Am zweiten Januar des Neuen Jahres spielte das Staatsorchester Braunschweig unter der Stabführung von Generalmusikdirektor Srba Dinic das Neujahrskonzert in der Stadthalle Braunschweig. Die Moderation übernahm letztmalig Orchesterdirektor Martin Weller. Solistin am Steinway Flügel war die renommierte junge Pianistin Olga Scheps. Beethoven macht es möglich: Während Neujahrskonzerte sonst von populären Strauss Melodien und „Klatschmärschen“ gekennzeichnet sind, zeigte das fast schon als revolutionär zu bezeichnende Braunschweiger Neujahrskonzert eine Ausrichtung am Komponisten Ludwig van Beethoven, der in diesem Jahr 250 Jahre alt geworden wäre.
Das Staatsorchester Braunschweig eröffnete das diesjährige Neujahrskonzert mit der Leonoren-Ouvertüre Nummer 3 (op. 72a). In seiner einzigen Oper (Fidelio) zeigt der schwermütige und schwerhörige Beethoven den Weg durch Nacht und Dunkel zum Licht zur Meisterung des Schicksals auf. Wie selten machte sich in der Wiedergabe der Ouvertüre eine Überlastung der Staatstheatermusiker bemerkbar. Acht Neujahrskonzerte und parallel dazu die Eugen Onegin Proben scheinen die Musiker neben den Auftritten in Konzert sowie Theater zu überlasten und es zeigen sich in der Fidelio Ouvertüre einige Ungenauigkeiten. Auf der anderen Seite ist positiv zu vermerken, dass immer wenn es auf den Streicherklang ankommt, das Staatsorchester Braunschweig wieder an Genauigkeit, Homogenität und immenser Klangschönheit gewinnt.
Moderator des Neujahrskonzerts war traditionsgemäß Solotrompeter und Orchesterdirektor Martin Weller. Seine gedankenschwangeren Moderationen zeichnen sich bisweilen durch ein Übermaß an Ausschweifung aus. Hier wäre weniger, insbesondere im Rahmen eines Neujahrskonzerts, mehr. Mit höchster Eleganz und Nachhaltigkeit spielte Weller außerhalb des Saales die wundervollen Trompetensignale der Leonoren Ouvertüre. In Beethovens Oper kündigen diese „Trompetentöne aus der Ferne“ das Nahen des rettenden Ministers an. Zur Zeit der Uraufführung war diese Gestaltung völlig neuartig, da damit die Ouvertüre sozusagen das glücklich jubelnde Ende der Oper vorausgreift .
Im Rahmen des Beethoven-Jahres bringt das Staatstheater Braunschweig ab dem zweiten Mai 2020 die Beethoven-Oper Fidelio auf den Spielplan. Die Inszenierung übernimmt Generalintendantin Dagmar Schingmann und das Staatsorchester Braunschweig musiziert unter der Leitung von Generalmusikdirektor Srba Dinic.
Bereits im dritten Klavierkonzert in c-Moll von Ludwig van Beethoven in drei Sätzen kam das Staatsorchester Braunschweig wieder zur gewohnten hohen Qualität der musikalischen Darbietung zurück. Solistin war ein europäischer Star am Klavier: Die in Moskau geborene Olga Scheps, die seit vielen Jahren in ihrer Wahlheimat Köln lebt. Sie ist der erste „Artist in Residence“ des Staatsorchesters Braunschweig.
Olga Scheps begeisterte das Publikum durch ihre herausragende und zu Herzen gehende Interpretation des Beethovenkonzerts. Ihre Finger und ihr Musikertum erlauben ihr feinste Klangperlen und große dramatische Emphase. Das Wechselspiel zwischen Orchester sowie Solistin war mustergültig und Srba Dinic zeigte mit dem Staatsorchester Braunschweig die für dieses Konzert notwendige Melancholie. Er hob den Orchesterpart nicht hervor und war ein kongenialer Partner der Pianistin. Die in ein wunderschönes rotes Samtkleid gewandete Künstlerin wurde vom Publikum mit Ovationen gefeiert, die wahrnehmbar ihr Herz berührten.
Nach der Pause stand das „Trio per Uno“ für drei Schlagzeuger in drei kurzen Sätzen auf dem Neujahrskonzert-Programm. Das moderne impulsive Werk komponierte Nebojša Jovan Živković aus Serbien. Die Staatsorchester Schlagwerker Matthias Lang, Jörg Oesterle und Kai Fassbinder erreichten auf einer großen Trommel, Bongos und Becken einen homogenen Gesamtklang, der beim Publikum trotz der Durchbrechung der Beethoven-Programmatik als beeindruckendes Hörerlebnis bestens ankam. Den durchgängig rhythmischen Drive zeigten die Schlagwerker auch bei gesteigertem Tempo eindrucksvoll mit beeindruckender Virtuosität. Bravo!
Wie schon im dritten Klavierkonzert widmet sich die 5. Sinfonie dem Kampf und dem Erreichen einer besseren Welt. In Beethovens Schicksalssinfonie (5. Sinfonie) in fünf Sätzen zeigt das Staatsorchester Braunschweig eine Umsetzung, die nicht als langsam bezeichnet werden kann. Das Eingangsmotiv kennt wohl jeder Mensch. Dinic gelang es mit seinen Musikern einen übertriebenen Pathos zu vermeiden, sondern vielmehr eine Interpretation mit „Licht und Schatten“ und herausragenden Holzbläsern zu präsentieren. Der Dirigent ließ den musikalischen Entwicklungen Raum und forderte sowie förderte das solistische Spiel seiner Musiker.
Bei den insbesondere bei Neujahrskonzerten üblichen Zugaben war nach dem Beethoven-Programm der Johann Strauss Walzer „An der schönen blauen Donau“ schlicht deplatziert. So schön der Streicherklang des Staatsorchesters auch sein mag, in ein Beethoven Programm unter der Maxime „Durch Nacht zum Licht“ passt die heimliche Österreichhymne nicht. Anstatt des bei Neujahrskonzerten weltweit üblichen Radetzky-Marsche von Johann Strauss spielte das Staatsorchester Braunschweig abschließend den Yorkschen Marsch von Ludwig van Beethoven.
Kritik und Fotos: Sven-David Müller