„Bürgerzeitung“

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Unveröffentlichter Leserbrief an die Braunschweiger Zeitung vom 28.9.2007

Wohl aufgrund des zunehmenden Drucks auf die Redaktion der Braunschweiger Zeitung und nach den Lügner-Rufen von Demonstranten vor ihrem Redaktionsgebäude schreibt am 15.9.2007 der stellvertretende Chefredakteur der Braunschweiger Zeitung: „Eine gesunde, stabile demokratische Gesellschaft braucht engagierte Bürger, die sich um das Gemeinwesen kümmern. Das meinen wir, wenn wir von „Bürgergesellschaft“ sprechen. Eine gesunde Bürgergesellschaft braucht wiederum Medien, in denen sich die Bürger zu Wort melden und in Debatten einmischen können. Das meinen wir, wenn wir von „Bürgerzeitung“ sprechen.“

Was passierte jedoch bisher, wenn sich engagierte Bürgerinnen und Bürger um das Gemeinwohl kümmerten und dafür auch ein Medium benötigten?

Ralph-Herbert Meyer, Redakteur dieser „Bürgerzeitung“, bewies bisher eine besondere, wenn auch etwas eigentümliche Bürgernähe. So schrieb er beispielsweise in seinem Artikel vom 24.8.2006 ausgerechnet zum Antritt der von ihm doch so geschätzten Bürgerinnen und Bürger, die sich in Bürgerinitiativen gegen den Verkauf öffentlichen Eigentums und gegen andere kritikbehaftete Vorhaben der Stadt Braunschweig organisiert hatten:

„Als Kronzeuge gegen die Hoffmann-Politik ist Hans-Joachim Selenz auserkoren. Jener Selenz, der eine Zeit lang Landesbeauftragter der Partei Rechtsstaatlicher Offensive war. Schillernd war damals nur Rechtspopulist Schill. Eine Funktion in dessen Dunstkreis ist nicht unbedingt ein liberales Prädikat. Wir stellen uns also die Frage: Ist die Bürgerinitiative politisch so naiv, dass ihr der Hintergrund unbekannt ist, oder ist es ihr schnurzpiepegal, wenn es um Stimmenfang geht? Mit der Selenz-Verpflichtung hat die Bürgerinitiative immerhin untermauert: Sie ist ein bunter Haufen. Bunter geht’s kaum. Jetzt reicht das Spektrum eben vom DKP-Funktionär bis ganz schön weit rechts.“

Unerwähnt blieb, dass die Bürgerinitiative Braunschweig (BIBS) während des Kommunalwahlkampfes einen Anruf erhielt, in dem die BIBS vor dem von ihr als Vortragender eingeladenen Prof. Selenz als einem „Rechten“ gewarnt wurde, während kurz darauf Herr Prof. Selenz aus dem gleichen Dunstkreis journalistischer Stimmungsmache einen Anruf erhielt, der ihn nunmehr vor der BIBS als einem „linken Haufen“ warnte.

Unerwähnt blieb weiterhin, dass Herr Prof. Selenz einer von mehreren Rednern zu Veranstaltungen der Bürgerinitiative Braunschweig (BIBS) und keineswegs Kronzeuge war, sondern einer von zahlreichen Kritikern der Privatisierung öffentlichen Eigentums und allgemeiner Daseinsvorsorge, wie sie in Braunschweig mit inbrünstiger kommunaler Kurzsichtigkeit seit Jahren betrieben wird.

Wie „schön weit rechts“ sich Herr Prof. Selenz befunden hat, verdeutlicht die Tatsache, dass er im Herbst 2001 für die FDP zur Oberbürgermeisterwahl in Salzgitter antrat und fast dreimal so viele Stimmen wie seine Partei erhielt. Die FDP bot ihm sogar einen Bundestagswahlkreis an. Dies fand natürlich in der „Bürgerzeitung“ keine Beachtung.

Erwähnenswert schien dagegen die Tatsache, dass Herr Prof. Selenz „eine Zeit lang“ Mitglied der Partei Rechtsstaatlicher Offensive war, auch wenn diese Zeit nur ganze fünf Monate dauerte. Danach hatte sich Herr Prof. Selenz von dieser Partei nachdrücklich distanziert.

Von Oberbürgermeister Dr. Hoffmann ist eine derartige Distanzierung von seiner politischen Vergangenheit hier nicht bekannt.

Die mehrjährige Mitgliedschaft von Dr. Hoffmann in der NPD, u.a. als zweiter Bundesvorsitzender des NPD-Studentenverbandes, bleibt in den Betrachtungen des Ralph-Herbert Meyer zu den Bürgerinitiativen unerwähnt.

