Seit zwei Monaten hat BS Energy von sich aus den Bezug von weichem Harzwasser um ein Drittel reduziert, dafür wird nun ein Drittel wesentlich härteres Grundwasser aus Börßum beigemischt (mit einer Härte von etwa 14 Grad). Nun müssen sich rund 217.000 Haushalte in unserer Region mit einer Änderung abfinden, die schon eine ganze Menge an Kritik und Ärger hervorgerufen hat. Viele Leserbriefe an die BZ, aber auch Äußerungen im Kollegen- und Bekanntenkreis zeugen davon: Beschwerden über den Geschmack, aber auch über Kalkablagerungen häufen sich, da wirken die Ratschläge von BS Energy, kein Wasser zu trinken, das über längere Zeit in der Leitung gestanden habe, ziemlich hilflos. Vorher gefragt wurden die Bürger ohnehin nicht, denn BS Energy hat das Wasser – Monopol.
Nun aber zeichnet sich eine dramatische Entwicklung ab, die dazu führen könnte, dass wir in einigen Jahren weniger oder gar kein weiches Harzwasser mehr bekommen: BS Energy prüft nämlich, aus den Harzwasserwerken auszusteigen und seinen 10 Prozent – Kapitalanteil zu verkaufen, wie die BZ am 26. März mitteilt. Wollte die Stadt Braunschweig den Bezug von weichem Harzwasser auf Dauer für ihre Bürger sichern, müsste sie die Beteiligung unbedingt aufrechterhalten, denn natürlich werden die Anteilseigner des Unternehmens bevorzugt versorgt, falls es einmal Knappheiten geben sollte.
War also der Bau der Wasserleitung von Börßum nach Braunschweig nur der erste Schritt, um sich auf Dauer von den Harzwasserwerken verabschieden zu können?
Einiges scheint dafür zu sprechen:
BS Energy selbst wollte schon im Januar „nicht ausschließen“, dass sich „der Wassermix in Zukunft verändern wird“, also weiter als schon beschlossen und inzwischen umgesetzt. Die neue Trinkwasserleitung schaffe „neue Potentiale für die Gestaltung zukünftiger Wassermixe“, was ja nur heißen kann: mehr aus Börßum, weniger (und irgendwann einmal vielleicht sogar gar nichts mehr) von den Harzwasserwerken. Da wirkt die Bemerkung, dass es aktuell solche weitergehenden Pläne nicht gebe, nicht sehr beruhigend. Auch der Hinweis, dass man das „im Austausch mit externen Expertinnen, auch der TU“ klären werde, stimmt nicht unbedingt optimistischer, wenn man sich an den Ausspruch des Experten Professor Schöniger vom Leichtweißinstitut der TU erinnert, die Braunschweiger seien „lange schlicht verwöhnt gewesen, was ihr extrem weiches Harzwasser angehe“. Die Kritik am neuen Wassermix betrachtete er als „Jammern auf hohem Niveau“. (Alle Zitate aus BZ, 4.1.24)
- Offenbar spielte der Preis des Grundwassers aus Börßum eine wesentliche Rolle für die Entscheidung, den neuen Mix einzuführen. So zitiert die Braunschweiger Zeitung Professor Günter Meon (ebenfalls Leichtweißinstitut, bis 2022), den die Begründung von BS Energy für die neue Wasserleitung nicht überzeugt. Er vermutet „rein betriebswirtschaftliche Gründe“, das heißt, das Wasser aus Börßum ist wohl deutlich billiger (BZ, 9.2.24). Wenn das aber so ist, dann liegt es nur in der „betriebswirtschaftlichen“ Logik, dass man den Anteil dieses billigeren Wassers so weit wie möglich steigert, sobald es die Vertragslage zulässt. Und wenn man dann den Anteil an den Harzwasserwerken verkauft hätte, könnte man immer argumentieren, dass diese Wasserwerke der Stadt Braunschweig nicht mehr genug und nicht mehr zuverlässig lieferten, weshalb man nun – „leider!“ – verstärkt auf Börßum oder andere Quellen zurückgreifen müsse.
