nicht ein bischen kleiner ?

    Wo wird im Beitrag von Andreas Matthies etwas vermischt?

    Die gemeinsame Botschaft beider Krisen ist doch, das bewusstes Handeln möglich ist, wenn es um grundlegende Überlebensfragen geht.

    Beim Virus ist das ganz offensichtlich weltweit verstanden worden, (noch) nicht so bei der anderen, mindestens ebenso wichtigen – aber für viele Menschen wohl noch zu entfernte – Klimakrise. Das ist der Unterschied.

    Aber die Aufgabe bleibt uns, auch wenn in hoffentlichen einigen Monaten dieser Virus gezähmt ist.

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