Elvira Gashi (II) – mit der Bitte um Unterstützung

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Über den Fall der Abschiebung von Elvira Gashi und ihren beiden kleinen Kindern in den Kosovo ist in u-b berichtet worden. Der Fall ist noch nicht zu Ende – und eine Rückholung aus dem Kosovo ist noch nicht durchgeführt worden. Ob es dazu kommt, ist auch noch offen. Niedersachsen ist dafür bekannt, dass Regelungen im Flüchtlings- bzw. Asylbereich äußerst restriktiv behandelt werden, insbesondere dass mögliche Spielräume bei Entscheidungen nicht ausgeschöpft werden, sondern jeweils die härteste Gangart gewählt wird, die ja im allgemeinen noch im legalen Bereich liegt. Es ist anscheinend einfach für den Innenminister Schünemann (CDU) alle Menschlichkeit abzublocken, und sich dabei noch auf das Gesetz zu berufen.

Die Umstände der Abschiebung sind in diesem Fall Gashi so skandalös, dass sie auch rechtlich nicht einmal vom Gesetz gedeckt sind. Es ist in der Bundesrepublik nicht erlaubt, Menschen in der Nacht (und ohne Ankündigung) einfach abzuholen. Dafür sind auch per Gesetz bestimmte Zeiten vorgeschrieben. Man kann sich schon fragen: in was für einem Staat leben wir denn? Man fühlt sich an dunkelste Zeiten der deutschen Geschichte erinnert. Die Beamten kamen gegen 3 Uhr nachts. Frau Gashi hatte eine halbe Stunde Zeit, ihren Koffer zu packen und dann mit den Kindern mitzukommen. In Frankfurt am Flughafen hatte sie kaum etwas zu essen und kaum Geld, so dass andere Fluggäste Mitleid mit ihr hatten und sie etwas versorgten.

Aber wie ging es weiter?

Wir verfolgen den Fall weiter, bis in den Kosovo und schildern die Lebensumstände von Frau Gashi und ihren Kindern. Es heißt, jeder Fall der Abschiebung wird jeweils vorher sorgfältig und individuell geprüft. Ja, wie sah es denn tatsächlich aus? Oder wurde der Fall nur als formale Angelegenheit behandelt?

Normalerweise kommen die Rückkehrer in den Kosovo in Flüchtlingscamps, die im Kosovo zunächst vom UNHCR bzw. seiner zuständigen Kosovo-Abteilung, der UNMIK betreut wurden. Dort erhielten sie auch einen kleinen finanziellen Betrag (pro Person 35 Euro pro Monat). ) Näheres dazu auch auf der Webseite des UNHCR, Stichwort Kosovo:

Hinweis: Nach dem Rückzug der internationalen Hilfsorganisationen aus der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln hatte seit Mitte 2000 die Gesundheits- und Sozialbehörde der UN-Verwaltung für das Kosovo UNMIK die Verantwortung für den Aufbau eines Sozialhilfesystems übernommen. Das Sozialhilfesystem ist nunmehr in die Obhut des Ministeriums für Arbeit und Soziales übergegangen, dessen ausführende Organe die Zentren für Sozialarbeit (Centres for Social Work) sind. Rechtsgrundlage ist das seit 18. Dezember 2003 geltende Gesetz Nr. 2003/15 über das Sozialhilfesystem im Kosovo.“ (Webseite: UNHCR, Kosovo- Überblick über den Aufbau eines (Sozial-)Hilfesystems).

