Wir brauchen Radwege-Ausbau, nicht Abbau!

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Vorbemerkung der Redaktion: Uns erreichte ein Leserbrief aus Großbritannien zur Braunschweiger Radwege-Situation. Es handelt sich um einen Beitrag zur Diskussion um die zunehmende Nutzung der Fahrbahnen, hier insbesondere auch in Form von Fahrradschutzstreifen. Der ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrradclub) propagiert dies und hat heftige Diskussionen provoziert. Zuletzt im Zusammenhang mit der Kastanienallee, für die inzwischen die Nutzung des kombinierten Fuß-/Radweges wieder freigegeben wurde – nach heftigen Protesten der Bevölkerung. Auch der geplante Ausbau des Messewegs sorgte und sorgt für Proteste: Sicherheit und Akzeptanz der vorgesehenen Schutzstreifen werden stark angezweifelt, insbesondere wegen des hohen Verkehrsaufkommens, des kurvigen Verlaufs und des Gefälles dieser Straße. – Hier der Leserbrief:

 

Wir brauchen Radwege-Ausbau, nicht Abbau!

Ich bin ursprüngliche Braunschweigerin. Nach dem Abschluss meines Bau-Ing.-Studiums an der TU-BS bin ich dann jedoch ins Ausland ausgewandert – wo ich nun seit Jahr und Tag in Newcastle, Nordengland, wohne. Wenn ich dann in meiner Heimatstadt mal zu Besuch vorbeischaue, finde ich das schon merkwürdig: Ich habe bemerkt, dass die Stadt Braunschweig wohl ihre Radwege zurückbaut! Die sollten doch wohl eher ausgebaut, erweitert, verbreitert und verbessert werden, oder?

Es ist doch ganz wichtig, dass subjektives Sicherheitgefühl und Komfort angeboten werden und auch objektive Sicherheit gewährleistet wird. Sagt ja auch die ADFC-Hauptzentrale, siehe 1). Wer, außer den Adrenalin-Junkies, will sich denn schon mit generell ungeduldigen und dann vielleicht auch manchmal eben aggressiven Autofahrern die Fahrfläche teilen? Rücksichtnahme ist da ganz schnell vergessen (man sollte mal Daniel Kahneman lesen, auch Tom Vanderbuilt hat dazu viel zu sagen).

Da kann ich die Stadt Braunschweig nur warnen: in Newcastle, wo es überhaupt keine Radwege gibt und blind auf sogenannte Rücksichtnahme vertraut wird, fahren auch dementsprechend wenige mit dem Rad (so um 2% herum).

Die Studien, die angeblich belegen, dass Seitenstraßen und Kreuzungen Gefahrenpunkte für Radwege sind, müssen viel mehr unter die Lupe genommen werden. Denn die besagen, wenn man richtig hinguckt, dass die detaillierte Berechnung und Raumauslegung wichtig ist, um Sichtbarkeit und eine langsamere KfZ-Fahrweise zu schaffen. So kann man Verkehrs-Knotenpunkte sicher gestalten – auch mit Radwegen.

Ich wundere mich aber. Was macht denn da der örtliche ADFC-Verein? Der sollte sich doch wohl für Radfahrbedingungen für alle – jung, alt, Frau, Mann, Kind und Kegel – einsetzen? Und da brauchen wir halt gute, direkte, breite Radwege. Mag der lokale ADFC die denn nicht? Welcher Radfahrer will denn schon im Stau stehen, umgeben von stinkenden Autoabgasen? Um solche Situationen zu vermeiden, dafür braucht man auch Radwege.

Ich hoffe dann mal, dass die Braunschweiger Stadtverwaltung auch genau und sauber ihre Daten sammelt: Wer fährt, wann, wieviel, wo, welche Straßen und warum (und so weiter). Wichtig ist dies, um zu verhindern, dass der Radverkehr vielleicht zurückgeht – es muss rechtzeitig die Notbremse gezogen werden und der Radwege(wieder)aufbau beginnen!

Mit bestem Gruß

Katja Leyendecker

(Dipl-Ing Eur-Ing) Newcastle upon Tyne, England, Doktorandin der Northumbria University in Newcastle

 

1) http://www.adfc.de/news/archiv-news-2014/leitfaden-zur-foerderung-des-radverkehrs-veroeffentlicht-

 

Links:

http://katsdekker.wordpress.com – my blog
http://newcycling.org – Newcastle Cycling Campaign

8 Kommentare

  1. Danke für den lesenswerten Beitrag. Leider fordern manche im ADFC allen Ernstes den Rückbau der Radwege. Das freut die Autolobby und die Ölkonzerne. Die Mehrheit der Alltagsradler ist jedoch entsetzt darüber – zu Recht.

