‚Ist das Parkett neu, oder haben die es nur abgeschliffen?’

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Das Schlossmuseum öffnete gestern seine Pforten. Was ist original, was originalgetreu, was ist frei erfunden – und gibt es überhaupt Exponate? Matthias Witte führte und vernahm vor Ort Gespräche mit überraschenden Meinungen zu diesen Fragen.
 

Originalparkett

Gestern wurde das Schlossmuseum für den Publikumsverkehr geöffnet. Der Inhalt des Museums ist schnell erzählt und entsprach zur Gänze den Erwartungen:
Im Nordflügel ist in einer Folge von 4 Räumen das eigentliche Museum untergebracht: Das Inventar der ersten 3  Räume bilden im wesentlichen 4- 5 Sitzgruppen (Tische und Stühle von eher schlichter Anmutung), ein Konzert-Flügel, einige Dutzend Gemälde (Potraits und Schlossabbildungen). Der Saal am Ende der Raumfolge, in dem der Thron aufgebaut ist, ist der einzige wirklich voll eingerichtete Raum, in dem so etwas wie Atmosphäre aufkommen will.

Die einzelnen Exponate sind wohl zumindest im wesentlichen original bzw. originalgetreu restauriert. Die Raumfolge selbst dagegen ist ohne Vorbild im Ottmer-Schloss – und auch einzelne originalgetreue Räume finden sich im Schlossmuseum nicht, sondern nur schlossähnlich anmutende freie Nachempfindungen.
Da sich der Oberbürgermeister allerdings bei seiner Einweihungsrede zum Schlossmuseum wieder einmal missverständlich geäußert hat -er sprach von originalen Schlossräumen- wollte ich die Probe aufs Exempel machen und fragte eine angestellte Person des Schlossmuseums bezüglich der Räume zur Gartenfront:

Ist das eine originale Raumfolge?’
Angestellte: ‚Ja
Auf mein erstauntes Gesicht hin kommt die Präzisierung:
‚Diese Raumfolge war ursprünglich hier ein Stockwerk höher.’
Auch dort gab es diese Raumfolge nicht, aber ich will auf etwas anderes hinaus und frage:
Ach so…, und der Thronsaal war dann wie hier am Ende des Nordflügels?
‚Ja’
Ich packe darauf Wedemeyers Standardwerk zum Ottmer-Schloss aus:
Aber hier: im Wedemeyer-Buch ist ein Photo, da sieht der Thronsaal ganz anders aus! Und er war laut Wedemeyer im Zentralbau, nicht im Nordflügel.
Angestellte Person, etwas gequält: ‚Ja, ich kenne diese Photos, aber man hat uns anderes gesagt.’
Und dieses andere sollen Sie auch kommunizieren?
‚Ja … man denkt sich schon einiges, aber….’

Bezüglich des sogenannten weißen Saals, in dem ein als Speisetafel aufgemachtes großes Computerterminal mit gleich 10 Zugängen steht -offensichtlich, um den Raum zu füllen, der keine nennenswerten Exponate aufweist- mache ich einen zweiten Versuch. Ich frage eine andere angestellte Person:
Ist das hier der rekonstruierte weiße Saal des Schlosses?
‚Ja’
Ich packe darauf meinen Wedemeyer aus:
Aber hier ist ein Photo, da sieht der weiße Saal ganz anders aus.
Die angestellte Person ist verblüfft:
‚Tatsächlich. Ja, dann …dann ist das wohl nicht so ganz rekonstruiert…’
Eigentlich  hat der gar keine Ähnlichkeit, oder? Vielleicht sollte man diesen Saal anders nennen, um Mißverständnisse zu vermeiden?’
‚Entschuldigung, wir arbeiten uns erst ein. Ich bin auch verblüfft, man hat uns das so gesagt….’

Am nächsten Tag gehe ich noch einmal in das Museum, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass die Museumskräfte seitens der Museumsleitung systematisch mit Fehlinformationen instruiert werden. Diesmal frage ich zwei Angestellte an der Rezeption im Foyer, und diesmal erhalte ich eine wahrheitsgemäße Auskunft über den Thronsaal, sowohl über dessen nicht originalgetreue Dimensionen wie auch seine veränderte Lage. Quasi nur pro forma frage ich noch:
Und das Foyer hier, wo wir sind?
‚Das sah genau so aus. Das ist originalgetreu!’
Woher wissen sie das?
‚Das steht im Wedemeyer-Buch und das haben uns auch die Wissenschaftler gesagt.’
Mein Einwand, dass das eine Fehlinformation sei und das ursprüngliche Foyer viel größer war, wird nicht zur Kenntnis genommen. Man beharrt seitens des Personals auf der Orginalgetreue des Foyers: die Wissenschaftler hätten es ihnen so gesagt. Da der Ton diesmal rasch zunehmend unfreundlich wird, verzichte ich darauf, im Wedemeyer-Buch das Foto des ursprünglichen ungefähr 4 mal so großen Foyers zu zeigen und verabschiede mich lieber.

Um Peinlichkeiten wie die beschriebenen in Zukunft zu vermeiden, sollte sich die Museumsleitung beeilen, ihre Angestellten mit aller Klarheit darüber aufzuklären, was überhaupt im neueröffneten Museum original oder wenigstens originalgetreu ist. Das sollte sich -auch wenn man ins Detail geht- in einer ¼ Stunde erledigen lassen. Und sie sollte ihre Angestellten ermutigen, die freien Nachempfindungen auch als solche zu benennen.

Zum Abschluss zwei belauschte Gesprächfetzen vom Eröffnungstag, die die Problematik des Schlossmuseums auf den Punkt bringen:

Ein Bildungsbürger zum anderen: ‚Ist das Parkett neu, oder haben die es nur abgeschliffen?’

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Museumsangestellter zur Putzkraft: ‚Putzen sie bitte auch die Ausstellungsräume.’
Putzkraft: ‚Wo sind denn hier die Ausstellungsräume?’                                           

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