Fliegen ab Braunschweig mit „Schmidt“ – Klimakatastrophe made in Braunschweig

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Hauptgebäude Flughafen Braunschweig-Wolfsburg. Foto von TeWeBs auf Wikipedia

Von Edgar Vögel

Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein …?

Wer nach der VW-Flugaffäre meinte, schlimmer geht es nimmer, muss jetzt feststellen: Schlimmer geht immer. Und wieder mittendrin: der Flughafen Braunschweig. Von Braunschweig aus fliegen nicht nur VW und Porsche, sondern auch „der Schmidt – Urlaub mit Herz“. In der Vor- und Nachsaison werden diverse Destinationen am Mittelmeer angeboten (neuerdings auch im Winter in Skandinavien). „Mit Menschen aus der Region ab einem überschaubaren Flughafen in den Urlaub starten und innerhalb kürzester Zeit im Traumziel ankommen. Statt Masse, persönliche Betreuung und Freiraum. Besser kann Urlaub nicht sein!“ – so verheißt es die Eigenwerbung.

Jetzt hat sich „der Schmidt“ einen ganz besonderen Clou ausgedacht. Zur Taufe einer Boeing 737-8 des Flugpartners TUI auf den Namen „Neapel“ geht es mit dieser Maschine von Braunschweig nach Neapel und wieder zurück. Dafür kommt sie leer aus Hannover und fliegt abends auch wieder leer zurück – so viel Service muss sein. Abflug in Braunschweig 8:00, zurück um 20:50 – an einem einzigen Tag. So geht also Reformationstag 2023? Dieses besondere Vergnügen ist für schlappe 499 € obendrein ein wahres Schnäppchen und „ein ganz besonderes Erlebnis“, wie Schmidt verspricht:

Dabei verbraucht eine B737 vollbeladen rund 3.100 Liter Kerosin pro Flugstunde, das neueste Modelle 757-8 nur 14% weniger. Da nur Handgepäck zugelassen ist, gehen wir von ca. 2000 Litern aus. Bei einer Flugzeit von insgesamt 4:30 Stunden summiert sich der Verbrauch also auf 9 -10 Tsd. Liter (konservativ geschätzt). Standardwert für Kerosin: Aus 1 kg Kerosin (1,25 Liter) entstehen 3,15 kg CO2; 10.000 l Kerosin verursachen also ca. 28.000 Kg CO2 beim Verbrennen. Auch interessant: 1 l Kerosin sind aktuell für ca. 90 Cent zu haben – nein, nicht für Benziner.

Der Reisekonzern TUI fördert offenbar auch gern umweltzerstörende Spritztouren seiner Ferienflieger – wie lange können bzw. wollen wir uns ein solches Verhalten noch leisten?

Ein Reiseunternehmen aus der Region und ein Touristik-Weltkonzern haben anscheinend von „Klimakatastrophe“ noch nie etwas gehört oder erwecken jedenfalls hier diesen Eindruck. Für „exklusiv, ein ganz besonderes Erlebnis“ steuern sie selbst aus lauter Jux und Tollerei mal eben an einem Tag 28 Tonnen Treibhausgas zu dieser Katastrophe bei. 200 Menschen aus Braunschweig machen begeistert mit und finanzieren damit die Klimakatastrophe auch noch ein Stück weit selbst. Wenn ein Mensch in Braunschweig sonst bei 8,0t ein Jahr für seinen CO2-Fußabdruck braucht (weltweit fünf) – dann schaffen dies die Menschen mit ihrem voll besetzten Flugzeug an einem einzigen Tag gleich dreieinhalb Mal. Und alles natürlich obendrauf.

Mit im Boot ist direkt und indirekt auch die Stadt Braunschweig: über ihren Flughafenanteil, immerhin 42,6%, steuert sie durch Subventionierung (an der Stelle sicherlich ungewollt) einen vierstelligen Eurobetrag zum Gelingen bei. Braunschweig als regionales Klimavorbild, wie die Stadtoberen gern betonen und ins kommunale „integrierte Klimaschutzkonzept 2.0“ schreiben? „Mit dem Beschluss einer Treibhausgasneutralität möglichst schon bis 2030, zählt Braunschweig europaweit zu den ambitioniertesten Kommunen vergleichbarer Größe. Um dieser Vorreiterrolle zu entsprechen, hat sich die Stadt für eine Teilnahme an der EU-Mission … beworben“ (Konzept 2.0, S. 29). Und wenige Zeilen später lesen wir die Überschrift: „Gekehrt wird vor der eigenen Haustür“. Man darf gespannt sein, ob und wie die Stadt ihren großen Einfluss geltend macht, um hehren Worten auch Taten gegen klimaschädliche Flugsausen folgen zu lassen. Denn es gilt, unabhängig vom Reformationstag: „An ihren Taten sollt ihr sie erkennen!“ (1. Johannes 2,1-6).