Wie sieht diese „Obhut“ des Ministeriums für Arbeit und Soziales konkret aus? Man sollte sich nicht auf „offizielle“ Berichte verlassen, sondern auf Angaben von unabhängiger Seite, z.B. von Menschenrechtsorganisationen eingeht. Am Fall Gashi ist das sehr interessant. Doch bevor ich auf ihre konkrete Situation vor Ort eingehe, noch einige weitere Hintergrundangaben, die für das Verständnis der rechtlichen sowie der persönlichen Situation von Frau Gashi wichtig sind:

Hinweis: Man muss wissen, dass es sich bei der Gruppe der Roma im Kosovo nicht um eine homogene Gruppe handelt, sondern dass 3 Gruppen voneinander unterschieden werden (die sich auch jeweils untereinander abgrenzen) und die auch im Kosovo jeweils eine deutlich andere Stellung haben:

  • zunächst gibt es bei den Roma die Gruppen der Ashkali und der Ägypter, die im allgemeinen moslemisch sind und die albanische Sprache sprechen (bei den Konflikten standen sie eher auf der Seite der Kosovo-Albaner).

  • dann gibt es eine weitere Gruppe der Roma, die christlich-orthodox sind und die serbische Sprache sprechen (bei den Konflikten standen sie eher auf der serbischen Seite und sind daher auch heute im Kosovo von akuter Verfolgung bedroht).

In Bezug auf Abschiebungen setzt sich z.B. amnesty international dafür ein, dass bei der letztgenannten Gruppe keine Abschiebungen vorgenommen werden sollten, während bei den erstgenannten Gruppen jeweils die konkrete Einzelfälle geprüft werden, ob hier besondere Härten oder Probleme vorliegen.

Nun zu Frau Gashi: Sie und ihre Familie gehören zu der Gruppe der Ashkali, d.h. dass zunächst bei einer Abschiebung keine akute Bedrohung oder Gefahr vorliegt. Jetzt wäre der Einzelfall zu prüfen. Dabei sind noch folgende Fakten wichtig:

Hinweis: Im Kosovo liegt die Arbeitslosigkeit bei den Roma bei 90%. Hinzu kommt eine hohe Kriminalität im Land (insbesondere bei Funktionsträgern) und ein besonderes Ausmaß des Menschenhandels, der bei Frauen und Mädchen oft mit Prostitution verbunden ist (siehe dazu ausführlich die Berichte von amnesty international Österreich / www.amnesty.at )

Wie sah bzw. sieht die Situation von Frau Gashi nun direkt aus? Man wusste, dass noch entfernte Verwandte von ihr im Kosovo leben. Dies Wissen allein schien für eine Begründung der Abschiebung auszureichen.

Real war es so, dass sich Frau Gashi nach ihrer Ankunft im Kosovo nicht an die Flüchtlingscamps wandte, sondern zu ihren entfernten Verwandten in die frühere Heimatstadt ging. Tatsächlich wandte sie sich auch nicht an die Behörden vor Ort oder an die UNMIK wegen finanzieller oder anderweitiger Unterstützung, sondern fuhr mit dem Bus nach Priznin, wo die deutschen Truppen untergebracht sind. Auf Grund ihrer deutschen Herkunft fühlte sie diese eher als Ansprechpartner (vielleicht auch wegen einer gewissen Vertrautheit und Zuverlässigkeit). Allerdings konnte sie dort – und zwar wegen ihres „unsicheren Status“ keine Hilfe bekommen, da es unklar war, ob sie im Kosovo bleibt oder zurückgeholt wird.

Hinweis: Der Kosovo ist – wie Deutschland nach dem Krieg – in verschiedene Zonen aufgeteilt. Der Ort, in dem Frau Gashi jetzt lebt – ca 80km von der Hauptstadt Pristina entfernt – gehört zu der Zone, in der u.a. niederländische Truppen stationiert sind. Die „deutsche“ Zone mit der größeren Stadt Priznin liegt in der Nähe.

