Hansetage und Handelstage nicht verhanseln

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Ich als Zugereister bin ja mit der sog. „Braunschweiger Kultur“ nicht ganz so vertraut, weiß also nicht, was man in Braunschweig bzw. als BraunschweigerIn unter „Kultur“ so landläufig versteht. Merkwürdig finde ich nur, dass sich, sobald man sich bei den derzeitigen kulturellen „Attraktionen“ etwas in die Materie einarbeitet, herausschält, dass man uns hier irgendwas Zusammengewürfeltes zu präsentieren sucht. Weshalb eigentlich? Sei es nun Brunonia, Handelstag oder Otto IV. Was nicht passt, wird eben passend gemacht!

Braunschweig schweigt auch hier

Genauso merkwürdig ist, dass sich hier die sog. „Kulturbeauftragten“ und profunde Historiker bzw. Heimatpfleger so wenig zu Wort melden. Es scheint, dass diese Events einzig und allein stattfinden bzw. teilweise mit fragwürdigen „Attraktionen“ angefüllt werden, um die Handelsbilanz der Stadt ins rechte Licht zu rücken. Hauptsache, der Laden läuft und diese Sub-„Kultur“ bringt genügend Gewinn. Das sei mir auch recht, dass Braunschweigs Handel läuft, muss es jedoch so frei fantasievoll garniert werden? Gibt es denn nicht genügend echte Historie, die sich neben den Einkaufevents mindestens ebenso fantasievoll präsentieren könnte?

Bürgergeschichte und -nähe wenig gefragt

Dass dabei bürgerliche Geschichte so reduziert dargeboten wird bzw. kaum Erwähnung findet, ist die Folge. Aber das scheint nicht von Bedeutung. Dabei zersetzt dieser einseitige, auf Wirtschaftlichkeit bezogene Historismus unser Bürgerbewusstsein, unser Selbstbewusstsein schlechthin und unsere Identität. Wäre es nicht sinnvoller, die einkaufenden Bürger ebenfalls mit in die Konzepte einzubeziehen – historisch wie marktwirtschaftlich?

Schaffte man damit nicht erheblich mehr Identität plus Freude an dieser Stadt? So wird in der BZ vom 22.09. auch deutlich, dass es einzig und allein um den Handel geht: 270 000 Besucher sorgen für blendende Umsätze beim Handel. Dort weist man darauf hin: „Wegen des guten Wetters und der Neugierde auf die neuen Geschäfte in der Innenstadt kamen mehr Besucher als üblich in die Innenstadt, berichtet Leppa.“ – Kann mir jemand sagen, warum das Einkaufen soviel Anklang findet, denn im Grunde geht es ja nur darum – oder? Warum der Andrang? Doch wohl wegen der „Zutaten“, den Events und weiterer Attraktionen, die man neben dem Einkauf auch noch mitnehmen kann als Konsument. Offenbar wünscht sich der Bürger mehr Abwechslung. Ein durchaus legitimer Anspruch! Dieser wird jedoch mit dem o. g. auf Handelsbilanz fokussierten Zeitungsartikel nicht gerade glücklich bedient, jedenfalls nicht für den Bürger. Ganz zu vergessen scheint man gerade diejenigen unter den Touristen, die da einströmen und sich wirklich für Geschichte interessieren. Spätestens denen wird auffallen, dass das Stadtmarketing nicht groß recherchiert hat und Braunschweig recht merkwürdig dastehen lässt.

Braunschweigs Echtheitprädikat fördern

Nochmals deutlichst: Nichts gegen Handel am Hansetag! – jedoch unter größerer Berücksichtigung historischer Ereignisse, finde ich. Hansetage sind in Braunschweig ja historisch und sogar in interessanter Weise belegt. Da hätte man doch genau den Ablauf eines alten traditionellen Hansetages recherchieren und in das Programm gut einbinden können, statt Marodeure, falsche züchtige Gesches und merkwürdiges Mittelalterspektakel aufzufahren. Ist die Stadt so wenig selbstbewusst, dass sie derartige Merkwürdigkeiten zusammen mauscheln muss, um sich attraktiv fühlen zu können gegenüber den einströmenden Fremden? Im o.g. Zeitungsartikel wird uns allen noch schlussendlich deutlichst klar gemacht, was der wirkliche Anlass dieser Hanse(l)tage war und was wir zu tun und zu denken haben: „Für Leppa steht fest, dass es falsch wäre, von einer Einkaufsstadt Braunschweig mit zwei Polen – Innenstadt und Schloss-Arkaden – zu sprechen: Die jüngsten Neueröffnungen haben die Einkaufsstadt Braunschweig als Ganzes gestärkt. „Der Kunde ist längst bereit, weitere Wege in Kauf zu nehmen, um sich vom kompletten Angebot des Innenstadthandels ein Bild zu machen.““ Man legt es uns in Geist und Mund, dass wir und auch die kleinen Ladeninhaber gefälligst mit dem Angebot recht zufrieden sein sollen und der Konsument zum Einkaufen auch längere Wege gern in Kauf nimmt. Offenbar wurde doch wohl schon Kritik laut, dass die Infrastruktur des Einkaufens in Braunschweig erheblich zu wünschen übrig lasse. Dem möchte Leppa mit seinen „Ausführungen“ wohl entgegen wirken bzw. zuvor kommen und die BZ transportiert auch noch brav diese Ansichten. Warum lässt sich der/die BraunschweigerIn hier so plump abspeisen? Sicher hätte man aus seinen eigenen Reihen auch zu den Hansetagen mehr zu bieten gehabt als Humba-Humba und verpuppte Gesches

… denkt Ulenspiegel

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