Bericht aus Bumsdorf X – Rauchen gefährdet Ihre Gesundheit

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Es ist mir direkt ein wenig peinlich, aber ich muss zugeben, dass ich mal fast zu einem der wenigen westdeutschen Republik-Flüchtlingen geworden wäre.

Und das kam so.

Es war auf einem dieser Heavy Metal-Abende in einer der Dorfdiscos in der Lüneburger Heide im Zonenrandgebiet, 80er Jahre, als ich mir so richtig die Kante gegeben hatte. Wir kauften die „Neger“ (Cola-Rum-Mischungen) immer gleich tablettweise und schütteten das Zeug dann auf ex in uns hinein, während wir Metal-Songs grölten, uns angrunzten und überhaupt den lieben Gott einen guten Mann sein ließen.

Der DJ war neu und er kannte sich mit dem „Hard and Heavy-Zeugs“ noch nicht so aus, weshalb er sich dazu überreden ließ, „Pulling Teeth“ von Metallica aufzulegen – ein minutenlanges Bass-Solo des legendären Cliff Burton.

Nach kurzer Zeit hatte er begriffen, dass tatsächlich das ganze Lied aus diesen zähneziehenden Geräuschen bestand. Er machte dann rasch was anderes an.

Ich musste sehr darüber lachen, wie ich so an der Tanzfläche stand, um mir eine Zigarette zu drehen. Ach ja, mein Tabak war ja alle!

Ich zog mir ausnahmsweise eine Schachtel Camel, mit dem Drehen hätte das ja sowieso nicht mehr so gut geklappt.

Der Abend zog sich noch etwas hin, doch irgendwann wollte Sabine, unsere Fahrerin (und daher die einzige, die nüchtern geblieben war), dann doch los.

Wir wankten zum Auto, „stramm wie die Amtmänner“, wie wir sagten, und stiegen ein. Die kurze Diskussion, welche Musik gehört wurde, entschied Sabine mit einem kurzen, aber definitiven: „Fahrer bestimmt!“ So fuhren wir gemeinsam mit AC/DC durch die Nacht, ein guter Kompromiss. Ich bot allen noch eine Zigarette an und es wären ja eigentlich auch nur ein paar Kilometer zu fahren gewesen, aber wir bestanden doch darauf, eine kleine Pinkelpause einzulegen.

Ein großer Fehler!

Wir Männer stellten uns an die Bäume und ließen laufen, während Silke auf uns wartete.

Die beiden anderen waren vor mir fertig geworden und schon eingestiegen…

Dann hörte ich, wie sie losfuhren. Ich dachte, dass das nur ein Scherz war und so erwartete ich, dass sie gleich hielten und mich ein- oder zweimal hinter dem Auto herlaufen und schließlich einsteigen ließen.

Doch die Rücklichter verschwanden hinter ein Kurve.

Ich wartete noch ein paar Minuten, nichts passierte.

Ich war auch viel zu betrunken, um mir Gedanken darüber zu machen, so drehte ich mich ein paar Mal im Kreis, um mich zu orientieren, und ging dann los.

Nun, es wunderte mich schon ein wenig, dass die Straße, die nach Hause führen sollte, eigentlich keine Straße, sondern ein Feldweg war.

Aber erst das „Halt! Stehenbleiben!“-Schild machte mir klar, dass ich irgendwie auf dem falschen Weg war. Ich bewegte mich direkt auf die DDR zu.

Glücklicherweise sah ich gerade in diesem Augenblick zwei Scheinwerfer durch den Wald holpern.

Sabine vielleicht.

Nein, stattdessen leuchtete mir ein Beamter des Bundesgrenzschutzes mit einer Stabtaschenlampe ins Gesicht und frage mich, was ich denn wohl vor habe!?

Ich murmelte etwas wie: „Nach Hause!“ und den Namen meines Heimatortes.

Er erkannte schnell, dass ich tatsächlich einfach nur sturzbetrunken war.

Er zeigte mir deshalb bereitwillig, wo ich langzugehen habe, stieg ein und fuhr davon.

Ich drehte mich noch mal zu ihm um, winkte und ging los.

Der Feldweg führte allerdings keineswegs nach Hause, denn wieder traf ich auf dieses ominöse Schild.

Und wieder hielt der BGS-Bulli neben mir.

Der Beamte war nun allerdings gar nicht mehr freundlich, er war sogar stinksauer, brüllte mich an, ob ich vorhätte, in die DDR zu flüchten und nötigte mich, in seinem Dienstwagen Platz zu nehmen.
Ich nächsten Dorf hielten wir neben einer Telefonzelle und er zwang mich, bei meinen Eltern anzurufen. Und er wartete auch, bis meine Mutter wirklich zehn Minuten später angefahren kam, um mich nach Hause zu bugsieren.

Als ich ein oder zwei Tage später wieder nüchtern war, traf ich zufällig Sabine.

„Was sollte das denn?“ fragte ich sie „Warum bist du denn einfach abgehauen?“

„Weil du mich beklaut hast! Meine Kippen waren plötzlich weg und dann tauchst du mit einer Schachtel Camel auf. Wo du doch immer nur Tabak rauchst! Und dann“, und dabei überschlug sich ihre Stimme, „bietest du mir auch noch eine von meinen eigenen Zigaretten an!“

Wohl unnötig zu sagen, dass sich hier unsere Wege für immer trennten.

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Zum letzten Bericht aus Bumsdorf IX

Mehr Heimatgeschichten von Braunschweiger Autoren gibt es hier:
Was: „Heimatabend“
mit Axel Klingenberg, Jan Off und Frank Schäfer
im Rahmen des Braunschweiger Satirefestes 2008 in der Brunsviga
Wann: 14. März 2008, 20.00 Uhr
Wo: Brunsviga, Karlstr. 35, Braunschweig
(http://www.brunsviga-kulturzentrum.de)

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