Kulissenschau

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In ihrer Kampagne zur Landtagswahl 2008 meint die SPD zur Nds. Landesregierung: „Sie baut darauf, dass niemand hinter die Kulissen schaut, weil Bürgerinnen und Bürger das auch nicht können.

Amüsierte Leser wissen nun endlich, wie es um ihre Wertschätzung durch die SPD bestellt ist. Allerdings scheinen die lieben Genossinnen und Genossen zu verkennen, dass es gerade engagierte Bürgerinnen und Bürger sind, die hinter die Kulissen schauen und zum Staunen der PolitikerInnen für sie weitgehend Unbequemes ans Tageslicht fördern.

„Wir werden das in den nächsten Monaten tun: sachlich, fachlich exakt, mit scharfem Blick, objektiv und der Wahrheit verpflichtet“ tönt die SPD weiter.

Und was entdeckt der Kulissenschauer? Beispiele:

  • Im Landtag: Antrag an Herrn Jüttner (SPD), im Nds. Landtag einmal nach der Dienstfähigkeit des Herrn Landtagspräsidenten zu fragen, nachdem dieser Klaustrophobie bei Flugreisen für sich reklamiert hatte. Klaustrophobie ist laut BKK Bundesverband eine ernst zu nehmende Krankheit. Antwort: „Zwar hat die SPD-Fraktion den Landtagspräsidenten mitgewählt, dieser bzw. die CDU-Landtagsfraktion würde sich aber wohl verbitten, dass sich die SPD in einer so „delikaten“ Sache, wie Ihre Anfrage, einmischt.“ Anträge auf Anfragen der SPD im Nds. Landtag sind demnach offenbar so zu gestalten, dass die CDU der SPD erlaubt, die Anfragen auch tatsächlich so stellen zu dürfen.

  • In Braunschweig: Man habe unter Zeitdruck innerhalb von nur 14 Tagen der Bezuschussung eines Helikopter-Streichquartetts zustimmen müssen, meinte Herr Pesditschek (SPD) entschuldigend am 15. Juni 2007 im Kleinen Haus des Staatstheaters. Im Volksfreund – einer Zeitschrift der SPD – sind es dann nur noch die anderen, die diesem Unfug zugestimmt hätten: „Den Gesamtkosten von 130 000 Euro standen nur geringe Einnahmen aus dem Verkauf von Eintrittskarten gegenüber. Und so musste der Verwaltungsausschuss des Rates der Stadt zu den bereits zugesagten Stiftungsmitteln in Höhe von 70 000 Euro insgesamt 60 000 Euro Steuermittel locker machen. So geschah es dann mit den Stimmen der Mehrheit aus CDU und FDP.“ Man ist ja der Wahrheit verpflichtet.

  • In Braunschweig: Herr Pesditschek (SPD) hält im Rat der Stadt Braunschweig eine flammende Rede gegen den Beschlussvorschlag der Stadt Braunschweig vom 7.9.2007 zur Gestaltung der Bohlwegfassade in einem offenbar östlichem Plattenbau entlehnten Grau und zitiert dazu sogar die ablehnende Haltung des Vizepräsidenten der IHK Braunschweig, Langerfeldt (CDU). Der Antrag wäre auch abgeschmettert worden, wenn – ja wenn – nicht unmittelbar vor der Abstimmung zwei SPD-Mitglieder den Sitzungssaal verlassen hätten. Rücksichtnahme ist angesagt. Man erinnert sich: „Bei Ausschuss- und Aufsichtsratssitzen sei man auf die SPD zugegangen.“ (Grziwa, CDU). KennerInnen der Szene erklären dazu cool: „Pairing …“ Wer sich hier mit wem paart, bleibt allerdings der Vorstellungskraft des Lesers überlassen.

  • In Braunschweig: „Was fast überall in Europa gang und gebe ist, dass wollen CDU und FDP nicht. Die Kinder des guten Bürgertums sollen unter sich bleiben und Bildungsreserven dürfen nicht gehoben werden. Das stört die Kreise der Konservativen und Neoliberalen“ erklärt die Landes-SPD. Nebenbei: bei Aktivierung der Bildungsreserven hätte es hier „gang und gäbe“ geheißen. Alle fortschrittlichen Kräfte im Braunschweiger Rat fordern daher im Einklang mit der Landes-SPD die Gründung einer weiteren Integrierten Gesamtschule (IGS). Selbst die FDP stimmt zu: „Wir halten die Errichtung einer 4. IGS für die beste Lösung, denn bei der Schaffung von Außenstellen wird nach unserer Auffassung dem pädagogischen Konzept nicht ausreichend genüge getan. Durch Außenstellen integrieren wir die Schüler nicht, sondern stellen sie ins Abseits“. Mit den Stimmen der SPD wäre ein entsprechender Antrag auch angenommen worden.

    Die SPD im Rat der Stadt Braunschweig stellt jedoch am 25.9.2007 den Antrag: „Der Schulausschuss/Rat der Stadt möge beschließen: In Braunschweig wird eine weitere vierzügige Integrierte Gesamtschule als Außenstelle einer bestehenden Gesamtschule eingerichtet“ und macht damit alle Bemühungen zur Errichtung einer eigenständigen 4. IGS bis auf weiteres zunichte. Den weiteren Antrag der SPD „Diese Gesamtschule wird so organisiert, dass sie nach der erforderlichen Änderung des Niedersächsischen Schulgesetzes sofort als eigenständige Schule geführt werden kann“ entlarven die Kulissenschauer als eine zentralisierte Mammutschule. Fürchtet etwa Herr Pesditschek (SPD) als Oberstudiendirektor und Leiter der Ricarda-Huch-Schule in Braunschweig die im Grunde unaufhaltsame Entwicklung als Konkurrenz zu seinem eigenen Wirkungskreis?

„Wir werden das in den nächsten Monaten tun: sachlich, fachlich exakt, mit scharfem Blick, objektiv und der Wahrheit verpflichtet“ heißt es bei der SPD so schön. Na, dann mal weiter so, liebe Genossinnen und Genossen! Aber vergesst dabei nicht die Kulissenschauer!

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