Erster Kompaktbericht zum Klimaschutzkonzept 2.0 – Wesentliches fehlt!

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PV Freiflächenanlage. Wie man sieht, kann diese Fläche auch gleichzeitig als Weidefläche für Schafe genutzt werden. Foto: Hans-Georg Dempewolf

Von Bernhard Piest

Seit über einem Monat liegt der Erste Kompaktbericht zum Klimaschutzkonzept (IKSK) 2.0 vor. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das gesellschaftliche, zum Überleben der Menschheit dringend notwendige Großprojekt „Transformation zur klimaneutralen Wirtschafts- und Lebensweise“ in Braunschweig nur langsam in Bewegung kommt. Dabei ist gerade jetzt ein Höchsttempo angesagt, wie vom Weltklimarat und anderen Institutionen gefordert.

Im Wesentlichen werden „Konzepte, Leitlinien und Grundsätze über das weitere Vorgehen“ sowie Pläne mitgeteilt. Messbare Ergebnisse haben Seltenheitswert. Dabei kommt es auf diese an: Gerade in den ersten Jahren der Konzeptumsetzung kommt es auf eine exakte Beurteilung des Status quo an, um ein zu langsames Tempo zu erkennen und schnell reagieren zu können. Das soll an einem Beispiel erläutert werden.

Im IKSK 2.0 wird ein Plan über den zeitlichen Ablauf des PV-Zubaus bis 2030 vorgelegt (S.49, Abb. 23). Nach langsamem Anstieg steigert sich der jährliche Zubau auf ca. 140 000 kWp in 2030.

Bis 2022 war eine Gesamtinstallation von 100.000 kWp vorgesehen.

Wie sieht die Realität aus? Das sagt uns die Abb.1 im Ersten Kompaktbericht.

Bei Aufsummierung der Balken ergibt sich bis 2022 eine Summe von ca. 44 000 kWp. D.h., gegenüber dem Plan liegen die Gesamtinstallationen um 56% zurück.

Weder die Gesamtsumme noch das sehr große Plandefizit werden in dem Bericht genannt. Warum nicht? Stattdessen heißt es, eine quantitative Bilanz sei erst für 2025 geplant. Sollen die Defizite möglichst lange verschwiegen werden?

Eine Konsequenz aus der Darstellung wäre schon jetzt dringend. Es müssen schnellstens alle Möglichkeiten in die Hand genommen werden, um den Zubau zu beschleunigen. Es wird deutlich, wie dringend eine quantitative Ermittlung und ein entsprechender Vergleich mit den Plänen ist.

Folgendes ist zu fordern:

  • Eine quantitative Bilanz der wichtigsten Eckdaten einschließlich Emissionen bereits 2024 und danach jährlich
  • Tempobeschleunigung des PV-Zubaus

2 Kommentare

  1. Dazu ein paar Anmerkungen:

    1) Zur quantitativen Bilanz
    Als Quelle wird im Kompaktbericht der „Wattbewerb“ genannt, dieser enthält die gewünschte quantitative Bilanz, aktuell beträgt die installierte PV-Bruttoleistung in Braunschweig 61070 kWp, womit Braunschweig auf Rang 21 von 71 Großstädten bei neu installierten PV-Anlagen liegt. Das ist gar nicht mal so schlecht.
    https://dashboard.wattbewerb.de/superset/dashboard/wattbewerb_kommunal/?preselect_filters=%7B%7D&standalone=true&native_filters_key=null

    2) Zur Tempobeschleunigung
    Klingt erst einmal gut, aber ist das überhaupt möglich? Aktuell sind alle Städte in Deutschland daran beteiligt, massiv PV auszubauen. Jeder Handwerker kann jedoch nur auf einer Baustelle arbeiten, und jede PV-Anlage kann auch nur einmal installiert werden. Der Stadt Braunschweig sind daher natürliche Grenzen gesetzt beim PV-Ausbau; der Wunsch nach einer Übererfüllung des Ausbaus in BS führt daher zwangsläufig zu weniger Ausbau in anderen Städten. Mehr Tempo hier bedeutet weniger Tempo woanders, und rein wirtschaftlich betrachtet, ist es vielleicht sinnvoller, erst einmal PV-Anlagen im sonnigeren Süddeutschland zu errichten, weil dort die Stromausbeute i.d.R. besser ist. Die aktuell noch verwendeten Solarzellen enthalten auch seltene Erden wie Selen, dessen Verbrauch die aktuelle Fördermenge übersteigt. Rein von der Physik sind bis zur Marktreife neuer Technologien wie den Perowskit-Solarzellen dem Ausbau faktisch Grenzen gesetzt. Die Forderung einer Beschleunigung führt daher auch zur großen Frage der Verteilungsgerechtigkeit, und es wäre egoistisch zu sagen: „Braunschweig muss die Klimaziele erreichen, der Rest der Welt kann uns dabei egal sein!“

