Wie aus einer kriminellen Tat ein Politikum wird

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Ein Politikum zu dem sowohl der russische, als auch der deutsche Außenminister Stellung bezieht. Der Stoff könnte das Drehbuch für einen skandinavischen Krimi hergeben. Um die Vorgänge einfach darzustellen, werde ich zuerst die kriminelle Tat beschreiben und dann das Politikum das daraus gemacht wurde. Wenn man am Ende eine DPA-Meldung vom Wochenende und die Darstellung des Anwalts des 13-jährigen Mädchens vergleicht, kann man kaum glauben, dass es sich um den selben Fall handelt.
Ach das war doch nur eine Ente – oder doch nicht?

Das kriminelle Geschehen

Ein 13-jähriges Mädchen wird nach der Schule von zwei erwachsenen Männern missbraucht oder vergewaltigt. Das Mädchen wird von den Eltern 30 Stunden vermisst. Nach der Tat geht die Familie zur Polizei um eine Vergewaltigung anzuzeigen. Die Untersuchung ergibt bei dem Mädchen Verletzungen und sexuelle Spuren von 2 Männern. Das ist nach deutschem Recht in jedem Fall Missbrauch einer Minderjährigen und keine Ente. Die Polizei spricht 3 Stunden mit dem 13-jährige Mädchen und sagt dann angeblich der Familie, sie fände die Aussage nicht glaubwürdig und es würde daher nicht weiter ermittelt.
Inzwischen sind die beiden 20-jährigen Männer doch ermittelt worden. Ob es auch eine Vergewaltigung nach deutschem Recht ist, kann erst ein Gericht feststellen, denn es gibt dabei, wie meistens, eine unterschiedliche Darstellung von Opfer- und Täterseite.
Nach der DPA-Meldung, auf die ich nachher noch eingehe, hat das Mädchen nach der Tat erst bei einem Freund Zuflucht gesucht, bevor es zur Familie gegangen ist und war demnach nicht 30 Stunden in den Händen der Täter.

Das Politikum

Das Mädchen ist Russlanddeutsche. Der Vorfall sorgt bei den russischsprachigen Berlinern für viel Aufsehen. Ein Journalist des russischen Fernsehens wird auf den Fall aufmerksam und recherchiert. Er besucht die Familie und bringt einen Beitrag für das russische Fernsehen.
Jetzt interessieren sich auch deutsche Medien. In vielen deutschen Medien wird jetzt gegen die russische Berichterstattung geschimpft (u.a Spiegel online, Die Welt, Tagesspiegel, Telepolis). Durch einen dieser Artikel bin ich auf den Fall aufmerksam geworden, weil er in sich unlogisch war und ich die Reaktionen hysterisch fand.
Es kommt zu einer Demonstration von russischsprachigen Berlinern.
Scheinbar wird doch wieder ermittelt und die Täter werden festgestellt.
Der russische Außenminister Lawrow wird innerhalb einer Pressekonferenz nach diesem Fall befragt. Er sagt, dass die russische Botschaft sich darum kümmert und die Familie mit einem Anwalt unterstützen wird.
DPA-Meldung am 28.Januar in der Braunschweiger Zeitung:
„Steinmeier kritisiert Lawrows Spekulationen
Die Bundesregierung hat Russland davor gewarnt, mit Berichten über die angebliche Vergewaltigung einer Russlanddeutschen in Berlin Unfrieden zu stiften…“

Eine weitere DPA-Meldung vom 30.Januar in der Braunschweiger Zeitung:
„Junge Russlanddeutsche hatte Schulprobleme“
Nach dieser Meldung hat das Mädchen nach der Tat Zuflucht bei einem Freund gesucht und ist erst dann zur Familie zurückgekehrt.
Auch wenn das Mädchen die Zuflucht bei dem Freund verschwiegen haben sollte, ändert sich nicht der nachgewiesene Missbrauch und der Vorwurf der Vergewaltigung. Auch wenn das Mädchen wirklich Schulprobleme hatte, ist das völlig nebensächlich gegenüber dem Missbrauch. Am Ende der DPA-Meldung: „Zwei andere Männer sollen vor Ihrem Verschwinden sexuellen Kontakt zu dem Mädchen gehabt haben“. Das ist doch mal eine nette Umschreibung des Missbrauchs oder der Vergewaltigung an einem 13 jährigen Mädchen.

Die Darstellung des Anwalts und des russischen Journalisten, der den Fall recherchierte auf RT Deutsch.

In einem anderen Zusammenhang stieß ich auf die Meldung, dass in Berlin 2014 rund 9000 Haftbefehle nicht von der Polizei vollstreckt werden konnten. (Aus einem interessanten Artikel in spiegel.de ) Dies hinterlässt einen recht desolaten Eindruck bei der Bekämpfung der Kriminalität in Berlin.

2 Kommentare

  1. Als Ergänzung dieser Darstellung würde ich mich nicht nur die Darstellung des russischen Journalisten bzw. des Anwaltes der Familie interessieren, sondern auch für den ‚Untersuchungsbericht‘, der als Grundlage für die Tatsachfeststellung einer kriminellen Tat herangezogen wird. Ansonsten würde sich auch diese Darstellung nur in die evtl. einseitigen und evlt. interessengeleiteten Behauptungen einreihen. Das wäre ziemlich schade!

    • Bei der Pressestelle der Berliner Staatsanwaltschaft erfuhr ich am 2.2.2016 folgendes:
      Wir ermitteln wegen schweren sexuellen Kindesmissbrauch. Dies bezieht sich aber nicht auf die 30 Stunden, in denen das Kind verschwunden war. Auf die Frage, ob es sich auf die Zeit nach der Schule, oder auf einen früheren Zeitraum bezieht, bekam ich die Antwort: Wir ermitteln dazu noch und geben keine Auskunft. Wenn das Mädchen länger als 30 Stunden zwischen Schule und Elternhaus weg war, z.B. 36 Stunden, dann kann nach dieser Aussage doch der Missbrauch zwischen Schule und dem Wiederauftauchen stattgefunden haben. Diese Variante würde sich mit den früheren Aussagen decken. Dies erfährt der Journalist aber nur durch penetrantes Nachfragen. Es wird allerdings auch nach §156 (falsche eidesstattliche Aussage) ermittelt.
      Der Autor

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