Wein mit Würde

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KONTEXT – Wochenzeitung –  Pit Wuhrer – 9.8.2017

Kapstadt

Im wirtschaftlich immer noch von Weißen dominierten Südafrika übernimmt die vorwiegend schwarze Belegschaft das größte Bioweingut des Landes. Die stille Revolution im Kleinen wird von einem baden-württembergischen Weinhändler und einem Verein im Landkreis Konstanz gefördert.

 

Zufahrt zu einem Weingut  in Südafrika

Mittagspause. Im Schatten eines großen Baums sitzen Andries Tromb und Chris Jacobs. Den ganzen Morgen über waren sie mit ihren acht Kollegen in den Reben gewesen, haben Stöcke beschnitten, den Boden bearbeitet, Unkraut gejätet. Ein harter Job, auch wenn vom Atlantik her eine Brise weht, die ihre Arbeit unter der sengenden Sonne Südafrikas etwas erträglicher macht. Müde blicken sie unter ihren Hüten hervor. Und doch klagen sie nicht.

„Der Lohn könnte zwar etwas höher sein“, sagt Tromb, 50, der seit über zwanzig Jahren auf der Farm von Wilhelm Steenkamp arbeitet, „er liegt aber deutlich über dem für die Branche vereinbarten Mindestlohn“. Der bringt rund neun Euro am Tag – und nicht einmal das zahlen die meisten Weinfarmer. „Hier erhalten wir auch Überstundenzuschläge und sind medizinisch gut versorgt. Außerdem bekomme ich jedes Jahr Anteile am Gesamtbetrieb gutgeschrieben“, sagt Tromb. Die will er sich auszahlen lassen, wenn er in Rente geht. Jacobs, 30 Jahre alt, findet ökologische und politische Aspekte ebenso wichtig: „Erstens bin ich hier nicht den Giften ausgesetzt wie die Kollegen auf konventionell betriebenen Weingütern“, zählt er auf, „zweitens werde ich respektiert. Und drittens gibt es gewählte Arbeiterkomitees, die unsere Interessen vertreten.“

 

Eine funktionierende Belegschaftsvertretung in einem Land, in dem 23 Jahre nach Ende der Apartheid die Chefs noch immer zumeist weiß und die Untergebenen schwarz sind? Das erstaunt. Schließlich wird im südafrikanischen Weinsektor immer noch mit harten Bandagen gekämpft. So streikten Ende 2016 die LandarbeiterInnen der Robertson Winery, einem der größten Weinbetriebe des Lands, vierzehn Wochen lang – und konnten am Ende doch kaum mehr als den Inflationsausgleich durchsetzen.

Die Trauben der Rebstöcke, die Tromb, Jacobs und ihre Kollegen auf Steenkamps Farm pflanzen, hochbinden, pflegen und schließlich ernten, sind für Stellar Organics bestimmt. Diese Bio-Weinkellerei – dreihundert Kilometer nördlich von Kapstadt zwischen den Kleinstädten Vredendal und Klawer gelegen – hat ein Modell geschaffen, das der traditionell hierarchisch strukturierten und von Weißen beherrschten südafrikanischen Weinbranche den Weg in eine andere Zukunft weisen könnte. …

Foto: AbL Newsletteer

Spektakulär aber sind hier die vielfach ausgezeichnete Weine, teilweise ohne Schwefelzusatz. Und vor allem die Menschen. Leute wie Willem Roussow zum Beispiel, Gründer, Geschäftsführer und mit 28 Prozent größter Anteilseigner von Stellar Organics.

Der 46-Jährige hatte von Anfang an, schon beim Aufbau ab 1999, auf biologischen Anbau gesetzt. Und sich für Fairtrade engagiert, als dieses Konzept in Südafrika Fuß zu fassen begann. Warum? „Weil es allen nützt, den Beschäftigten und dem Betrieb.“ …

Auch Martin Theys gehört zu den Persönlichkeiten, die Stellar zu einem besonderen Weingut machen. Der ehemalige Lehrer aus der Provinz Northern Cape bezeichnet sich selber als „Hausmeister des Betriebs“, weil alle nach ihm rufen, wenn etwas nicht funktioniert. Aber damit untertreibt er ein bisschen: Der 59-jährige Coloured – so nennen sich im Western Cape die Angehörigen der oft Afrikaans sprechenden Bevölkerungsgruppe multiethnischer Herkunft – ist Präsident der Belegschaftsfirma Stellar Trust, die schon früh vom Weingut gegründet worden war. Sie hält derzeit 26 Prozent der Stellar-Anteile und gehört den rund 180 ArbeiterInnen – also den Önologen, Lastwagenfahrern, Verwaltungsangestellten, Abfüllern, Etikettiererinnen in der Kellerei. Und den LandarbeiterInnen auf den elf Farmen, die Stellar Organics mit Trauben beliefern.

Das sorgt dafür, dass der Trust in allen Belangen mitentscheiden kann (Theys sitzt auch im Direktorium des Weinguts) und dass den Arbeitern „alle Türen offen stehen“. Natürlich gebe es immer wieder Auseinandersetzungen, sagt Theys, „doch die Hierarchien sind flach“. Und sie werden weiter eingeebnet. Jenseits des Zauns, der die Kellerei umgibt, planieren zwei Bulldozzer die rote Erde. Die Nachfrage nach Stellar-Weinen wachse beständig, erläutert der etwas andere Hausmeister. Und so entsteht gerade auf einer Fläche von 128 Hektar ein neues Rebbaugebiet. Die Firma, die es künftig betreiben wird, gehört größtenteils der schwarzen Belegschaft.
Finanziert wird die Investition mit dem Geld, das dem Belegschaftsunternehmen durch die Fairtrade-Beiträge zukommt.

Und damit kommt Konstanz ins Spiel. So zahlt die deutsche Vertriebsfirma – Peter Riegel Weinimport in Orsingen, Landkreis Konstanz – Stellar zehn Eurocent für jede verkaufte Flasche. Und mit Geldern des südafrikanischen Regierungsprogramms Broad-Based Black Economic Empowerment (kurz: BEE), 2004 eingeführt und 2014 erweitert, zielt das Programm auf eine Änderung der Besitzverhältnisse zugunsten der benachteiligten Bevölkerungsmehrheit ab. Das BEE-Konzept weist zwar viele Schwächen auf und wird vielfach kritisiert, auch weil es bislang vor allem einer kleinen schwarzen Mittelschicht zu enormem Reichtum verhalf. Gleichwohl verpflichtet es Firmen zu Ausgleichszahlungen, die die BEE-Kriterien im eigenen Unternehmen nicht umsetzen können oder wollen. Dieses Geld kommt nun auch dem künftigen Rebbaubetrieb der Stellar-Beschäftigen zugute. Ihm hat die BEE-Behörde einen Zuschuss in Höhe von 11,5 Millionen Rand (umgerechnet rund 800 000 Euro) zugesagt und zinsgünstige Kredite aus dem BEE-Fonds in Aussicht gestellt.

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