Die AfD sammelt die Früchte des Zorns ein

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Von David Goeßmann

„Wir“ gegen „Die“: Schon die Faschisten vor hundert Jahren wussten, warum das in Krisenzeiten funktioniert.

Die Partei AfD mit Neofaschisten in ihrer Mitte ist seit Wochen im Höhenflug. Zahlreiche Erklärungen werden dafür geliefert. Doch was den Erfolg wirklich antreibt, wird meist verschwiegen. Hinter den derzeitigen Quellen für den Aufstieg der AfD liegen zwei tiefer liegenden Treiber, die schon länger wirken und nicht aus den Augen verloren werden dürfen.

(Teil 1) Einer der Hauptfaktoren, warum nicht nur in Deutschland, sondern in fast allen Industriestaaten bzw. westlichen Demokratien rechte Bewegungen und Parteien seit einigen Jahren zugelegt haben, sind die Folgen der neoliberalen Politik. Während immer mehr Reichtum von unten nach oben transferiert wird, werden die Bürger auf die Zuschauertribüne verbannt. Sie dürfen Banken und Konzerne retten und dafür zahlen (so wie auch für Kriege red.), aber nicht einmal über ihre Abgeordneten Kontrolle über die Hunderte Milliarden Euro ausüben. Es fühlen sich überall in der EU und auch in Deutschland die Menschen von ihrer Politik und den Medien allein gelassen. Sie wenden sich ab von zentralen Institutionen der Demokratie wie dem Parlament.

Steigende Mieten und Wohnungslosigkeit; kaputte Schulen und Bahnchaos; wachsende Armut und gedemütigte Hartz-VI-Aufstocker; überforderte Alleinerziehende, gestresste Studierende und bürokratisierte Abgehängte; versteckte und offene Armut im Alter; Pflege- und Gesundheitskrise; blockierte Energiewende, steigende Treibhausgase und bedrohlicher Klimawandel; Bauernhofsterben auf dem Land; deindustrialisierte Zonen ohne Perspektiven in Ost und West; steigende Konzernmacht: Die Liste der Missstände ließe sich lange weiterführen.

Rechtsextreme Parteien wie die AfD, aber auch die Rassemblement National (bis 2018 Front National) in Frankreich, die Orban-Anhänger in Ungarn, die rechten Parteien in Skandinavien oder die MAGA-Republikaner („Make America Great Again“) um Donald Trump in den USA bieten für diese Probleme zwar keine Lösungen an. Sie sind aber sehr geschickt darin, den Frust weiter anzufachen, kulturkämpferisch zu wenden und für sich nutzbar zu machen – in Wähler:innenstimmen.

Sie richten ihre Kommunikation dabei auf die fundamentale Unzufriedenheit immer größerer Schichten der Gesellschaft aus. Mit Slogans wie „Unser Land zuerst!“ (AfD) forcieren sie rhetorisch die Ausrichtung auf enge nationale Interessen. Dazu kommen reaktionäre Ansichten hinsichtlich der Energie-, Familien- sowie Flucht- und Migrationspolitik. Auch das resoniert in entsicherten Gesellschaften, in denen die Menschen verzweifelt nach Stabilität und Orientierung suchen.

Aber es gibt noch einen zweiten entscheidenden Treiber, der der AfD durchgängig Wind unter die Flügel bläst. Dazu mehr im zweiten Teil.

Das zweite zentrale Erfolgsrezept rechtsextremer Parteien besteht aber keineswegs darin, dem Frust, der durch die neoliberalen Angriffe auf den Wohlfahrtstaat und die Demokratie gespeist wird, Lösungen anzubieten. So hat Trump als US-Präsident den Superreichen, dem oberen einen Prozent, ein Steuergeschenk in Höhe von gigantischen 1,5 Billionen Dollar gemacht, während die Gegenfinanzierung über Sozialkürzungen seitdem eingebracht wird.

Die AfD ist ebenfalls auf der Seite der Reichen und Superreichen, während ihr Programm neoliberal ausgerichtet ist. In Frankreich propagiert die Rassemblement National (bis 2018 Front National) eine Politik für die Familie und mittelständische Betriebe. Ob es mehr ist als wahltaktische Rhetorik, um bei der Bevölkerung zu punkten, ist allerdings fraglich.

Was Trump, AfD & Co. tatsächlich groß gemacht hat, sind Strategien, mit denen der verunsicherten Bevölkerung, der Wut und Unzufriedenheit der Bürger:innen, Blitzableiter angeboten werden. Die Diffamierung von Sündenböcken ist ein Kernelement von Rechtsradikalen, mit dem Siege eingefahren werden.

Die AfD ist erfolgreich dabei die Früchte des Zorns politisch einzusammeln.

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