    3) Zum IKSK
    Das integrierte Klimaschutzkonzept war ein Auftrag der Politik an die Verwaltung, einen Plan zu einem treibhausgasneutralen Braunschweig in 2030 zu erstellen. Politik sagt: „Verwaltung mach das!“, und die Verwaltung sagt dann: „Theoretisch wäre das so und so möglich.“ Rein praktisch kann die Verwaltung jedoch nur umsetzen, was auch praktisch möglich ist. Und das Ziel war von vornherein unrealistisch. Im IKSK wird zehn mal das Wort „ambitioniert“ verwendet, was im Verwaltungssprech eine Umschreibung für „unrealistisch“ ist. Daher ist auch verständlich, dass die Ziele vom IKSK verfehlt werden.

    4) Mangelnde Energiespeicher
    Das vielleicht größte Problem bei der Energiewende wird im ISKS nicht angesprochen, und bisher ist auch für Braunschweig noch keine Lösung gefunden worden: Wie wird die Energie aus Wind- und Solaranlagen gespeichert? Der Zubau von Wind- und Solarenergie führt zum Problem, dass wenn im Sommer viel Wind weht, zu viel Energie vorhanden ist, die teuer verschenkt werden muss, im Winter hingegen ist zu wenig vorhanden, und es muss wieder auf Atomstrom aus Frankreich oder teuren Kohlestrom zurückgegriffen werden. Ohne Energiespeicher ist in Deutschland daher keine treibhausgasneutrale Energiewende möglich. Auch hier gibt es Lösungen, die müssen jedoch auch umgesetzt werden.

  2. Beide Autoren liegen auf ihre Art richtig; das alleinige Eingehen auf die PV und umzu verstellt aber den Blick auf das Wesentliche und die Hintergründe:
    „…dass das gesellschaftliche, zum Überleben der Menschheit dringend notwendige Großprojekt „Transformation zur klimaneutralen Wirtschafts- und Lebensweise“ in Braunschweig nur langsam in Bewegung kommt. Dabei ist gerade jetzt ein Höchsttempo angesagt, wie vom Weltklimarat und anderen Institutionen gefordert….“ (Zitat aus dem ersten Beitrag)
    Auch anderen relevanten Gruppierungen in dieser Stadt fällt zunehmend auf, daß das „Tempo“ im Klimaschutz und seinen Unterprojekten wie MEP, SB+ zunehmend langsamer zu werden scheint und man immer mehr das Gefühl hat, bei kritischen Nachfragen in Watte zu laufen, ganz so, als sei das Abwenden, bzw. Abmildern der aufziehenden Klimakatastrophe nicht mehr so dringlich.
    Ja, es ist beim Thema Klima und den dringend nötige Maßnahmen sogar zu hören, man mache doch schon soviel und im übrigen sei ja nichts wirklich bewiesen, sebst die Wissenschaft sei sich ja uneins!
    Fazit: Zum einen verwechselt man höheren Ortes eine wissenschaftliche Diskussion mit Uneinigkeit unter den beteiligten Wissenschaftlern, zum anderen leitet man fäschlicherweise daraus ab für Politik und Verwaltung, es käme längst nicht so schlimm wie befürchtet (da spielt auch der „nasse“ Sommer eine Rolle…) und man habe noch unendlich viel Zeit und dürfe die Bürger nicht überfordern.
    Ein Blick in die letzten veröffentlichten Berichte zur Lage hilft da weiter – oder man negiert derlei Veröffentlichungen; dann kann man ruhiger (weiter) schlafen…

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