Thomas Müntzer in Braunschweig und eine Ausstellung zum Bauernkrieg

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Thomas Müntzer. Bild: pixabay

Wer war dieser Mann? Was hat er mit Braunschweig zu tun?

Müntzer war ein Theologe, der sich Anfang des 16. Jahrhunderts der reformatorischen Bewegung anschloss, dabei aber als Gegner Luthers sehr eigene Wege einschlug. Seine Grundeinstellung ging davon aus, dass die weltlichen Lebensbezüge vom Evangelium durchdrungen sein müssen. Die Einsicht führte ihn zu einem visionären Gesellschaftsbild, das von Gerechtigkeit, Freiheit und Brüderlichkeit geprägt war. Das stand aber im Kontrast zur damaligen Ständegesellschaft, und die Konsequenz waren Konflikte zwischen ihm, seiner Gemeinde und den zuständigen Landes- und Lehnsherren. Er ging den Konflikten nicht aus dem Weg.

Müntzer stammt aus Stolberg im Harz. Geboren ist er wahrscheinlich 1488 oder 1489. Bekannt sind die Orte seines Theologiestudiums: Leipzig und Frankfurt / Oder. Seine Abschlüsse waren „Magister artium“ und „Baccalaureus theologiae“. Er wurde 1514 zum Priester des Bistums Halberstadt geweiht und im gleichen Jahr, bestätigt durch den Rat der Altstadt Braunschweig, am 6.5. in St. Michaelis als Priester angestellt. Drei Jahre hatte er diese Stelle inne, ergänzte sie jedoch, um seinen Lebensunterhalt zu sichern, in den Jahren 1515 bis 1516 mit einem priesterlichen Dienst in Frose bei Aschersleben. Historiker gehen davon aus, dass der Grundstock zu seiner inneren Einstellung in der Braunschweiger Zeit gelegt wurde (Goertz, Thomas Muentzer, München 2015). Es bestanden Gesprächsgruppen, in denen theologische und auch sozialkritische Themen verhandelt wurden und an denen sich neben Müntzer auch der Rektor der Martinsschule (heute MK) beteiligte.  Es gibt Indizien, aber nur wenige Dokumente über das Wirken von Müntzer in Braunschweig.

Nach dieser ersten beruflichen Episode schließen sich weitere meist kurze Aufenthaltsorte in Sachsen, Thüringen und Prag an, Orte, in denen er eine Anstellung erhielt oder als Gastprediger wirkte. Der charismatische Redner hatte immer sehr viele Zuhörer; im Zentrum seiner Ansprachen standen die einfachen Leute. Seine polarisierende Art mit der Front gegen die konservative Geistlichkeit führte meist zu einem Abbruch seiner Anstellungen. Seine letzten Wirkorte waren Allstedt und Mühlhausen in Thüringen.

Müntzers Theologie hatte eine Basis der Innerlichkeit: der Geist Gottes wandelt den inneren Menschen. Aber er führt gleichzeitig zu praktischen Konsequenzen. Es ging Müntzer um den Sturz geistlicher und weltlicher Obrigkeiten. Er wollte „Platz schaffen für die Ankunft des göttlichen Reiches auf Erden“ (Goertz). 

In den Jahren 1524 und 1525 bildeten sich in Süd-, Mitteldeutschland und angrenzenden Gebieten Bauernhaufen, um von Adligen und Klöstern ein Ende der ausbeuterischen Unterdrückung einzufordern. Zahlreiche Klöster und Adelssitze wurden geplündert. In Mühlhausen versammelten sich 300 Bürger und zogen mit Thomas Müntzer nach Frankenhausen, wo sie sich mit zahlreichen Bauernhaufen verbanden. Am 15.5. 1525 kam es zur Schlacht, d.h. zu einem Gemetzel durch die Truppen von Herzog Georg von Sachsen, Graf Phillip v. Hessen und Herzog Heinrich II v. Braunschweig. Etwa 7300 Bauern waren tot, auf Seite der Fürsten waren 6 Tote zu beklagen. Müntzer wurde gefangen genommen, gefoltert und am 27.5.2025 enthauptet. So spielte Braunschweig noch am Lebensende von Müntzer eine unrühmliche Rolle.

Bild: wikipedia; Bauernführer Jäcklein Rohrbach in Neckargartach wird 1525 bei lebendigem Leib verbrannt. Auch Thomas Müntzer wurde gefoltert und geköpft, seinen Körper ließen die Fürsten zur Abschreckung vor den Toren der Stadt Mühlhausen aufspießen

Die Ausstellung

Aus Anlass des 500. Todesjahres von Thomas Müntzer wurde unter dem Titel „Widerstand und Freiheit – wo alles begann!“ in der Michaeliskirche eine Ausstellung zum Bauernkrieg aufgebaut. 31 bildbegleitete Texte an den Kirchenwänden erläutern den Bauernkrieg 1524 – 1526, dabei finden sich 24 Kurzbiografien prägender Personen, dazu einführende Tafeln und einige mit wesentlichen Ereignissen. Neben den Bauernführern werden beteiligte Landesherrscher, einige Frauen und Theologen präsentiert. Die Ausstellung wurde im Vorfeld zur Thüringer Landesausstellung „freyheit 1525 – 500 Jahre Bauernkrieg“ zusammengestellt und gibt einen guten Überblick über alle Regionen des Aufstandes im deutschsprachigen Raum. Über eine Million Menschen waren an den Aufständen beteiligt. – Leider wurde diese Thüringer Ausstellung zum Bauernkrieg nicht durch eine kurze Präsentation der wenigen  Daten zu Thomas Müntzers Leben und Wirken in seiner Braunschweiger Zeit ergänzt. 

Müntzer – Bedeutung für heute? 

Die Basis aller Ideen von Müntzer ist ein inniger, geisterfüllter Glaube. Seine Vorstellungen zum Reich Gottes auf Erden lassen sich deswegen nicht 1:1 auf unsere säkularisierte Gesellschaft übertragen. Aber bei Müntzer finden sich Grundideen der französischen Revolution, die unsere jetzige Zeit prägen. Freiheit von der Unterdrückung durch die landesherrlichen Obrigkeit war die weltliche Konsequenz seines Programms, auch die Hoheit der Rechtsprechung durch das Volk und die Enteignung der Machthaber zugunsten eines genossenschaftlichen Eigentums. Seine Wertschätzung des Individuums führte ihn zur Feststellung eines Widerstandsrechts gegen die Obrigkeit, sofern sie ihren Pflichten nicht nachkommt; Goertz formuliert bei seiner Interpretation von Müntzers Schriften sogar eine Widerstandspflicht. – Parallelen zur heutigen Theologie lassen sich in der aus Lateinamerika stammenden „Theologie der Befreiung“ finden mit ihrer Hinwendung zu den Armen, ebenso in der Soziallehre von Papst Franziskus („Die Erde gehört der ganzen Menschheit“).

Müntzers Ideen waren seiner Zeit bei weitem voraus. Ihm gebührt großer Respekt.

Die Ausstellung ist noch bis zum 17.8. täglich von 10 – 18.00 zu sehen.

Michaeliskirche, von der Güldenstraße aus gesehen; der Eingang ist auf der Seite der Echternstraße. Foto: Andreas Matthies

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