„amnesty international“ und Evangelisch-reformierte Gemeinde: EUROSUR – die neue virtuelle Grenzsicherung

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Eurosur – die neue virtuelle Grenzsicherung der Zukunft an Europas Außengrenzen – Über technische Lösungen und menschliche Antworten in der EU

Eine Podiumsdiskussion über Bootsflüchtlinge mit Viola von Cramon (MdB) und Nele Allenberg (EKD) in der Bartholomäuskirche am 28.09.2012

Veranstalter: amnesty international und Evangelisch-reformierte Gemeinde

Das Podium war kompetent besetzt, mit Viola von Cramon (Bundestagsabgeordnete der Grünen/ B 90) und Nele Allenberg (juristische Referentin der EKD in Berlin). Michael Strauß als Leiter der Pressestelle der evangelisch-lutherischen Landeskirche in Braunschweig, führte souverän durch die Veranstaltung.

Foto: Nele Allenberg, Michael Strauß, Viola von Cramon

Es ging um ein ungeliebtes Thema: die Bootsflüchtlinge. Wie bekannt, versuchen viele afrikanische und asiatische Flüchtlinge, nach Europa über das Meer zu kommen – viele sterben dabei. Die genaue Zahl ist unklar, aber allein im vergangenen Jahr sind vermutlich über 1000 Menschen im Meer ertrunken.

 Europa schottet sich ab. Viola von Cramon wies darauf hin, dass inzwischen ein neues System eingeführt werden soll, um die Außengrenzen der EU noch dichter zu machen: Eurosur heißt es und wird eine neue Form virtueller Grenzüberwachung sein, die dazu dienen soll, Flüchtlinge noch eher zu entdecken – und abzuschieben.

Auf die Frage der Flüchtlinge findet die EU demnach keine politische oder gar menschliche Antwort, sondern eine technische Lösung. Insbesondere Deutschland zeigt hier eine harte Haltung. Deutschland hat zwar eine relativ gute Form von Asylverfahren, die aber nur zum Teil zur Anwendung kommt, da auf Grund des Dublin II- Abkommen immer weniger Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Flüchtlinge landen eher in Ländern an den Außengrenzen, die schon durch eine hohe Zahl von Flüchtlingen überlastet sind (wie Malta, Italien) oder kein richtiges Asylverfahren kennen (wie Griechenland).

Die beiden Referentinnen, die jeweils mit Flüchtlingsfragen durch ihre Arbeit zu tun haben, berichteten auch von den Schwierigkeiten, die sie hierbei erleben. Nele Allenberg wies darauf hin, dass es zwar starke und engagierte NGOs in Deutschland im Flüchtlingsbereich gäbe, die aber bei ihrer Lobbyarbeit oft ins Leere laufen, da inzwischen viele Entscheidungen auf EU-Ebene getroffen werden. Viola von Cramon berichtete nun ihrerseits, wie schwierig auch Lobbyarbeit auf EU-Ebene sei, da die meisten Entscheidungen dort im Trilog zwischen Rat, Kommission und Parlament laufen. NGOs und oft auch Abgeordnete erfahren oft erst im Nachhinein davon und werden kaum in die laufenden Prozessen eingebunden.

Außer den Podiumsteilnehmern kam auch ein Betroffener selbst zur Sprache. Es war Machmud aus Somalia, der von seinem Fluchtweg über Kenia, Uganda, Südsudan und Libyen berichtete. Von Libyen war er als Bootsflüchtling nach Malta gekommen. Da er kein Deutsch sprach, wurde sein Beitrag von einem Landsmann übersetzt. Der Bericht war sehr eindrucksvoll und vermittelte einen sehr direkten Eindruck von dem Schicksal eines Betroffenen.

Foto: Machmud aus Somalia berichtet von seinen Erfahrungen als Flüchtling

Foto: Flüchtlinge waren zu der Veranstaltung gekommen

Die große Frage war: Was kann man tun, um die Situation der Bootsflüchtlinge zu verbessern. Viola von Cramon setzte hier zunächst große Hoffnungen auf die nächste Wahl, dass hierdurch etwas in Hinblick auf Flüchtlinge in Bewegung käme. In der anschließenden Situation wurde das aber etwas in Frage gestellt, da es doch gerade die SPD unter Otto Schily war, die die treibende Kraft in Bezug auf das Dublin II – Abkommen war, wodurch die Zahl an Flüchtlingen für Deutschland drastisch reduziert wurde.

Foto: Einige Flüchtlinge mit Viola von Cramon und Nele Allenberg

Von Cramon forderte darüber hinaus auch eine stärkere, unabhängige Überwachung von Frontex. Letztlich aber wird es auch Aufgabe von NGOs sein, gerade in Deutschland verstärkten Druck auf Politiker auszuüben und eine breite gesellschaftliche Debatte über die Problematik zu erzeugen.

Nirgendwo sonst zeigt sich die Inhumanität der Gesellschaft (in Deutschland wie der EU) so deutlich wie in diesem Bereich. Wie gering die Bereitschaft in Deutschland ist, Flüchtlinge aufzunehmen, zeigt sich am Beispiel des Resettlement-Programms. Hier war man nur bereit, 300 anerkannte Flüchtlinge pro Jahr aufzunehmen. Frau von Cramon wies darauf hin, dass dies nur eine sehr geringe Zahl sei, die durchaus auf 5-10 000 erhöht werden könnte.

Im Bereich der Bootsflüchtlinge gibt es noch viel zu tun. Da die Flüchtlingsströme sich eher verstärken werden, wird es Aufgabe der Gesellschaft sein, hier angemessene Lösungen zu finden und nicht nur technische Antworten zu geben. Sonst erscheint das Europa der EU nur als kaltes Monstrum, das es jetzt schon in den Augen vieler Bürger ist. Der Friedensnobelpreis für die EU sollte ein Ansporn sein, gerade auch in diesem Bereich mehr zu tun. Sonst wirkt die Auszeichnung etwas hohl.

Foto: Zwei afrikanische Flüchtlinge und Thomas Meier und Reinhild Foltin von „amnesty international“

Veranstaltungen wie diese gelungene Podiumsdiskussion und die begleitende Ausstellung über die Bootsflüchtlinge können vielleicht einen kleinen Beitrag dazu leisten, auf die Probleme aufmerksam zu machen, und dazu beitragen, dass die Gesellschaft wenigstens ein kleines Stück besser wird.

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