Braunschweig – Hauptstadt der Normopathen

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„Normopathen nennt man Menschen, die so wahnsinnig normal sind, dass es weh tut. (…) Doch es gibt da ein Problem mit diesen Normalen. Sie mögen die anderen nicht. Sie hassen all die Bunten die Schrillen, die Lauten.“ (Aus: Manfred Lütz – Irre! Wir behandeln die Falschen: Unser Problem sind die Normalen)

In der Braunschweiger Innenstadt sieht man vermehrt Leerstand. Das ist kein Wunder, weil Braunschweig mit 2,4 Quadratmetern Verkaufsfläche pro Einwohner schon weit über dem Durchschnitt von 1,8 Quadratmetern liegt. Auch der Online-Handel bereitet den Kaufleuten Sorge. Jetzt wird überlegt, wie die Innenstadt wieder attraktiv gemacht werden soll, und dabei zeigt sich – wieder einmal – eine erschreckende Ideen- und Mutlosigkeit.

Ein IHK-Experte sagt in der Braunschweiger Zeitung: Wenn Innenstädte lebendig bleiben möchten, geht das nur über eine stärkere Durchmischung von Funktionen – mit mehr Handwerk, Dienstleistung, Wohnen oder Gastronomie. So klingt kein Plädoyer für eine attraktive Innenstadt. Im Gegenteil, denn wer würde schon sagen: „Schatz, lass uns mal nach Braunschweig fahren, da gibt es in der Innenstadt so tolle Schlosser und Fliesenleger, außerdem möchte ich noch ein paar Wohnungen besichtigen und anschließend was futtern.“

Die wichtigste Frage muss lauten: Wie gestalten wir unsere Innenstadt so attraktiv, dass bestenfalls Menschen aus aller Welt anreisen, um Braunschweig zu besichtigen. Darauf hat leider kein Braunschweiger Politiker und  Experte eine Antwort. Diese Frage stellen sie sich nicht einmal. Stattdessen wird im Stadtrat stundenlang darüber diskutiert, ob man Schuhe und Hundefutter auch außerhalb der Innenstadt verkaufen darf. Und weil niemand die Frage stellt, stelle ich sie mir noch einmal selbst: Wie wird unsere Innenstadt attraktiver?

Dazu drei Antworten: Menschen, Natur, Kultur! Dazu ein paar Anregungen.

Fangen wir mit Menschen an, spezieller mit Kindern. Wie viele Spielplätze gibt es in der Braunschweiger Innenstadt? Genau einen.

Auf Spielplatznet wurde dieser Spielplatz mit einem Stern wie folgt bewertet: „Der Spielplatz erinnert an abstrakte Kunst und ist in seiner Unwirtlichkeit kaum zu überbieten.“ Wenn man also die Innenstadt attraktiver gestalten möchte, hier bieten sich Möglichkeiten. Gleiches gilt für Jugendliche, für die man Halfpipes und ähnliche Sportgeräte aufbauen kann, oder auch für Senioren, die sich über gemütliche Sitzmöglichkeiten außerhalb von Cafés freuen.

Und nun zur Natur. Schauen wir uns erst einmal an, wo man in der Innenstadt Grünflächen findet:

Kommen wir zur Bildinterpretation: Was fällt auf, wenn man den Plan betrachtet? Es gibt in der Innenstadt praktisch keine Grünflächen. Bei einer derart grünen Innenstadt muss man sich nicht wundern, wenn viele lieber auf der grünen Wiese einkaufen möchten. Was kann getan werden? Der Schlossplatz bietet die besten Möglichkeiten, in der Innenstadt einen kleinen, schönen Park anzulegen. In der jetzigen Form liegt der Platz in meinem persönlichen Ranking der unwirtlichsten Plätze dieser Republik auf Platz 1. Ein kleiner Park würde nicht nur den Bohlweg, sondern die gesamte Innenstadt aufwerten. Und auch die Schlossfassade würde mit einem Schlosspärkchen wieder im Glanz alter Zeiten erstrahlen:
Vielleicht finden sich auch ein paar Hinterhöfe, in denen Gemeinschaftsgärten angelegt werden können. Das Gleisbett der Straßenbahn lässt sich begrünen. Und in leeren Kaufhäusern lassen sich Gewächshäuser für eine regionale Versorgung mit Obst & Gemüse einrichten. Sogar auf den Dächern von Kaufhäusern lassen sich kleine Parkanlagen errichten. Und die Oker lässt sich problemlos in den Burggraben leiten. Es gibt Hundert Möglichkeiten, eine Stadt grüner zu gestalten, man muss sich nur einmal in anderen Städten umschauen.

Und wie sieht es mit der Kultur aus? Da ich das Thema hier schon häufiger beschrieben habe, verweise ich auf drei weiterhin hochaktuelle Artikel von mir:

Das Problem ist jedoch ein ganz einfaches: Wir werden in Braunschweig von Normopathen regiert, die so angepasst sind, dass sie auf alle Fragen mit drei Reflexen reagieren: Häuser bauen! Hotels bauen! Shoppingcenter bauen! Diese Normopathen findet man überall: im Stadtrat, in der Verwaltung, im Arbeitsausschuss Innenstadt, im Kulturinstitut, im Stadtmarketing. Das führt jedoch langfristig dazu, dass die Innenstadt jegliche Attraktivität verliert und das Leben in der Stadt Braunschweig zunehmend als Nutzmenschhaltung bezeichnet werden muss. Stadtentwicklung hingegen braucht Mut. Normopathen mit der Entwicklung von etwas Neuem zu beauftragen, ist wie einen Veganer zum Fleischermeister auszubilden: ein Ding der Unmöglichkeit. Ich hoffe daher, dass zukünftig wieder mutiger über die Attraktivität der Innenstadt diskutiert wird und weniger über den Standort von Schuhgeschäften.

 


Kommentare   
 
+1 #3 W Karl Schmidt 2014-02-16 12:05
Klaus hätte uns auch seine Sicht der Dinge erläutern können. Hat er nicht getan. Ob´s gut ist so oder nicht, können wir deshalb leider nicht beurteilen.
 
 
+3 #2 Lillie 2014-02-14 21:45
Genau auf den Nerv und genaue Punktlandung einer endlich mal gestellten Frage, Herr Schadt. Wie wird unsere Innenstadt attraktiver?
Sie schreiben ganz richtig dazu drei Antworten: Menschen, Natur, Kultur! Das klingt einfach und stimmt. Weil aber so viele Verantwortungst räger nur Geschäfts- aber kaum Feinsinn zu haben scheinen, sind diese fehl am Platze. Weshalb also wählen einige sie immer wieder wie mechanische Wahlroboter? Normopathie macht eben Apathie, aber kaum Lebensqualität und Sympathie. Aber Attraktivität könnte am Ende beides – Geschäfts- und Feinsinn – durchaus befriedigen.
 
 
-3 #1 Klaus 2014-02-10 07:43
Das ist ja mal der größte Unfug. Ich glaube, von Themen, von denen man keine Ahnung hat, sollte man besser die Finger lassen.
 

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