Kommentar: Das FBZ – neue Ideen braucht das Land

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In der Braunschweiger Zeitung kann man heute lesen, dass „die Stadt“ mit dem Betreiber des Jolly Jokers in Kontakt getreten ist, um über die Möglichkeit zu diskutieren, das „neue FBZ in das Jolly Time zu integrieren“. So wage, wie dieser Vorschlag klingt, laufen vermutlich auch die Diskussionen. Daher mein Kommentar, um ein bisschen mehr Klarheit in die Debatte zu bringen.

 

1) Es geht nicht um ein FBZ – es geht um die Förderung regionaler Kultur

 

In den letzten zehn Jahren wurde regionale Kultur von der Stadt praktisch kaum gefördert. Dadurch ist eine große Lücke entstanden, die mit einem neuen FBZ gefüllt werden soll. Die Vorschläge der Verwaltung (Milleniumhalle, Jolly Joker) zeigen, dass diese Lücke nicht ernst genommen wird, da bei diesen Vorschlägen ausschließlich der Bedarf nach einer großen Veranstaltungshalle für Konzerte für 800 bis 1000 Besucher gedeckt wird. Daher hier eine kurze Auflistung, welche Bedarfe in der Kulturszene zurzeit bestehen:

  • Braunschweig benötigt ein soziokulturelles Zentrum in zentraler Lage und in freier Trägerschaft. Dies kann nicht oft genug betont werden, da die Lage und die Trägerschaft bisher in der Diskussion kaum aufgetaucht sind. Sollte die Trägerschaft hinter verschlossenen Türen beschlossen werden, so wird ein FBZ betrieben von z.B. der Volkshochschule und Undercover nur zu Konflikten führen. Hier ist Transparenz gefragt!
  • Es fehlt eine Konzerthalle für Konzerte in der Größe von ca. 800 bis 1000 Besuchern. Diese Halle darf nicht mit dem FBZ verwechselt werden.
  • Regionale Musiker benötigen mehr Proberäume, besonders für Bands, deren Musiker im Schnitt älter als 25 sind und somit die Muckeretage vom B58 nicht nutzen können. Außerdem werden mehr kleine Veranstaltungsorte für Bands benötigt.
  • Regionale Künstler benötigen mehr günstige Atelierflächen und mehr Ausstellungsräume.
  • Es fehlen günstige Räume für Gruppen.
  • Fotografen und Fotokünstler bekommen keinerlei Unterstützung durch die Stadt. Es mangelt an offenen Ateliers und Ausstellungsflächen.
  • Die kleinen Kulturzentren der Stadt bekommen praktisch keine städtische Unterstützung (Nexus, Kaufbar, NeunRaumKunst, Kunstverein Jahnstraße)
  • Es fehlt an Fördermitteln für die freie Kulturszene. So erhält die freie Theaterszene (rund 30 Theatergruppen) jährlich insgesamt 50 Tausend Euro, ca. 0,15 Prozent (!!!) des Gesamtetats des Staatstheaters. Außerdem ist die Antragstellung beim Kulturinstitut zu bürokratisch und enthält Hürden wie die benötigte Teilfinanzierung durch Stiftungen.

Die Frage ist also, wie lassen sich diese Bedarfe decken?

 

2) Das Jolly ist keine Lösung für ein FBZ

Ich habe mehr als zehn Jahre im ehemaligen Jolly Joker gearbeitet und kenne das Gebäude daher sehr gut. Das Jolly Time kann eine Lücke decken, nämlich die nach einer größeren Konzerthalle. Dies ist jedoch keine Aufgabe der Stadt. Früher lief es im Jolly Joker sehr einfach: Ein Konzertveranstalter hat den Laden umsonst (!) angemietet; das Joker hat bei Konzerten an Getränken verdient, der Veranstalter an den Eintrittskarten. Das lief jahrelang gut. Wenn die Stadt nun die Halle teuer anmietet, um so Konzertveranstalter indirekt zu subventionieren, dann fehlt dieses Geld an Stellen, wo es wichtiger ist. Sinnvoll wäre es daher, wenn die Stadt beim Jolly Time vermittelnd auftritt, evt. den neuen Betreiber mit geringen Mitteln beim Start seiner Diskothek unterstützt unter der Bedingung, dass dieser anschließend mit Konzertveranstaltern selbständig Konzerte organisiert. Parallel dazu könnte man auch beschließen, dass grundsätzlich alle Konzerte mit einem geringen Betrag von z.B. 200 Euro unterstützt werden, egal ob in der Barnabys Blues Bar, im Sowjethaus oder im Schaubreu. Das alles hat jedoch nichts mit dem FBZ oder einem soziokulturellen Zentrum in freier Trägerschaft gemein.

 

3) Neue Ideen braucht das Braunschweiger Land

Um die Probleme in der Kulturszene zu lösen, brauchen wir neue Ideen. Das Kulturinstitut hat in den letzten Jahren leider den Anschluss an die Szene verpasst und hat auch kaum Bemühungen gezeigt, sich ernsthaft für ein neues FBZ zu engagieren.

Passende Räume für ein neues soziokulturelles Zentrum gibt es genug, wenn man sich umschaut. Das ehemalige Gloria-Kino an der Wendenstraße ist zum Beispiel ein exzellenter Veranstaltungssaal in guter Lage mit der Möglichkeit für Gastronomie – auch hier ist der Vermieter/Verkäufer gesprächsbereit. Oder auch die JVA Rennelberg. Dort gibt es genug Räume, um viele Bedarfe zu decken. Anstelle eines FBZs stelle ich mir das so vor:

a) VVA – Die Veranstaltungsvollzugsanstalt: Ein Veranstaltungsort für Theatergruppen und regionale Konzerte wird im Rennelberg geschaffen. Größe: für ca. 200 bis 300 Zuschauer.

b) MVA – Die Bandvollzugsanstalt: In einem Trakt des ehemaligen Gefängnisses entstehen Proberäume für Bands und ein offenes Tonstudio.

c) GVA – Die Genussvollzugsanstalt: Es wird eine Gastro geschaffen, die auch ein Treffpunkt ist. In der Gastro finden auch kleinere Kulturveranstaltungen wie Ausstellungen und Unplugged-Konzerte statt.

d) WVA- Die Wohnvollzugsanstalt: In einem Trakt entstehen günstige Wohnungen für Studenten. Evt. auch günstige Übernachtungsmöglichkeit für Kulturreisende.

e) KVA – Die Kunstvollzugsanstalt: Es werden Ateliers geschaffen und Räume für Ausstellungen.

Betrieben wird dann das Rennelberg von einem Verein (Freie Trägerschaft!), in dem möglichst viele unterschiedliche Kulturschaffende und Kulturgruppen der Stadt beteiligt sind. So oder ähnlich muss eine Lösung für ein neues FBZ aussehen. Wenn parallel dazu die oben stehenden Probleme angepackt werden, dann hat Braunschweig das Potential Kulturhauptstadt in 2030 zu werden. Dies kann allerdings nur gelingen, wenn sich die Kulturpolitiker und die regional Aktiven zusammen an einen Tisch setzen, und gemeinsam nicht nur Bedürfnisse ermitteln, sondern auch an den Lösungen arbeiten.

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