Ist die Kriminalstatistik 2017 etwas geschönt?

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Das Straftatenaufkommen in der Region Braunschweig ist auf einen historischen Tiefstand gefallen, so die Braunschweiger Polizeidirektion in der BZ am 3. März 2018. Die Kriminalitätshäufigkeit sei im Jahr 2017 mit 6.163 Straftaten pro 100.000 Einwohner und 6.491 im Vorjahr im zweiten Jahr in Folge gesunken. Und: Wolfenbüttel habe es wieder auf den ersten Platz geschafft. Soweit die Polizei. Headline in der BZ: Am sichersten leben die Menschen in Wolfenbüttel.

Ich halte dagegen: Eine schöne Statistik. Mir stellen sich aber Fragen:  Ist sie geschönt und wieviele Straftaten sind hier bewusst nicht aufgenommen worden. Diese Fragen ergeben sich aus einer Erfahrung mit der Braunschweiger Staatsanwaltschaft: Am 9. Mai vergangenen Jahres bin ich am hellichten Tag in der Wolfenbütteler Schinkelstraße neben dem katholischen Friedhof Fahrrad fahrend heimtückisch von hinten überfallen worden. Ein mich verfolgender Täter hat mir aus dem Gepäckträgerkorb gewaltsam meine gesicherte Kameratasche geraubt. Er flüchtete sofort. Mir gelang es, ihn mit meinem Fahrrad zu verfolgen. Mit Hilfe von Bewohnern der Heinrichstraße gelang es, den Täter festzuhalten. Die Polizei hat den Fall anschließend aufgenommen mit dem Hinweis, die Staatsanwaltschaft werde das sowieso niederschlagen.

Und so kam es auch: Meine Anzeige wurde von der Staatsanwaltschaft Braunschweig eingestellt. So erging es auch der Beschwerde meines Rechtsanwaltes dagegen: Nach Prüfung des Sachverhalts könne ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung nicht angenommen werden. Der Täter habe ja den Raub (in juristischer Sprache „Zueignungsabsicht“) nicht vollenden können.

Und eigentlich sei ich ja selber Schuld. Noch eine Frage: Ist mein Fall Teil der Statistik?  Und: Macht der Täter, der vorher bei der Polizei in Wolfenbüttel ein Praktikum gemacht hatte, inzwischen eine Ausbildung zum Polizisten?

Im Oktober 2017 nahm Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière in Wolfenbüttel an einer Diskussionsrunde anlässlich des Landtagswahlkampfes teil. Dabei beklagte ein Braunschweiger Polizist den fehlenden Rückhalt der Justiz gegenüber Polizisten: Die Staatsanwaltschaft würde Ermittlungsverfahren in Fällen von Gewalt gegen die Polizei mangels öffentlichen Interesses, sehr oft einstellen. Diese Mitteilung bewegte nicht nur den Minister, der gerade den Anstieg derartiger Fälle kritisiert hatte, sondern auch die dort versammelten Zuhörer. Die Empörung über diesen unglaublichen Abbau des Rechtsstaates durch Staatsanwälte und Staatsanwältinnen war groß. Und so geht es auch mit meinem Fall, in dem der Täter zum Opfer gemacht wird und ich, das eigentliche Opfer, zum Täter geworden bin.

 PS: Zum Teil haben die Justizministerien den Staatsanwaltschaften Vorgaben gemacht, wann eine Straftat überhaupt verfolgt werden muss. Diebstahl geringwertiger Sachen eines Ersttäters wird deshalb fast immer auf dem Papierweg von den Staatsanwaltschaften eingestellt.

Quelle: Gnisa, Jens, Das Ende der Gerechtigkeit. Ein Richter schlägt Alarm, Freiburg 2017, S. 189.

1 Kommentar

  1. Was auch in der Kriminalstatistik fehlt, sind die Straftaten, die DURCH PolizistInnen begangen werden. Da schaut man lieber weg, ausser, so ein Kollegenschwein hat mal in die Kaffeekasse des Wachreviers gelangt.

    Schon vor 20 Jahren galt unter Heranwachsenden der Satz: „Vorsicht, wenn Du mal festgenommen wirst, die Stufen der Kellertreppe zu den Arrestzellen An der Münze sind SEHR rutschig…“ Vielleicht sollte das Innenministerium mal die Videoüberwachung auf die Innenräume und Zellen der Reviere ausdehnen, und nicht nur auf die Parkplätze von PolizeipräsidentInnen. Dann könnte Oury Jalloh noch leben.

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