Einwohnerversammlung zur Gelben Tonne: Mehrheit ist dagegen, der OB dafür

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Haben diese Sammelcontainer für Leichtverpackungen bald ausgedient?

Die Einwohnerversammlung zur Einführung der Gelben Tonne (s. auch braunschweig-spiegel.de vom 13.03.2011) am 14. März in der Braunschweiger Stadthalle war gut besucht: Die Veranstaltung, zu der Oberbürgermeister Dr. Hoffmann eingeladen hatte, war raffiniert konzipiert. Bürger hatten den Eindruck, dass das Ergebnis der Zusammenkunft von vornherein fest stand.

Von den sechs seitens der Stadt eingeladenen Referenten sprach sich die eine Hälfte bedingungslos für eine Umstellung auf die gelbe Tonne aus, während die andere Hälfte aus Kostengründen erhebliche Vorbehalte zum Ausdruck brachte. 

Prof. Klaus Fricke, Abfallwirtschaftler an der TU Braunschweig, skizzierte den Handlungsbedarf: In Braunschweig landen überdurchschnittlich hohe Mengen von Kunststoffabfällen in der grauen Tonne; damit können diese Wertstoffe nicht mehr genutzt werden. Bislang gelangen in der Löwenstadt nur 29% der anfallenden Leichtverpackungen zu den dafür vorgesehenen Sammelstellen. Nach EU-Recht, erklärt Andreas Gérard, Geschäftsführer von ALBA, müsse ab 2015 die Recyclingquote für Kunststoffe auf 60% erhöht werden. Lt. Stadtrat Stegemann verspricht sich die Verwaltung vom Umstieg auf die Gelbe Tonne ein Plus von € 250.000.

Der TU-Professor, der ALBA-Chef und Dr. Eva Goclik vom BUND für Umwelt und Naturschutz sind sich einig: Will man die getrennte Erfassung von Plastikabfällen erhöhen, gibt es nur eine einzige sinnvoll Lösung: Die haushaltsnah platzierten Gelben Tonnen, die vom Abfallentsorgungsunternehmen abgeholt werden. Fricke stellte stabile bzw. sinkende Gebühren in Aussicht. Gérard und Stadtrat Stegemann warben mit einer finanziellen Entlastung für den städtischen Haushalt von einer viertel Mio. Euro. Die Vertreterin des Umweltverbandes argumentierte mit CO2-Einsparungen; die Herstellung von Produkten auf der Basis von Sekundärrohstoffen könne mit einem reduzierten Energieeinsatz erfolgen.

Herr Meist von Haus & Grund bezeichnete die Einführung der Gelben Tonne als eine kostenträchtige Entscheidung, die nicht unter Zeitdruck getroffen werden dürfe, zumal sich auch noch die Rahmengesetze verändern könnten. Hauseigentümer würden dauerhafte und praktikable Lösungsansätze erwarten. In Einfamilienhausgebieten würden zusätzliche Abfallbehälter das Problem der Integration von Mülltonnen in Vorgärten verschärfen und Umbaumaßnahmen erfordern. In innerstädtischen, mehrgeschossigen Wohngebieten sei, so Meist, oft gar nicht der Platz vorhanden, um die erforderliche Anzahl zusätzlicher Tonnen unterbringen zu können. Zu bedenken sei auch, dass durch den geplante Teilservice ein Hausmeister bestellt werden müsse, um die Behälter an die Straße zu stellen.

Herr Blätz als Vertreter der Wohnungsbaugenossenschaften teilte die Sichtweise von Haus & Grund. Der Geschäftsführer des Mietervereins, Herr Schoeppe ergänzte, dass letztendlich die Mieter die Kosten des Systemwechsels bezahlen müssten, und bat um Zurückstellung eines entsprechenden Beschlusses.

Die große Mehrheit der Bürger, die sich in der Diskussion zu Wort meldeten, schilderten die zu erwartenden Probleme anschaulich in den verschiedensten Facetten. Auf den mehrfach geäußerten Vorschlag, das bestehende Sammelsystem fortzuführen und die Leerungsfrequenz für die Sammelcontainer zu erhöhen, hat sich der Geschäftsführer von ALBA erst gar nicht eingelassen. Die Anregung aus dem Publikum, die Stadt und ALBA könne mit einer Informations- und Werbekampagne auf eine Erhöhung der Plastikmüll-Sammelquote im Rahmen des bestehenden Containersystems hinwirken und sich dadurch die hohen Umstellungskosten ersparen, blieb unkommentiert. Die von den Bürgern wiederholt eingebrachte Möglichkeit, die Kunststoffabfälle zukünftig in Gelben Säcken abzuholen, wurde von Prof. Fricke, sowie dem ALBA-Chef im Verbund mit der Stadtbaurätin, Maren Sommer, aus praktisch-ästhetischen Erwägungen als irrelevant erklärt.

Der Oberbürgermeister zog nach den Statements vom Podium und den Fragen aus dem Publikum folgendes Resümee: Die für Braunschweig einzig praktikable Lösung sei die Gelbe Tonne. Auf die Bürger kämen monatliche Mehrkosten von € 1,11 zu. Diese Gebührenerhöhung wäre aus Umweltschutzgründen als zumutbar.

Nach seinen Ausführungen zu den vielen Unklarheiten auf Bundesebene und zu den widrigen Rahmenbedingungen für die Verhandlungen u. a. mit dem Dualen System beendete Dr. Hoffmann die Versammlung mit seiner Empfehlung für die 20 Stunden später anberaumten Sondersitzung: Der Rat möge die Einführung der Gelben Tonne zum 1. Januar 2014 beschließen. Mit dieser Verschiebung um ein Jahr, so der OB, hätten die Wohnungsbaugesellschaften und Hauseigentümer Zeit, sich an die Veränderungen zu gewöhnen und darauf einzustellen.

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