- Verstärkt wird dieser Eindruck noch dadurch, dass sich inzwischen abzeichnet,dass die Begründung für die neue Wasserleitung und den neuen Mix nicht zwingend war. Sie lautete: durch den Klimawandel könnten in den Harzer Talsperren Knappheiten auftreten, so dass man sich vorsorglich um andere Bezugsquellen kümmern müsse. Das hat Vielen eingeleuchtet, den Verfasser dieser Zeilen eingeschlossen. Nun aber berichtet Johannes Kaufmann in der BZ vom 9. Februar, dass der oben genannte Professor Meon in einer umfassenden Studie zum Ergebnis kam, dass Extremjahre wie 2018 sich keineswegs häufen werden; es werde zwar eine Verschiebung der Niederschläge über das Jahr geben, aber nicht immer mehr trockene Jahre. Meons Studie hat übrigens verschiedene Szenarien immerhin bis zum Jahr 2100 entworfen und ausgewertet. Auch der Sprecher der Harzwasserwerke, Norman Droste, weist darauf hin, dass auch in den Trockenjahren ab 2018 die Trinkwasserversorgung stets vollständig aufrechterhalten werden konnte (Schreiben vom 12. Februar an den Braunschweig-Spiegel). Und in diesem Jahr gibt es bekanntlich erst recht keine Probleme.
Daseinsvorsorge erfordert dauerhaft sichere Zufuhr guten Trinkwassers
Droste weist auch darauf hin, dass die Harzwasserwerke sich durchaus mit den Auswirkungen des Klimawandels befassen. Jährlich bis zu 30 Millionen Euro an Investitionen seien bereits für die Modernisierung des Leitungsnetzes sowie der Technik an Talsperren und Grundwasserwerken eingeplant; auch bauliche Veränderungen an den Talsperren seien denkbar.
Die Sicherung unserer Trinkwasserversorgung ist eine wichtige Aufgabe der Daseinsvorsorge. Angemessen wäre deshalb, dass der Staat diese Aufgabe übernimmt, zumindest als Hauptverantwortlicher. Leider hat die Landesregierung 1996 aber die Harzwasserwerke privatisiert, die Anteile gingen an verschiedene Kommunen wie Braunschweig, Bremen usw. und an die Avacon (Anteil: 20,8 Prozent). Die Aufgabe bleibt aber dieselbe, wer auch immer nun zuständig ist. Das Problem: die Stadt hat seinerzeit ihren direkten Zugriff zugunsten der Firma Veolia aufgegeben, die bei BS Energy mehr als 50 Prozent hält. Die Stadt selber hält etwa 25 Prozent, so dass BS Energy nun auch über den Anteil an den Harzwasserwerken verfügt, die Stadt hat nur indirekten Einfluss.
CDU macht den Anfang – und was macht die rotgrüne Mehrheit im Rat?
In der Vergangenheit warf die Beteiligung an den Harzwasserwerken schöne Gewinnausschüttungen ab, im Zuge der nun erforderlichen Investitionen sinkt die Rendite deutlich. Ist das vielleicht – neben einem beachtlichen Verkaufserlös – ein weiterer Grund, warum BS Energy den Anteil verkaufen möchte?
Der CDU kommt das Verdienst zu, die Braunschweiger auf die Entwicklung aufmerksam gemacht zu haben. Sie weist auf die vielfältigen Aufgaben hin, die in unser aller Interesse von den Harzwasserwerken zu erfüllen sind und fordert:
„Daher sollte nicht über einen Verkauf von Anteilen, der den kommunalen Einfluss weiter schwächen würde, nachgedacht werden. Es müssen alle Möglichkeiten zur Stärkung Braunschweigs geprüft werden.“ (CDU-Pressemiteilung 22.3.24)
Sie hält sogar den Kauf weiterer Anteile wie einen Wiedereinstieg des Landes Niedersachsen für erwägenswert.
Inzwischen hat auch die BIBS-Fraktion den Verkauf der Anteile abgelehnt. Völlig zu Recht fordert sie zudem, dass das Thema in der Öffentlichkeit diskutiert werden muss.
Klare Ansage: Jetzt ist OB Dr. Kornblum gefordert
Von der Stadt Braunschweig, besonders von ihrem Oberbürgermeister hat man in dieser Sache bisher nicht viel gehört. Das ist umso erstaunlicher, als Dr. Kornblum der Aufsichtsratsvorsitzende von BS Energy ist. Übrigens haben daneben die Sozialdemokraten, die Grünen und die CDU je einen Sitz im Aufsichtsrat. Man war also über die inzwischen umgesetzten Pläne des neuen Wassermixes ebenso im Bilde, wie man es jetzt über die bekannt gewordenen Überlegungen für weitere Schritte sein dürfte.
Aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger wäre es nicht akzeptabel, wenn die Stadt – also der Rat wie der OB – die Veolia machen ließe, was auch immer sie vorhat.
Spätestens jetzt sollte klar und unmissverständlich formuliert werden, dass weitere Schritte zum Ausstieg aus den Harzwasserwerken und zu jedem weiter veränderten Wassermix im Interesse der Bürger unserer Stadt nicht in Frage kommen. Veolia braucht da offenbar eine klare Ansage.
