Die Braunschweiger Zeitung und ihr „Schloss“ oder die Verschiebung von Wahrheit (Teil 35)

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Die Braunschweiger Zeitung zitierte gestern, am 2. Juni, Pressestimmen zum „Braunschweiger Schloss“. Vorab wird der Tenor der Berichte zusammengefaßt: „Kunst- und Architekturzeitungen äußern sich kritisch, andere begeistert.“

Aus Kunst- und Architekturzeitungen wird dann aber rein gar nichts zitiert, die genannten „Anderen“ äußern sich zwar durchaus nicht nur begeistert – zitiert wird aber nichts wirklich Kritisches. Wenn denn aber schon ein kritischer Artikel zitiert wird, dann so, dass an der Kritik möglichst vorbei zitiert wird: niedere Demagogie paart sich mit höherer.

Ein Beispiel: Die Neue Zürcher Zeitung wird wie folgt zitiert:“Was einst als Residenz ausreichte, das genügt der ECE als Shopping-Mall bei weitem nicht. Und so hat der neue Einkaufstempel auch den einstigen Garten mit verschlungen, der das Schloss … seitlich flankierte.“

Die eigentliche Kritik des Autors der NZZ fällt dabei unter den Tisch, hier sei einiges zitiert:
„… verströmt der auf alt getrimmte Neubau bestenfalls den Charme einer Klötzchenarchitektur aus dem Steinbaukasten. In engen Abständen gesetzte Öffnungen für die Hinterlüftung der Fassade lassen das Schloss wie perforiert wirken. Das Ergebnis ist ein architektonisches Abreissbildchen, ein baugeschichtliches Pin-up, … Sind hier doch zwischen Brunnengeplätscher und der Kakofonie aus verkaufsfördernden Beats längst nicht nur die Architekturbilder und die Geräusche der Verkaufswelten normiert, sondern auch die Gerüche. Und so schwebt über allem ein Hauch von gebackenem Käse und von Pizza, als stünde man auf dem Hauptbahnhof in Essen oder Köln, und verkündet den Kauflustigen ein Herzlich Willkommen im überall – daran ändert die historisierende Schlosshülle nichts.“

Diese Art selektiver Berichterstattung ist kein besonders krasser Fall für die Braunschweiger Zeitung in Sachen ECE, sondern traurige Normalität. Aber es ist wieder einmal ein typscher Fall von manipulativem Journalismus zugunsten des Oberbürgermeisters, der das Projekt vorantrieb und zugunsten der ECE, mit der die Zeitung ganz offensichtlich sehr eng „zusammenarbeitet“ – aus welchen Gründen und Motiven auch immer.

Eine besondere Spielart der Meinungsmache begegnet uns, wenn uns im Presseecho von Außen die Worte des Oberbürgermeisters selbst zurückschallen. Etwa, wenn Hoffmann mit dem Kulturhauptstadtpromoter Prof. Stölzl zusammen ein Interview gibt („Bauen heißt erinnern“, in Die Welt vom 5. Mai). Die eigenen Worte werden einem fremden Medium in den Mund gelegt, was dann als Beleg mit quasi „objektiver“ Beweiskraft einer von außen verbürgten Wahrheit ins Feld geführt wird.

Schon früh versuchte sich der Braunschweiger-Zeitungs-Redakteur Ernst Johann Zauner als Promoter der Schloss-Arkaden nicht nur für Braunschweig. Im Juni 2003 pries er das Projekt in der Welt und der Berliner Morgenpost und stellte die suggestive Frage; „Modell für Potsdam?“ Immerhin bekam Zauner dann von der Morgenpost eine kritische Antwort. – In der Berliner Morgenpost herrscht offensichtlich für Redakteure Meinungsfreiheit, in der Braunschweiger Zeitung herrscht dagegen offensichtlich Dr. Gert Hoffmann: Uns ist kein einziger ernsthaft kritischer Artikel gegen ihn oder seine Politik aus der diesbezüglich offensichtlich gleichgeschalteten Braunschweiger Zeitung bekannt. Auch gröbste Unstimmigkeiten werden nicht hinterfragt. Passend dazu ein Zitat von Flores d’Arcais: „Die Realität muss wie eine Hure geschminkt werden. Von da führt ein direkter Weg zu der Fälschung von Bilanzen und Dossiers und zu Nachrichten, die völlig aus der Luft gegriffen sind.“ – Armes Braunschweig, armer Journalismus!

P.S. anbei doch noch einmal zwei Bilder, welche die Lage des Teils der Fassade des Schlosses zeigen, auf dem sich die Braunschweiger Zeitung ihren verdienten Thronsessel ersessen hat. Es ist ein Fassadenabschnitt an der Georg-Eckert-Straße gegenüber dem Magni-Viertel – laut Laudatio steht diese Wand im feinsinnigen Dialog mit dem Magniviertel. Doch hören wir dazu die lobenden Worte zur architektonischen Ausführung aus dem Kommentar zum siegreichen Wettbewerbsentwurf. Verantwortlich dafür als Jury-Mitglieder zeichnen auch Dr. Alexander Otto und Dr. Gert Hoffmann. Nachdem die Jury erst einmal die obligatorische Laudatio auf sich selbst gehalten hat, wendet sie sich dem Entwurf zu, den wir hier verwirklicht finden. Darin heißt es:

„… daher wird nicht eine Haut um die Verkaufsfläche gezogen, sondern die Räume der Fassaden inszenieren die übergänge zur Innenwelt. Dadurch entsteht eine Vielschichtigkeit der Fassaden, die in der reichen, wieder aufgebauten Fassade des Schlosses ihr Pendant sieht. Der Dialog der plastisch ausformulierten historischen Fassade wird virtuos geführt, ohne diese zu kopieren, geschweige denn zu konterkarieren. Die Struktur der Schlossfassade wird feinsinnig interpretiert und in eine heute gültige Sprache übersetzt. Es wird nicht in die Klaviatur heute angesagter, modischer Fassadenthemen gegriffen. … Die Jury lobte besonders, dass die Wettbewerbssieger die Fassade in mehrere einzelne Häuser aufgelöst haben. Diese Häuser nehmen jeweils unmittelbar Bezug auf den sie umgebenden Straßenraum und reagieren auf die gegenüber liegende Bebauung. …“

Dies also der Fassadenabschnitt gegenüber dem Magniviertel.

Und der gleiche Fassadenabschnitt noch einmal:
Eiligst hat man der Fassade – die das Magniviertel doch eher bekläfft wie ein agressiver Pitbull, als dass sie sich in feinsinniger Konversation mit ihm austauscht – einen architektonischen Maulkorb verpasst – man kann auch von einem Feigenblatt sprechen, das die Blöße eines architektonischen Offenbarungseids barmherzig bedeckt.

Oder handelt es sich bei diesen Begrünungsmaßnahmen doch um die Ausführung der geheimen Pläne aus dem Rathaus zur Rekonstruktion des Schlossparks (1 : 1 original), von denen Matthias Witte vor Jahresfrist berichtete?

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