Schon nach einiger Zeit gab es mit den entfernten Verwandten von Frau Gashi Konflikte, so dass sie das Haus verlassen musste. Daraufhin kam sie bei entfernten Bekannten unter und bewohnt dort mit ihren Kindern zur Zeit ein Zimmer. – Ihre Lage ist insgesamt ziemlich trostlos: eine eigentliche Perspektive hat sie (und ihre Kinder) nicht, und es zeichnet sich auch keine Perspektive ab. Sie hat dort keinen familiären Anschluss mehr und kann letztlich nur hoffen, bald wieder nach Deutschland zurückzukommen.-

Sicherlich wäre es angesichts dieser Tatsachen einmal interessant, die konkreten Umstände für Rückkehrer zu überprüfen. Wie verhalten sich die Behörden, wie die UNMIK vor Ort? Wieweit wird ihre Hilfe in Anspruch genommen, und falls nicht, was sind die Gründe? Oder geht es hier einfach nur darum, ehemalige Flüchtlinge wieder wegzuhaben und dabei „offiziellen“ Berichten zu vertrauen, dass Rückkehrer eine gute Perspektive haben?

Vielleicht macht man es sich da in Deutschland, bei Gerichten, Ausländerbehörden und auch bei der Regierung etwas leicht. – Niedersachsen spielt hierbei insgesamt eine besonders schlechte Rolle. Aus keinem anderen Bundesland werden so viele Problemfälle aus dem Asylbereich gemeldet wie aus Niedersachsen. Wäre es nicht schön, wenn sich dies einmal ändern würde?

Der Fall Gashi könnte hier vielleicht einmal ein Zeichen setzen. Zum Beispiel, dass die Härtefallkommission überhaupt einmal ihre Arbeit aufnimmt, endlich einmal überhaupt handlungsfähig wird. Dass sich Niedersachsen vielleicht einmal auch durch humanitäre Maßnahmen auszeichnet und nicht immer das Schlusslicht in dieser Hinsicht ist.

Wie soll man stolz auf ein Land sein können, in dem nachts Menschen abgeholt werden können (ohne dass es dafür eine gesetzliche Befugnis gibt)? Und wenn es vielleicht auch niemanden stört… Der Satz „schade, dass sie jetzt nicht mehr da sind“ reicht eigentlich nicht. Der Status von Flüchtlingen und Asylbewerbern sollte vielleicht auch einmal überdacht werden; die Abschätzigkeit des Wortes „Asylant“ ist eigentlich schon ein Hohn für eine Gesellschaft, die einen gewissen Anspruch an Humanität hat.

Wie kann man sich einsetzen?

Um für Frau Gashi und ihre Kinder etwas zu tun, kann man z.B. einen Brief an das zuständige Innenministerium bzw. an Herrn Schünemann schreiben. Ein vorgefertigter Brief, den man ausdrucken und abschicken kann, ist beigefügt. Zusätzlich ist eine Petition an den Niedersächsischen Landtag geplant mit der Bitte um Rückholung von Frau Gashi (auch die kann man unterstützen). Darüberhinaus ist auch die Frage, ob man ein Spendenkonto für sie einrichtet, von dem die hier lebenden Angehörigen Geld an Frau Gashi zur Unterstützung überweisen.

Insgesamt ist hier die Bitte, sich in diesem konkreten Fall an der Briefaktion zu beteiligen, um eine Rückholung zu ermöglichen. An dieser Stelle sei auch schon mal den zahlreichen Menschen und Politikern gedankt, die sich bisher für die junge Frau eingesetzt haben, insbesondere den Mitgliedern des Kreistages in Wolfenbüttel – und zwar von allen dort vertretenden Parteien.

Vielleicht gelingt es, dass Frau Gashi dadurch tatsächlich wiederkommt. Darüberhinaus sollte dieser Fall aber auch ein Anlass sein, um sich Rechenschaft abzulegen, wie in unserem Land mit Menschen umgegangen wird. Vielleicht kann der Fall dazu beitragen, dass hier Verbesserungen erfolgen und auch einmal positive Impulse von diesem Land ausgehen. Letztlich ist Demokratie nicht etwas, was verordnet oder gegeben ist, sondern – ganz im Sinne Goethes – sie muss immer wieder neu errungen werden.

Brief an das Innenministerium

Quellen:
UNHCR – www.unhcr.de/laenderinformationen
amnesty international Österreich – www.amnesty.at

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