Update, 30.3.2024:
Dankenswerterweise sind wir darauf hingewiesen worden, dass BS Energy – wohl im Jahr 2022 – einen Vertrag mit den Harzwasserwerken abgeschlossen hat, der Ende 2032 ausläuft. Wenn also vor diesem Datum der Anteil an den Wasserwerken verkauft werden würde, träte das Szenario ein, das im Artikel beschrieben wird. Und der Vertrag mit Avacon zum Wasser aus Börßum läuft zum selben Zeitpunkt aus. In der Überschrift haben wir deshalb das „bald“ durch „in einigen Jahren“ ersetzt, dem entsprechend haben wir den Text an zwei Stellen geändert. (a.m.)
Danke für diesen extrem wichtigen Beitrag; natürlich hat die Versorgung mit Trinkwasser in öffentlicher Hand zu sein, sie gehört mit zur Daseinsvorsorge!
Der Ordnung halber an dieser Stelle der Hinweis auf einige Ungereimtheiten, bzw. falsche Darstellungen, die aber an der Grundaussage nichts ändern.
Zur Darstellung der Eigentumsverhältnisse Harzwasserwerke (HWW):
Die Stadt Braunschweig hat seinerzeit nicht „…ihren direkten Zugriff zugunsten der Firma Veolia aufgegeben, die bei BS Energy mehr als 50 Prozent hält. Die Stadt selber hält etwa 25 Prozent, so dass BS Energy nun auch über den Anteil an den Harzwasserwerken verfügt, die Stadt hat nur indirekten Einfluss….“
Korrekt ist, dass die damaligen Stadtwerke, ein hochprofitables Unternehmen, im Zuge des sog. „Unbundlings“ und des „Auslaufens“ von Konzessionen einen strategischen Partner suchten.
In diese Zeit fiel dann die Wahl von Dr. Hoffmann (CDU) zum Oberbürgermeister. Der selbsternannte Haushaltssanierer erkannte seine Chance und verscherbelte mit Hilfe der willfährigen CDU den Geldbringer Versorgungs- AG an die Texaner TXU; bei der Stadt blieben die wenig profitablen Verkehrsbetriebe, die organisatorisch gut aufgestellte Obergesellschaft Stadtwerke wurde zerschlagen! (Hinter vorgehaltener Hand musste diese „Rote Burg“ weg…).
TXU musste sich kurze Zeit später aus Europa zurückziehen und der französische Mischwarenkonzern Veolia trat an deren Stelle und erwarb die 74,9% der Anteile an der sich nun bs-energy nennenden Versorgungs- AG; seither fließt Braunschweiger Geld nach Frankreich!
Bei der Stadt blieb eine Sperrminorität von 25%+1 Aktie.
Aber auch das ist inzwischen Geschichte: Veolia wurde mit seinen bs-energy wohl nicht so glücklich und suchte für ca. 25% seiner Anteile einen Interessenten.
Die Stadt BS, jetzt unter einem anderen OB, hatte leider nicht den Mut, in Zeiten von 0%-Zinsen diese Anteile zu übernehmen und wieder Herr im Hause zu werden; stattdessen suchte man einen kommunal gesteuerten Partner und fand ihn in der „Thüringer Gasgesellschaft“ (ThüGa).
Es verwundert wenig, wenn auch dieses überregional agierende Unternehmen rein kapitalistischem Gedankengut verpflichtet ist, deshalb die „Gedankenspielereien“ zum Verkauf der Anteile an den HWW.
Die CDU jetzt aber für „ihren Verdienst“ zu loben, ist wohl eher den Bock zum Gärtner zu machen, waren es doch deren damalige Ratsmitglieder, die brav den finanzakrobatischen Vorstellungen ihres OBs folgten, den Verkauf mit ihrer 1-Stimmenmehrheit durch den Rat gedrückt und die jetzige Misere zu verantworten haben!
Das staatsmännische „Jammern“ der CDU ist wohl unter der Rubrik „Heuchelei“ einzuordnen!
An dieser Stelle sei eine Anmerkung erlaubt: Es ist erstaunlich, nein, faszinierend, wie eine Partei, die zig Jahre in Bund, Land und Stadt in der Verantwortung war, sich jetzt einen extrem „schlanken Fuß macht“ und die reihenweise gemachten Fehler und Unterlassungen in ihrer Wirkung ihren Nachfolgern anlastet, ungestraft!
Unbestreitbar jedoch muß die Stadt unter ihrem jetzigen OB tätig werden, aber nicht, weil es die CDU so will, sondern weil es dringend nötig ist! Es war ja sogar mal ein Braunschweiger Chef der HWW!
Noch etwas: Wer ernst genommen werden will, sollte nicht die Braunschweiger Zeitung (BZ) zitieren, vor allem nicht gewisse Redakteure, deren wissenschaftlich-journalistische Reputation eher im historischen Dunkel zu liegen scheint…