Allerdings ist der ehemalige Kamerad unvergessen. So schrieb der Landesverband Niedersachsen der NPD am 26.8.2007: „Was passiert, wenn die NPD regiert? Muß jemand Angst haben, wer darf sich freuen? Wer das Gefühl erleben will, geht einfach mal nach Braunschweig. Dort führt Kamerad Hoffmann das Zepter und sorgt für Ordnung und Sauberkeit. Das mag sich Hoffmann als ehemaliges führendes NPD-Mitglied schon damals auf die Fahnen geschrieben haben.“

Und weiter: „Selbstverständlich legt npd-niedersachsen.de Wert auf die Feststellung, daß OB Hoffmann kein Nationaldemokrat mehr ist und nach der knappen Wahlniederlage 1969 von der NPD völlig uneigennützig zur CDU gewechselt ist, wo er dann auch gleich mit den entsprechenden Posten belohnt wurde. Außerdem sei darauf hingewiesen, das hat Hoffmann vielleicht in den Jahren verdrängt, daß nach nationaldemokratischer Auffassung in einer wiederbelebten Volksgemeinschaft der Sinn für das Ganze wieder so gestärkt wird, daß es eine moralische Selbstverständlichkeit wird, all die Dinge zu unterlassen, die der Bürgermeister jetzt in den Bußgeldkatalog aufgenommen hat. Insofern hat man nun in Braunschweig auch nur eine knappe Ahnung, wie es aussehen wird, wenn die NPD regiert.“

Dass die ehemalige NPD-Mitgliedschaft von Dr. Hoffmann kein „alter Hut“ ist, zeigte die Ratsdebatte vom 2.5.2007, in der Ratsherr Pesditschek (SPD) die zeitweilige NPD-Mitgliedschaft von Dr. Hoffmann thematisierte und ihm goldene Brücken baute, sich von seiner politischen Vergangenheit zu distanzieren. Eine entsprechende Einwohnerfrage anlässlich der Sitzung des Rats der Stadt Braunschweig am 25.9.2007 bot erneut die Gelegenheit, in dieser Angelegenheit endlich reinen Tisch zu machen. Die Chancen wurden nach Meinung vieler Rats-Anwesender jedoch vertan und die nicht Rats-Anwesenden erfuhren aus der „Bürgerzeitung“ nichts zu diesem Thema, obwohl zumindest einer ihrer Redakteure bei den Ratssitzungen anwesend war.

Auch im Detail überrascht die „Bürgerzeitung“ die Bürgerinnen und Bürger Braunschweigs gelegentlich mit Meldungen, deren Wahrheitsgehalt gegen Null geht. So titelte der allseits geschätzte, weil glücklicherweise so einfach zu durchschauende Ernst-Johann Zauner, Redakteur der „Bürgerzeitung“, am 7.9.2004 zur umstrittenen Verlängerung der Startbahn des Braunschweiger Flughafens: „2300-Meter-Bahn darf gebaut werden“. Verschwiegen wurde jedoch, dass das Vorhaben vor seiner Inangriffnahme erst einmal ein Planfeststellungsverfahren zu durchlaufen hatte, das seinerzeit noch nicht einmal terminiert war, das erst zwei Jahre später stattfand und erst in diesem Jahr zu einem Ergebnis kam.

Grundlagen für einen Weg aus der Krise der Braunschweiger Zeitung und für mehr Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern sind daher eine strikte Ausrichtung der Redaktion am Pressekodex des Deutschen Presserats, am Verhaltenskodex der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung und am Handbuch für Journalisten, das Paul-Josef Raue, Chefredakteur der Braunschweiger Zeitung, selbst mitgestaltet hat.

Darüber hinaus im Detail:

  • Klare Trennung von Tatsachen und Meinungen.
  • Keine Darstellung nachweislicher Unwahrheiten.
  • Keine Stimmungsmache für/gegen gesellschaftliche Gruppen.
  • Bezeichnung von Organen so, wie sie sich selbst nennen. Beispiel: Es ist vollkommen inakzeptabel, dass die KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft AG so, wie sie sich selbst bezeichnet, in Texten als KPMG angeführt wird, die im Rat vertretene Bürgerinitiative Braunschweig BIBS jedoch ständig mit der Bezeichnung Bibs abgetan wird.
  • Dokumentation, wie viele Abonnenten und Anzeigenkunden mit einem neuen Bild der Braunschweiger Zeitung gewonnen oder verloren werden.
  • Entscheidung, ob das dermaßen veränderte Bild der Braunschweiger Zeitung beibehalten werden soll oder ob man lieber zum längst überkommenen Niveau zurückkehrt.

Ralf Beyer

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