Seymour-Hersh-Interview zu seiner Aufdeckung der Nordstream-Sprengungen

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Seymour Hersh Foto: Wikipedia

Seymour Hersh ist eine Journalisten-Legende, denn er hat bei der Aufdeckung der meisten Skandale der US-Regierung seit dem Vietnamkrieg mitgewirkt. Schon 1969 wurde er weltbekannt, als er während des Vietnamkriegs Kriegsverbrechen der US-Armee aufdeckte. 2004 deckte er den Folterskandal der US-Armee während Irakkrieges im irakischen Abu-Ghuraib-Gefängnis auf, er war es, der als erster die wahre Geschichte über die Ermordung von Bin Laden veröffentlicht hat, er deckte politische Morde unter der Regierung von Bush und Obama auf, und so weiter und so fort. Die Liste seiner Enthüllungen ist unglaublich lang.

Und jetzt das Interview zu seiner Aufdeckung der Nordstream-Sprengungen. Die Übersetzung des Interviews erschien auf Telepolis.

Biden wollte mit der Pipeline-Sabotage verhindern, dass Deutschland die Gashähne wieder aufmacht. Europa sollte beim Ukraine-Krieg nicht ausscheren.

Das Interview wird von Amy Goodman und Juan Gonzalez von Democracy Now geführt. (Teil 1)

Symour Hersh, können Sie uns sagen, was Sie in Ihrem Bericht herausgefunden haben und was sie dazu bewegte. Es gab ja einige öffentliche Kommentare, einschließlich von der polnischen Regierung, die direkt nach dem Bombenanschlag sagte: „Danke, Amerika“.

Symour Hersh: Nun, zunächst einmal denke ich, dass die Berichterstattung tatsächlich so beschrieben werden kann, wie es ein Freund von mir getan hat: Ich habe das Offensichtliche dekonstruiert. Man muss sich nur anschauen, was der US-Präsident sagte.

Aber natürlich gab es auch geheime Pläne, über die ich schreibe. Es wurde ein Gremium gegründet. Jake Sullivan war direkt daran beteiligt. Er war der nationale Sicherheitsberater und ist es immer noch. Es wurde ein Team zusammengestellt, das Optionen prüfte, wie man Druck auf die russische Regierung ausüben könnte, damit sie sich zurückzieht.

Das sind normale Vorgänge: ein Komitee einberufen, um über Szenarien nachzudenken. Es war klar, dass Russland in die Ukraine eingreifen würde. Die Drohung, die der russische Präsident noch aussprechen musste, war noch nicht ausgesprochen worden.

Das war im Dezember 2021. Und die Frage innerhalb des Beratungsgremium – zu dem die üblichen Vertreter gehörten, CIA, NSA, Finanzministerium, Außenministerium und so weiter zählten, sie trafen sich in einem geheimen Bürogebäude im Executive Office Building gegenüber dem Weißen Haus – war: Wollen wir was konkret Physisches unternehmen oder nicht? Mit anderen Worten: Sanktionen oder Ausschalten der Pipeline. Das waren die Optionen.

Und die Antwort kam ziemlich schnell. Die Erklärung von Unterstaatssekretärin in der US-Regierung Victoria Nuland enthielt sie bereits, bevor Präsident Biden sich äußerte. Das war Ende Januar letzten Jahres. Sie kam zu einer Zeit, als das Gremium bereits involviert war – viele erfahrene Leute in den Geheimdiensten waren zu dem Schluss gekommen, dass man eine Sprengung unternehmen könnte. Dem Weißen Haus wurde gesagt, dass es möglich sei.

Ich glaube, das führte zu den Äußerungen, die die Insider natürlich halb verrückt machten, denn es sollte ja völlig geheim bleiben. Man bezeichnete es als geheime Operation. Keine der Regeln für die Berichterstattung an den Kongress sollten beachtet werden.

Und so begannen sie mit ihrer Planung. Sie stellten Kontakte nach Norwegen her, ein bedeutsamer Verbündeter der USA. Norwegen ist einer der Erstunterzeichner des Nato-Vertrags von 1949. Ich glaube, 19 Nationen waren damals beteiligt. Von ihnen ist Norwegen ein wichtiger US-Aliierter.

Teil 1 des Interviews können Sie hier vollständig lesen:

Seymour-Hersh-Interview: „Der Plan war ziemlich genial“

Für die Sprengung der Pipelines werde Washington einen politischen Preis bezahlen. Ein konservativer Backlash drohe nun in Europa. Warum Hersh die Dementis der USA und Norwegens als Lüge bezeichnet. (Teil 2, Schluss):

Seymour-Hersch-Interview: „Der US-Präsident wird es zugeben müssen“

Es ist in unseren Mainstream-Medien üblich geworden erst die Journalisten anzugehen, die etwas Kritisches schreiben, und danach ein wenig auf den Inhalt einzugehen. Das ist auch Hersh passiert. Er hat auch nach 2010 viele Skandale der US-Regierung aufgedeckt, nur wird das von den Medien heute nicht mehr gelobt, sondern als „Verschwörungstheorien“ beschimpft. Die Erklärungen der US-Regierung werden dagegen unkritisch zitiert. Hätten die Medien schon 1969 so gearbeitet wie heute, hätte Hersh kein einziges Kriegsverbrechen der USA im Vietnamkrieg aufdecken können, weil alle Medien, anstatt den Skandal aufzudecken, die Antwort des Weißen Hauses zitiert hätten, das Kriegsverbrechen in Vietnam natürlich abgestritten hat. Und damit wäre das Thema für die Medien erledigt gewesen.

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