  2. Wenn ich mit dem Rad unterwegs bin, und das bin ich jeden Tag, dann entscheide ich wo ich fahre. Es ist schließlich mein Leben.
    Ansonsten verhalte ich mich in der Regel im Rahmen der StVO.

    Ich will nicht, dass in meiner Todesanzeige in der BZ steht: „Er hielt sich an Gesetz und Ordnung – deshalb musste er sterben.“

    Der Messeweg wird nach dem Ausbau lebensgefährlich werden, denn LKWs über 7 t dürfen dann dort auch fahren – also dicke Brummis. Mit denen lege ich mich als Radler doch nicht an. Lieber ein Sack voll Knöllchen!
    Auch auf dem Bürgersteig, ohne Fahrradmarkierung fahre ich. Selten fahre ich auf der Straße mit Fahrradmarkierung. Diese erscheint mir immer zu eng und Ausweichmanöver sind kaum möglich.

    Mein Leben und meine Unversehrtheit sind mir zu wertvoll, als dass ich Vertrauen haben könnte in Straßenplaner, Verkehrsexperten und Auto- und LKWfahrer. Da nehme ich dann auch mal ein Knöllchen in Kauf.

  3. Die Benutzung von Radwegen ist viel gefährlicher als das Fahren auf der Fahrbahn, so der heutige Stand der Wissenschaft. Wer sich auf der Fahrbahn unsicher fühlt, kann ja in Begleitung fahren. Denn nur nur so ändert sich etwas, je mehr Radfahrer auf der Fahrbahn fahren, desto besser für alle – auch für die Fußgänger, die sich ihren Gehweg nicht mehr mit einem dort abgeteilten Radweg teilen müssen und mit den Radfahrern in Konflikt geraten.

    Jeden letzten Freitag im Monat um 19 Uhr am HBF kann das ausprobiert werden, siehe

    • Stand der Wissenschaft ist, daß Radwege sicher sind, wenn sie auch regelgerecht und richtig gestaltet sind. Deswegen muß ich nachfragen, wo genau Sie denn Ihren Wissenschaftsstand her bekommen. Sie können auch gerne Ihren Namen angeben, wenn das möglich wäre. Das macht mehr Spaß, sich mit einem Menschen auszutauschen.

      Radfahren für all ist das Ziel

      Vielleicht kann ich noch hinzufügen, daß auf nationaler Ebene der ADFC nun sehr aufgeweckt agiert.Der Bundes-ADFC hat mittlerweile große Schritte unternommen, um es klarer darzustellen: es müssen Radfahrenbedingungen geschaffen werden, die alleumfaßt (also nicht nur die Starken und Schnellen)

      „Wir treten für die Umverteilung des Verkehrsraums in den Kommunen zugunsten des Fuß- und Radverkehrs und zu Lasten des ruhenden und fließenden motorisierten Individualverkehrs ein. Unser Ziel ist die Schaffung einer Verkehrsinfrastruktur, auf der alle sicher, komfortabel und zügig Radfahren können.“ Bunderhauptversammlung 2015 http://www.adfc.de/news/archiv-news-2015/adfc-bundeshauptversammlung-2015-in-dresden

      Und gut gestaltete Fußwege brauchen wir so und so. Das sagen Sie ja auch.

      • Du kannst doch bestimmt selber googlen, oder?! Und natürlich bin ich ein Mensch, auch wenn ich lieber im „Name“-Feld ein Pseudonym eintrage. Welche Gestaltungsregeln von Radwegen verhindern denn, daß Radfahrer von KFZ-Abbiegern oder an Grundstücksausfahrten übersehen werden können (zB. die vielen Radfahrer, die von abbiegenden LKW überrollt wurden)? Oder die leidigen Geisterfahrer? Oder all die Hindernisse, wie sich öffnende Autotüren, Verkehrsschilder, Mülltonnen und Baustellen, Falschparker, Glasscherben, usw.. Schonmal versucht, einen Radfahrer auf dem Radweg zu überholen? Radwege existieren doch nur, damit der Autoverkehr die Fahbahn für sich alleine hat und durch die langsameren Radfahrer nicht behindert wird. Die bessere Lösung wäre ein Tempolimit von 20 oder 30 km/h, wie gut das Fahrbahnfahren dann funktioniert, kann man auf der schon erwähnten CM erleben.

    • Nachdem ganz Braunschweig auf maximales Tempo-20 verkehrsberuhigt ist, bin ich bereit den Vorschlag ohne „Schutzzone aus dickem Blech mit dicker weicher Innenpolsterung“ auszuprobieren …
      Mein aktueller Bedarf an Autofahrern die mich anpöbeln ist auch so schon gut gedeckt, meine Hoffnung auf mehr Rücksicht wird täglich Lügen gestraft.

