Braunschweiger Klimajustiz – ein Lehrstück

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Von Letzte Generation Braunschweig

Gestern (28.11.23) wurde vor dem schneebedeckten Amtsgericht Braunschweig wegen einer Straßenblockade der Letzten Generation verhandelt. Nach nur 20 Minuten war die Verhandlung schon wieder vorbei: 

Staatsanwalt Hübscher beantragte die Einstellung wegen Geringfügigkeit ohne Auflagen auf Staatskosten. Richterin Genius stimmte zu. Der Angeklagte, ein 32-jähriger, derzeit in Ausbildung, verließ das Gericht überrascht und ohne Strafe.

Was war passiert? Menschen der Klimagerechtigkeitsgruppe „Letzte Generation“ hatten sich am 30.5.22 morgens auf die Wolfenbütteler Straße gesetzt, teilweise festgeklebt, und den Berufsverkehr aus Richtung Süden nach Braunschweig zum Erliegen gebracht. Die Polizei hatte diese Spontanversammlung nach einiger Zeit aufgelöst und die Leichtigkeit des Straßenverkehrs, wie es die Straßenverkehrsordnung luftig beschreibt, wiederhergestellt. Sechs Tatverdächtige hatten Strafbefehle wegen des Tatvorwurfs der Nötigung erhalten und diesen widersprochen, weshalb die Tat vor Gericht landete.

So weit, so gleich. Und nun der Unterschied:

Vor zwei Wochen war bereits ein Prozess wegen dieser Blockade nach 6-tägiger Verhandlung mit einem Urteil zu Ende gegangen: Pascal R., 28 Jahre, wurde zu 70 Tagessätzen zu je 15 Euro verurteilt, insgesamt 1.050 Euro.

Staatsanwalt Hübscher, derselbe wie im heutigen Verfahren, hatte sogar 110 Tagessätze gefordert. Und damit gedroht, im Wiederholungsfall auf Haftstrafe zu plädieren.

Die gleiche Tat, der gleich Vorwurf, der gleiche Staatsanwalt, zwei völlig unterschiedliche Urteile.

Wie ist das zu erklären? Pascal R. hatte angekündigt, weiter für den Erhalt der Lebensgrundlagen, gegen das fossile Weiter-so und gegen die verfehlte Klimapolitik der Regierung gewaltfreien Widerstand zu leisten. „Wir sind auf dem Weg in die Klimahölle mit dem Fuß auf dem Gaspedal“, zitierte er vor Gericht im Abschlusswort UN-Generalsekretär Antonio Guterres, und weiter: „Dieses Versagen an Führung ist kriminell“.

Heute hat der Angeklagte erklärt, nicht weiter an Straßenblockaden teilzunehmen. Er baue jetzt im Ausbildungsbetrieb Photovoltaikanlagen.

Was sagt uns das Gericht damit?

Füge Dich ein in die bestehende Ordnung, akzeptiere die Zerstörung des Planeten und der natürlichen Lebensgrundlagen, akzeptiere Ausbeutung, postkoloniale Wirtschaftsordnung, den durch die Klimakatastrophe drohenden Tod von Millionen von Menschen. Sei brav, störe nicht. Dann wirst Du mit Milde behandelt.

Aber wehe, Du stehst auf gegen die Ungerechtigkeit und Zerstörung der Welt. Dann trifft Dich die ganze Härte des Gesetzes.

1 Kommentar

  1. Eine heute verkündete gerichtliche Entscheidung zeigt: Das Verhalten der Bundesregierung fügt sich eben nicht ein in bestehende Gesetze. Die Klimapolitik der Ampel ist rechtswidrig.
    Das stellt das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) auf Klagen der DUH heute fest und fordert die Regierung auf, ein Sofortprogramm nach § 8 Klimaschutzgesetz zu beschließen. Das Urteil hat nicht nur langfristig Auswirkungen auf Verfahren wie hier bei Pascal. Auch Verhinderer in der Regierung werden über kurz oder lang nicht anders können, als dem Beschluss nachzukommen: „Füge Dich ein in die bestehende Ordnung“.

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