Apropos „Forschungsflughafen“: an diesem Beispiel kann „erforscht“ werden, wieviel Umweltzerstörung wir in Braunschweig als Stadtgesellschaft bereit sind hinzunehmen und wie ernst es die städtische Vertretung mit der Klimaneutralität wirklich meint.

„Neapel sehen und sterben“, so notierte Goethe auf seiner Italienreise vor 236 Jahren. Das Update von TUI und „der Schmidt“ hat jedoch nichts sehnsüchtiges mehr. Es ist im Gegenteil ein gefährlicher Unfug, mit dem Potenzial, per Spritztour das Überleben der Menschheit zu erschweren. „Einzigartig“ und „exklusiv“ ist hier allenfalls die Dreistigkeit des Vorgehens.

Es ist höchste Zeit, das zu verhindern! Packen wir es gemeinsam an!

4 Kommentare

  1. Die Kritik ist berechtigt. Aber warum wird zum Beispiel nicht kritisiert, dass zum katholischen Weltjugendtag in Lissabonn ca. 500.000 Jugendliche aus der ganzen Welt ja offenbar mit
    großen Mengen von Flugzeugen hintransportiert und wieder zurückgebracht worden sind?
    Hier stimmt argumemntativ etwas nicht.
    Jürgen Kumlehn

    • Sehr geehrter Herr Kumlehn,
      Sie erwidern nach anfänglicher Zustimmung: „hier stimmt argumemntativ etwas nicht“
      Richtig. Si tacuisses, …
      In einem Artikel, der sich mit der lokalen Klimagefährdung durch Touristikunternehmen beschäftigt, hat das mutmaßlich massenhafte und kritische Verkehrsverhalten der Papstjugend wahrlich nichts zu suchen. Unzählige weitere solcher Beispiele ließen sich finden und sind Teil des Problems. Also wo anfangen? Dazu nochmals Goethe:
      „Ein jeder kehre vor seiner Tür,
      Und rein ist jedes Stadtquartier.“
      Edgar Vögel

  2. 500.000 Jugendliche – und alle aus Braunschweig?!

    Na – Scherz beiseite.
    Die Klimakleber werden von der SPD mit hohen Geldstrafen bedroht,
    aber 28t Treibhausgas in die Luft ballern – da gibt es nette Steuergeschenke, damals von einem ‚Christsozialen‘ Minister eingeführt.
    Ja, da stimmt was nicht.

  3. Ja, Jürgen, das ist in jedem Fall abzuwägen, was man evtl. dann auch ganz wegläßt oder weniger macht.

    Hier mit den ganzen Schummeleien um den Flughafen BS/WOB zugunsten weniger Gewichtiger (VW) und ggf. Spaßbürger (man gönnt sich ja sonst nichts …) spielen wir in einer anderen Liga.

    Der Flughafen rückt deshalb nicht nur infolge erster Proteste der Letzten Generation (neulich auf Sylt) in unseren Fokus. Konkret planen wir eine Protestkundgebung vor dem Rathaus – wie das übrigens hier im vorstehenden Beitrag von der Grünen Jugend angesprochen wurde:

    https://braunschweig-spiegel.de/flughafen-braunschweig-stopp-von-privatjet-fluegen-gefordert/

    – wahrscheinlich gibt es am 29.8 um 17 Uhr einen Protest vor dem Rathaus BS, um die Politik zu den immer deutlicheren Forderungen rund um überflüssiges Fliegen von Braunschweig zu konfrontieren, zumal jeder Flug auch noch aus öffentlichen Kassen subentioniert wird und zu allem Überfluß der Oberbürgermeister gegen die Aktiven der Letzten Generation auch noch strenge Strafverfügungen erlassen hat.

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