Glücklich ist der fröhliche Idiot.
(Mark Twain)
Die repräsentative Studie „Lebensqualität aus Bürgersicht – deutsche Städte im Vergleich“ beweist: Braunschweiger Bürger sind zufrieden mit ihrer Stadt. Dieses Thema wird nun in der Braunschweiger Zeitung und auf der Homepage der Stadt Braunschweig ausgeschlachtet: Beide versuchen sich zu übertrumpfen, wie toll unsere Stadt doch angeblich sei. Es lohnt sich jedoch, etwas genauer hinzuschauen.
Die Studie hat ein einfache Untersuchungsdesign: 800 repräsentativ Befragte Bürger wurden telefonisch befragt, ob sie zufrieden sind mit Grünanlagen, Sportanlagen, Sicherheit, Integration, Stadtverwaltung und Familienfreundlichkeit. Sprich: Es geht bei der Untersuchung ausschließlich um das subjektive Zufriedenheitsgefühl und nicht um Objektivität. Das Ergebnis der Untersuchung: Braunschweiger sind insgesamt zufrieden mit ihren Stadt.
Den Link zur vollständigen Studie findet man übrigens weder auf der Homepage der Stadt Braunschweig, noch in der Braunschweiger Zeitung. Dafür findet man ihn hier:
Download „Lebensqualität aus Bürgersicht“ // Stadt Bremen, PDF, 6 MB
In der Braunschweiger Zeitung findet man einen erschreckenden Zirkelschluss. Henning Noske schreibt in einem Kommentar:
Die Braunschweiger sind überaus zufrieden mit ihrer Stadt, sie schätzen die Angebote und Möglichkeiten. (…) Ja, gibt es denn gar keine negativen Meldungen und Schlagzeilen mehr? Natürlich gibt’s die noch und reichlich – und es ist stets ratsam, den Handelnden auf die Finger zu schauen, die Stadtpolitik kritisch zu hinterfragen und Fehlentwicklungen anzuprangern. Allerdings darf sich diese notwendige Distanz und Kontrollfunktion auch nicht Lichtjahre vom Zufriedenheitsempfinden vieler Menschen entfernen, sonst wird sie zum Selbstzweck.
Was ist das Problem an dieser Aussage? Ganz einfach: Das Zufriedenheitsgefühl wird selbstverständlich auch stark von den regionalen Medien beeinflusst. Dazu zwei Beispiele:
Das städtische Vermögen in Braunschweig wurde derart dilettantisch privatisiert, dass sich laut KPMG-Gutachten die städtische Schuldenlast in Braunschweig langfristig verdoppeln wird. Schon heute ist die Stadt praktisch pleite und der Stadtrat ist mehr oder weniger mit Marionetten gefüllt, die nur noch über „Peanuts“ entscheiden können. Und was schreibt unser Oberbürgermeister:
Nahezu zwei Drittel aller Befragten (65 Prozent) attestierten der Stadt einen verantwortungsvollen Umgang mit Finanzmitteln.
Diese falsche Wahrnehmung der Bürger entsteht jedoch erst dadurch, dass die Braunschweiger Zeitung nicht kritisch berichtet. In überregionalen Medien sieht das schon wieder ganz anders aus. Braunschweig wird europaweit als Beispiel für misslungene Privatisierungen und den Ausverkauf städtischen Eigentums präsentiert.
Zum Beispiel in der TAZ:
Oder auch im Dokumentarfilm „Water makes Money – wie private Konzerne aus Wasser Geld machen„, der europaweit in Kinos lief und auch schon zwei Mal auf ARTE gezeigt wurde:
Ein weiteres Beispiel gefällig? Heute in der BZ steht ein Artikel mit der reißerischen Überschrift: „Luftqualität – Daumen hoch„. Ein Grund zum Feiern: Braunschweiger Bürger haben kein Problem mit Feinstaub. Dass der Bohlweg im Jahr 2003 – also vor Abriss des Schlossparks – die bundesweit am meisten mit Feinstaub belastetste Straße war, interessiert nicht. Dass wir nur keine Probleme mehr haben, weil die Meßstation am Bohlweg entfernt wurde und jetzt im Wald steht, wo sie ganz hervorragende Messwerte liefert, wird auch nicht erwähnt. Muss ja auch nicht, denn eine repräsentative Studie über subjektive Einschätzung beweist: Luftqualität – Daumen hoch!
Weitere Infos darüber findet man leider nicht in der BZ, dafür beim NABU:
Feinstaub-Flugblatt Braunschweig, PDF
Man muss also festhalten: Die subjektive Einschätzung der Braunschweiger Bürger über den verantwortungsvollen Umgang der Verwaltung mit Finanzmitteln ist falsch. Und vermutlich auch ihre subjektive Einschätzung über die Luftqualität. Hier muss die Braunschweiger Zeitung endlich den „Handelnden auf die Finger zu schauen, die Stadtpolitik kritisch hinterfragen und Fehlentwicklungen anprangern“. Und hier muss sich „die notwendige Distanz und Kontrollfunktion der Presse Lichtjahre vom Zufriedenheitsempfinden“ entfernen, denn das ist die Aufgabe der Zeitungen: objektiv berichten. Alles andere ist Hofberichterstattung und Boulevard-Journalismus.