„Generalmajor Kovaltchuk (Ukraine) erwog die Überflutung des Flusses“

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Staudamm Symbolbild Foto Pixabay

Die Überschrift ist ein Zitat der Washington Post, 29.12.2022

Wer ist verantwortlich für die Sprengung des Staudamms bei Kakhovka? Eindeutige Aussagen lassen sich erst treffen, wenn Beweise für die Täterschaft vorliegen. Das ist nicht der Fall. Für die meisten unserer Medien ist das kein Grund, nicht Russland als den Schuldigen zu vermelden oder zumindest den Eindruck zu erwecken, dass es die russischen Truppen waren – und all das aus dem Stand, ohne die Vorlaufzeit, die es für eine ordentliche Recherche brauchen würde.

Dem unvoreingenommenen Beobachter erscheint es allerdings schwer nachvollziehbar, warum die russische Seite eine Sprengung vorgenommen haben soll, die die Überflutung vor allem (nämlich zu mindestens zwei Dritteln) der Gebiete bewirkt, in denen die russischen Truppen stehen. Und die die Trinkwasserversorgung der Halbinsel Krim schwer schädigt. Sind die Russen so blöd, dass sie die Verbreitung der Fluten nicht vorhergesehen haben? Oder schrecken sie in ihrem blinden Zerstörungswahn nicht davor zurück, sich selbst massiv zu schaden?

Erfolgreicher Test“: drei Löcher in die Schleusenklappe geschossen

Ein Artikel der Zeitung „Washington Post“ vom 29. Dezember 2022 beweist dagegen, dass die ukrainische Führung vor wenigen Monaten erwogen hat, den Staudamm zu sprengen. Im Herbst gelang dem ukrainischen Militär bei Cherson eine Gegenoffensive, die dazu führte, dass die russischen Truppen sich hinter den Fluss Dnjepr zurückziehen mussten. Reporter der Washington Post recherchierten vor Ort, befragten ukrainische politische und militärische Führer, um in einem umfassenden Bericht die erfolgreiche Gegenoffensive darzustellen. Sie sprachen auch mit dem damaligen Kommandeur der Gegenoffensive, Generalmajor Andrei Kovalchuk. Kovalchuk nahm dabei kein Blatt vor den Mund:

Kovalchuk erwog die Überflutung des Flusses. Die Ukrainer, sagte er, hätten sogar einen Testangriff mit einem HIMARS-Launcher auf eine der Schleusenklappen am Nova Kahovka – Damm ausgeführt und dabei drei Löcher in das Metall geschossen, um zu sehen, ob das Wasser des Dnjepr so weit angehoben werden kann, dass die Russen den Fluss nicht mehr überqueren können, ohne dabei die umliegenden Dörfer zu überfluten. Der Test war ein Erfolg, sagte Kovalchuk, aber der Schritt blieb als letztes Mittel. Er nahm Abstand davon.“ (Da mancher Leser diese entlarvenden Aussagen vielleicht kaum glauben kann,geben wir am Ende des Artikels das Originalzitat in englisch wieder, A. M.)

Die ukrainische Führung hatte also bereits den Gedanken entwickelt, das Gebiet zu fluten, ohne Rücksicht auf die eigene Bevölkerung rechts und links des Flusses, ohne Rücksicht auf die Trinkwasserversorgung der gesamten Region (nicht nur der Krim), ohne Rücksicht auf die Landwirtschaft, die auf eine geregelte Wasserversorgung angewiesen ist. Sie hielt das für

eine gangbare Option. Sie musste nur nicht zu diesem „last resort“ greifen, weil sie ihr Ziel auch so erreichen konnte. Immerhin zerstörte sie die drei Brücken über den Fluss, nicht zuletzt die auf dem Damm verlaufende Straße, so dass die russischen Truppen rechts des Flusses erhebliche Nachschubprobleme bekamen.

Verschwörungstheorie vorbereitet

Aber damit nicht genug. Schon Mitte Oktober bereitete Präsident Selenskiy für den Fall der Sprengung des Damms eine Verschwörungstheorie vor. In Gesprächen mit europäischen Politikern und auch öffentlich behauptete er, Informationen zu haben, dass die Russen den Damm und Aggregate des Wasserkraftwerks vermint hätten, um den Damm in die Luft zu jagen. Das bedeutet, zu einem Zeitpunkt, als die ukrainische Führung die Sprengung des Damms ins Auge gefasst hatte, bereitete Selenskiy eine Propaganda-Aktion vor, die die erwogene eigene Tat als Untat der „russischen Barbaren“ brandmarken sollte.

Natürlich ist damit nicht bewiesen, dass die jetzt erfolgte Sprengung tatsächlich das Werk der ukrainischen Führung war. Aber es zeigt, dass es keinen Grund gibt, Darstellungen dieser ukrainischen Führung unbesehen zu übernehmen. Und es zeigt, dass diese Führung weder vor halsbrecherischen Aktionen auf Kosten der eigenen Bevölkerung zurückschreckt noch vor einer dreisten Politik der Täuschung.

Russische Truppen beschießen sich selber?

Unwillkürlich denkt man an die Behauptung der ukrainischen Führer, dass das ukrainische Atomkraftwerk bei Saporishije, das russische Truppen seit mehr als einem Jahr unter Kontrolle haben, von eben diesen Truppen beschossen werde – und nicht von ukrainischem Militär. Die westlichen Medien, die diese Täuschung decken und allenfalls sagen, man könne nicht wissen, wer das Atomkraftwerk beschieße, machen sich zum Handlanger einer Politik, die im schlimmsten Fall für eine radioaktive Wolke in Richtung Westen verantwortlich wäre, die dann nicht nur die eigene ukrainische Bevölkerung, sondern auch uns bedrohen könnte. Unsere Regierung (und andere) müsste der ukrainischen Regierung hier klar die Grenzen aufzeigen, unsere Medien müssten entsprechenden Druck aufbauen. Von beidem kann nicht die Rede sein. Weil es vermeintlich um den Kampf zwischen gut und böse geht und man schließlich auf der richtigen Seite stehen will. Ohne Rücksicht auf Verluste!

Originaltext aus der Washington Post vom 29.12.2022:

Kovalchuk considered flooding the river. The Ukrainians, he said, even conducted a test Strike with a HIMARS launcher on one of the floodgates at the Nova Kakhova dam, making three holes in the metal to see if the Dnieper´s water could be raised enough to stymie Russian crossings but not flood nearby villages. The test was a success, Kovalchuk said, but the step remained a last resort. He held off.”

1 Kommentar

  1. „Den Russen kann man alles zutrauen!“

    In der Braunschweiger Zeitung vom heutigen Tag (10.6.) wird weiteres Anschauungsmaterial geliefert.

    Zitat: „Auf die Frage, ob Russland nach der Damm-Sprengung auch eine Beschädigung des Atomkraftwerks Sapoischschja erwägen könnte, antwortete Makeiev (der ukrainische Botschafter in Deutschland, A. M.):´Es ist alles möglich. Den Russenkann man grundsätzlich alles zutrauen. Russland ist ein Terrorstaat und sehr unberechenbar. Ich konnte mir bis vor Kurzem nicht vorstellen, dass es zur Sprengung des Staudamms kommt.´“

    Die Fragestellung geht wie selbstverständlich davon aus, dass die Sprengung des Staudamms durch russische Truppen verübt wurde. Und der ukrainische Botschafter sorgt schon vor: falls es wegen des (ukrainischen) Beschusses des Atomkraftwerks (oder des Kühlwasserbeckens) zur Katastrophe kommt, steht der Schuldige schon jetzt fest: Die Russen waren es!

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