Vom Ende eines Grundrechts

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Welche Werte sind gemeint? Monetäre oder gesellschaftliche Bearbeitung Corinna Senftleben

Versammlungsfreiheit bezeichnet ein Grundrecht. Es wird unter anderem durch Art. 8 des deutschen Grundgesetzes (GG), Art. 12 der Europäischen Grundrechtecharta, Art. 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention gewährleistet.

Zu Recht sind bisher die Gerichte sehr sensibel mit dem GG-Artikel umgegangen. Es muss bei Versammlungsverboten sehr genau und belastbar belegt werden, warum eine Versammlung nicht genehmigt werden soll, wenn gegen die Genehmigung geklagt wird. Das ist auch gut so, denn Bürger an der Ausübung ihres Grundrechts zu hindern, ist ein schwerer Eingriff in die Grund- und Freiheitsrechte.

Bei den angemeldeten Demonstrationen der Bankenkritiker auf dem Frankfurter Paulsplatz vor der Paulskirche, der „Wiege der deutschen Demokratie“, gegen die demokratiezerstörenden Banken und die Finanzpolitik, die diese Banken unterstützt,  ist anscheinend der politisch-juristische Rubikon überschritten. „Zelten im Schatten der Paulskirche“ darf nicht gestattet werden. Es wird Gefahr gewittert. Anscheinend hat man sich politisch europaweit abgestimmt. In Spanien darf auch nur noch sehr begrenzt gegen die Finanzmachenschaften und Ausplünderungen der europäischen Gesellschaften demonstriert werden.

Man darf gespannt sein, wie die deutsche Medienlandschaft auf die Einschränkung der Grundrechte reagiert. Etwa genau so empfindlich wie gegen die Einschränkung eines anderen Grundrechts, der Pressefreiheit. Man denke nur an den Medien-Hype durch den Anruf des Ex-Bundespräsidenten Herrn Wulff bei dem BILD-Chef Kai Diekmann. Das war natürlich kein Angriff auf die Pressefreiheit sondern schlichte Dummheit des Ex-Präsidenten mit anschließender Medien-Kampagne.

Bei den Demos in Spanien oder in Frankfurt geht es jedoch um grundlegende Machtfragen und das Zurschaustellen unserer bröckelnden Demokratie. Das hat eine andere Dimension, auch für die Medien, denn die sitzen mit im Boot der Macht. Siehe auch: „Die Wachhunde der Machtelite: Noam Chomskys Kritik der Intellektuellen

Das Demo-Verbot der Stadt Frankfurt und die Bestätigung des Verbots durch das Verwaltungsgericht Kassel zeigt auf, dass auch der Artikel 8 des GG vor der Macht der Banken mit politischer und juristischer Unterstützung zu kapitulieren hat. So wird unsere Demokratie weiter ausgehöhlt – nicht von Demonstranten sondern von denen, die vorgeben, unsere Grundrechte und unsere Demokratie schützen zu wollen. Dieses Vorgehen ist nicht unbekannt und wird unten nicht ohne Grund mit Moskauer Methoden verglichen.

Diese Freiheitseinschränkung wäre doch mal ein guter Anlass für unseren neuen Bundespräsidenten seine Stimme der Freiheit zu erheben. Oder ist von ihm vielleicht nur die Freiheit der Mächtigen gemeint? Lesen Sie dazu aus den www.nachdenkseiten.de:

a. Blockupy oder Der Kampf um Europas Demokratie

Nachdem die Stadt Frankfurt einen großen Teil der für diese Woche geplanten Proteste gegen die Kürzungspolitik der EU-Troika verboten hatte, ist das Verwaltungsgericht Kassel heute noch einen Schritt weiter gegangen: Es hat quasi alle Veranstaltungen von Blockupy Frankfurt (bis auf eine Demonstration am Samstag) untersagt – einschließlich Kulturprogramm, Rave-Parade und einer vom Komitee für Grundrechte und Demokratie angemeldeten Demonstration für das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit am 17.5.

Die Verbotsorgie wirft ein seltsames Licht auf das Demokratieverständnis der Stadt Frankfurt und der jeweiligen Gerichte. Das Recht auf Versammlungsfreiheit wird mit Verweis auf zerbrochene Fensterscheiben bei einer vorangegangenen Demonstration kurzer Hand außer Kraft gesetzt – eine vollkommen unverhältnismäßige Reaktion. Mit dem Verbot der Demonstration am 17.5. ist es darüber hinaus sogar untersagt, für die Verteidigung des Rechts auf Versammlungsfreiheit eine Versammlung abzuhalten – eine zirkuläre Logik der Repression.Quelle: Kontext TV

b. Frankfurt okkupiert

Es wurde getrommelt, getanzt, gesungen. Die Stimmung auf dem Frankfurter Paulsplatz war am Donnerstag durchweg friedlich – ganz anders als in den von den örtlichen Behörden verbreiteten Horrorszenarien. Diese hatten mit der Behauptung, 2000 Gewalttäter wollten im Rahmen der »Blockupy«-Aktionstage die Bankenmetropole heimsuchen, sämtliche Veranstaltungen bis auf die Großdemo am Samstag untersagt. Trotz Bestätigung des Pauschalverbots durch die Gerichte versammelten sich am Donnerstag an diversen Orten der Stadt Menschen, um gegen Bankenmacht und Kapitalismus zu protestieren – und gegen die faktische Abschaffung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit. Auch die Präsenz Tausender Polizisten in der gesamten Innenstadt konnte das nicht verhindern.

»Der Versuch, die Versammlungsfreiheit flächendeckend zu unterdrücken, ist grandios gescheitert«, erklärte Christoph Kleine von der Interventionistischen Linken gegenüber junge Welt. »Ich freue mich sehr, dass sich die Leute so friedlich und entschlossen für ihre Rechte einsetzen – da ist auch so ein Repressionsapparat am Ende völlig hilflos«, so Kleine vor der Frankfurter Paulskirche. Rund 1000 Menschen hatten sich an dem symbolträchtigen Ort – in der Schule gerne als »Wiege der deutschen Demokratie« bezeichnet – versammelt. Unter ihnen der Liedermacher Konstantin Wecker, der auf jW-Nachfrage meinte: »Ich habe schon in Bagdad und Athen gesungen, aber in Frankfurt darf ich es nicht.« Ein solches »Radikalverbot« politischer Veranstaltungen habe er noch nie erlebt. Quelle: junge Welt

c. Polizei beendet „Blockupy“-Demo in Frankfurt

Stundenlang tolerierte die Polizei die verbotene Versammlung von Banken-Kritikern auf dem Frankfurter Rathausplatz – am Ende räumte sie doch. Zwischen den Beamten und den “Blockupy”-Aktivisten kam es dabei zu Rangeleien.Quelle: Spiegel Online

Anmerkung Wolfgang Lieb: Mindestens 150 Personen wurden festgenommen, auf dem Pauslplatz wurden rund 400 Demonstranten eingekesselt. Laut Bild-Zeitung sollen 8.000 Polizisten einsatzbereit sein. Wohlgemerkt es handelt sich um Frankfurt und nicht um Moskau. Aber wie hoch würden die Wellen der demokratischen Empörung in unseren Medien schlagen, wenn diese Bilder aus Moskau und nicht aus Frankfurt stammten. Siehe auch die Website von Blockupy Frankfurt

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