Die Braunschweiger Zeitung und die Liebe zur Wahrheit (III)

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„Welle der Gewalt“ und „hässliche Fratze“

Am Freitag, dem 9. Februar 2007, gibt es nach einem Eintracht-Spiel Ärger in einer Straßenbahn. Unter anderem geht eine Scheibe zu Bruch. Die Braunschweiger Zeitung nimmt sich der Sache an. Immerhin hat die Redaktion nun ein ganzes Wochenende Zeit, um genau zu recherchieren, was passiert ist. Am Montag, 12. Februar, wird in gleich drei Artikeln ein dramatisches Bild gezeichnet: „Eintracht droht Welle der Gewalt“ springt es dem Leser auf Seite eins ins Auge, „Straßenbahn wochenlang außer Betrieb“ heißt es im Lokalteil und „Hässliche Fratze“ kommentiert Redakteur Meyer auf Seite vier.

Was war am Freitag nach Darstellung der BZ passiert?

Es habe schlimme „Randale nach der Niederlage gegen Köln“ gegeben, die Fans hätten eine Straßenbahn demoliert.

„Es entstand ein Sachschaden von mehr als 10 000 Euro.“ Die Wendenstraße sei „von Scherben übersäht“ gewesen. Bis Ersatz für die demolierte Scheibe eintreffe, „werden Wochen vergehen“. Man kommt gar nicht auf die Idee, dass das nicht stimmen könnte. Denn immerhin wird der Sprecher der Verkehrs-AG, Christopher Graffam als Zeuge genannt und sogar wörtlich zitiert:

„Ich hätte nie erwartet, dass wir wieder Zustände wie in den frühen 90er Jahren bekommen“, meinte Verkehrs-AG-Sprecher Christopher Graffam nach Besichtigung des demolierten Straßenbahnanhängers.

Und: weil es sich bei der zerstörten Scheibe um eine Sonderanfertigung handele, werde der Anhänger „für Wochen ausfallen“. Die Darstellung klingt plausibel, sie hat nur einen Nachteil. Sie stimmt nicht.

Was sagt Christopher Graffam wirklich?

Die überregionale Zeitung „taz“ bestreitet am 14. Februar unter der Überschrift „Die Randale, die keine war“ die Richtigkeit der Berichte der BZ. Daraufhin rufen wir zunächst Herrn Graffam an, um die Sache zu prüfen.

Graffam wundert sich. Er habe den Straßenbahnanhänger nicht besichtigt. Vielmehr habe er gegenüber dem BZ-Redakteur betont, dass er zu den Schäden vor Montag, dem 12. Februar, keine Angaben machen könne. Dem entsprechend habe er auch nicht gesagt, der Anhänger werde für Wochen ausfallen, weil er dazu eben am Samstag (10. Februar) noch gar nichts habe sagen können, auch zu den Kosten habe er sich natürlich noch nicht äußern können. Auch das Zitat zu den „Zuständen wie in den frühen 90 er Jahren“ sei unzutreffend: „ich kann das gar nicht gesagt haben.“ Das mit der Scheibe als Sonderanfertigung sei sowieso „kompletter Blödsinn“ (die Bahn sei 1974 produziert worden).

Er, Graffam, sei von der BZ am Samstagmorgen angerufen worden, habe sich dann durch Unfallbericht, Polizei und Verkehrsmeister informiert. Insofern sei die Sache von seiner Seite sehr überlegt abgelaufen, Missverständnisse seien da nicht möglich.

Was sagt Polizeisprecher Grande?

Wir telefonieren mit Herrn Grande. Nein, es habe keine Massenkrawalle gegeben. Im Wesentlichen sei die Darstellung der „taz“ wohl richtig (Ausnahme: die Aussage, der Festgenommene sei gar nicht von Fußball gekommen, das sei dessen eigene Darstellung, die nicht stimmen müsse).

Er sei am Wochenende von der BZ angerufen worden, habe sich dann „schlau gemacht“ und habe dabei erfahren, dass die vom Redakteur geäußerten Vermutungen nicht zuträfen. Genau das habe er diesem mitgeteilt, so dass schon am Sonntag von seiner Seite aus alles klar zu sein schien. Die Informationen im BZ-Artikel stammten jedenfalls nicht von ihm.

Völlig ungerührt berichtet die Redaktion aber am folgenden Montag, was sie sich selber zu großen Teilen ausgedacht hat. Aber die Geschichte geht noch weiter.

Umgehende Richtigstellung?

Nach Aussage von Herrn Graffam wird er am Dienstag von Herrn Zauner angerufen. Diesem habe er mitgeteilt, dass sich der Schaden auf 975 Euro belaufe (nicht auf 10 000 Euro), dass auch alle Bahnen seit dem Vortag wieder in Betrieb seien (also nicht wochenlang ausfallen) und dass er sich doch über den BZ-Artikel wundere. Sorgt Zauner nun für umgehende Richtigstellung? Nein. Am 14. Februar stellt, wie oben erwähnt, die“taz“ die Dinge richtig. Reagiert die Redaktion nun umgehend, wie es auch der Kodex des Presserats verlangt? Nein.

Sie lässt  noch den Donnerstag und den Freitag verstreichen. Erst am Samstag findet sich, weit hinten im Lokalteil, auf Seite 24,  eine unscheinbare 26-Zeilen-Meldung. Überschrift: „Schäden an Bahn nicht so hoch“. Es seien 975,39 Euro angefallen, auch „konnte die Tram bereits am Montag wieder eingesetzt werden“, also am Tag der ersten Artikel. Der Leser erfährt noch die Seriennummern der Bahn und des Anhängers. Zur Frage, was denn nun war mit Randale und Krawall, erfährt er nichts. Weder ein Redakteur noch „red“ steht für die 26-Zeilen-Meldung gerade. Das passt.

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