      Zum einfacheren Verständnis der Interessens- und Möglichkeitskonflikte empfehle ich einen gelegentlichen Rollentausch von „zu Fuß unterwegs-radfahrend-autofahrend-LKW-motorradfahrend …“

      Solange sich an der Priorität „Auto (oder sogar Mini-Panzer (SUV) für alle und überall“ nichts ändert haben wir eher eine Verschlimmbesserung in der Koexistenz unterschiedlicher Verkehrsmittel.

      Ich steige selbst immer weniger durch im oft sinnfreien bzw. nicht nachvollziehbaren Varianten-Djungel unseres Straßenverkehr-Regelsystem. Ganz Braunschweig ein Versuchslabor? Wie soll man eigentlich einem Kind erklären sich hier angemessen zu verhalten … ??

      Füßgänger und Radfahrer sind nunmal grundsätzlich die Schwächeren und ungeschützt …

      Darf gar nicht dran denken was passiert wenn telefonierende, sms lesende/schickende Autofahrer und Autofahrerinnen, (ich vergaß die Beachtung des Navis, … und aufmerksamkeitsheischende Riesen-Leuchtwerbung (Haus der BZ, Lange Strasse) und natürlich die leistungsstarke Beschallung mit der Lieblingsmusik) – auf noch mehr als jetzt achten müssen …

      Soweit, so schlecht … bald ist möglicherweise vielleicht wieder Karnevalsumzug – da ist Braunschweig dann stellenweise mal autofrei auf der Fahrbahn …

      • Ja, das stimmt. Das Problem sind die aggressiven Autofahrer und es gilt das Recht des Stärkeren. Eine Verbesserung der Situation ist nur möglich, wenn mehr Radfahrer die Fahrbahn benutzen würden.

  4. Sehr geehrte Frau Leyendecker,

    ich stimme Ihnen nur teilweise zu, denn die Radwege, die derzeit entfernt werden, bzw. deren Radwegbenutzungspflicht aufgehoben wird, entsprechen in keinster Weise den aktuellen gesetzlichen Anforderungen, oder sind durch Schäden (Wurzelhuckel, Schlaglöcher) schlecht befahrbar geworden. Auf der Kastanienallee innerhalb des Rings zum Beispiel besehen die „Radwege“ beiderseits nur aus etwa 50 cm breiten Streifen, wo zum Teil Lampenmasten gefährlich nahe stehen und Berufschüler die Raucherpause außerhalb des Schulgeländes machen.
    Außerhalb des Ringes konnte man ebenfalls keine vorschriftsmäßigen Radwege anlegen und markierte auf dem Gehweg einen viel zu schmalen Streifen. Fußgänger laufen dort regelmäßig unerwartet vor die Radfahrer.

    Mit der Aufhebung der sogenannten Radwegbenutzungspflicht (Abbau der StVO-Zeichen 237,240 und 241) gelten diese Wege als „andere Radwege“ und die Benutzung dieser Wege ist freiwillig.
    Radfahrer werden dadurch näher dem restlichen Individualverkehr auf der Fahrbahn angenähert.
    Zur Radwegbenutzungspflicht siehe hier:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Radverkehrsanlage#Deutschland

    Ich sehe auch die Nachteile dieser Maßnahmen, allerdings gibt es noch viel irrsinnigere Maßnahmen, wie die neuen Rot-Gelb-Grün-Ampeln für Radfahrer, die viele verwirren (Radfahrer halten in der Mittelinsel bei Fußgängerrot an, obwohl sie noch grün haben, dieses aber nicht sehen können), zu kurze Grünphasen, vor der Mittelinsel grün, hinten Rot uvm. An diesen neuen Ampeln kann man auch nicht mehr vernünftig links abbiegen, weil man meistens eine Schleife zur anderen Ampel fahren muss, oder als „mutiger“ Radfahrer vor wie die PKW mitten in die Kreuzung fahren soll, letzteres kommt fast einem Suizid gleich, ersteres geht nur über den Gehweg.

    Der Ausbau von Radwegen verläuft schleichend, zum Beispiel schleppt sich der sogenannte Ringgleisradweg vor sich hin. Hier könnte man ganz prima um die ganze Stadt und in Naherholungsgebiete abseits von Straßen über tolle Aussichtspunkte (Echobrücke am Kennelbad) radeln, wenn er den komplett fertig gestellt wäre.

    Mit freundlichen Grüßen,
    ein Radfahrer

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