Henry Kissinger: „Die Dämonisierung Putins ist keine Politik“

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Von Redaktion Makroskop

Kurz vor der Annexion der Krim 2014 warnte Henry Kissinger den Westen und Russland davor, die Ukraine als geostrategischen Vorposten zu sehen. Die Eskalation des Konflikts sah er kommen.

Wenige Tage vor der Annexion der Krim im März 2014 erschien in der Washington Post ein bemerkenswerter Artikel Henry Kissingers. Der Text ist deshalb bemerkenswert, da Kissinger in seiner Ägide als US-Außenminister (1973-1977) für die Unterstützung von Militärputschen, Menschenrechtsverletzungen und Diktaturen durch die USA nicht nur in Lateinamerika verantwortlich war, sondern auch für die völkerrechtswidrige Invasion Osttimors durch Indonesien 1975. Auch die vor der Öffentlichkeit verborgen gehaltene Bombardierung des neutralen Kambodschas in der Endphase des Vietnamkriegs steht unter seiner Verantwortung. Trotzdem erhielt der stets eigenwillige Realpolitiker Kissinger 1973 für ein Waffenstillstands- und Abzugsabkommen mit Nordvietnam den Friedensnobelpreis.

Vor diesem Hintergrund erstaunt der Text Kissingers. Denn er wirft eine Frage auf, die bei aller notwendigen, harten Kritik der Kriegsaggression Putins gegenüber der Ukraine auch im zum Teil selbstgefälligen Diskus in Deutschland meist ausgeklammert wird: ob neben den USA, die Kissinger anspricht, nicht auch die EU mit der Osterweiterung in der Ukraine eine falsche Politik verfolgte. Nach der Lektüre von Catherine Beltons „Putins Netz“ (Harper Collins, 2022) mag hier offenbleiben, ob die von Kissinger sinnvoller Weise vorgeschlagene Linie erfolgreich gewesen wäre.  

Der Ukraine-Krieg hat jedenfalls sowohl das neoliberale Grundprinzip als auch das praktizierte neoliberale Nebenprinzip erschüttert: Erstens, Handel ist (nicht nur hinsichtlich North Stream 2) unpolitisch. Zweitens, bei auf die (Finanz)Märkte strömendem Geld schaut man nicht auf dessen Herkunft.

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