Der Jurist Hans Litten wäre vor wenigen Tagen 120 Jahre alt geworden. Er wurde aber nur 34. Kein Wunder, denn er galt als Hitlers persönlicher Gefangener. Und das hatte seinen Grund.
Erst 1988 wurde Hans Litten Ehre zuteil. Der Hans Litten-Preis wurde gestiftet. Sehr spät, aber auch kein Wunder bei dem von Nazis durchsetzten Justizapparat, gegen den sich in der jungen Bundesrepublik als einer der wenigen Juristen Helmut Kramer aus Wolfenbüttel auflehnte (siehe sein letztes Buch). Kramer erhielt als einer der Ersten den Hans Litten-Preis. Lesen und hören Sie im Braunschweig-Spiegel die ganze Geschichte.
“Ein Held überwindet Widerstände oder Gefahren und vollbringt unter
Aufbietung aller seiner Kräfte außergewöhnliche Taten. Aber nicht
jede außergewöhnliche Tat ist heldenhaft. Sie muss moralisch motiviert
sein.” (zitiert aus: Ethik und Unterricht, Ausgabe 4, 2018)
Hans Litten wurde am 19. Juni 1903 in Halle geboren.
Mit 28 Jahren war er bereits einer der brilliantesten Strafverteidiger in der Weimarer Republik. Hans Litten bezeichnete sich selbst als „proletarischer Anwalt“, der auch oft für die kommunistische “Rote Hilfe” Mandanten vor Gericht vertrat. Zur KPD hatte er aber ein eher distanziertes Verhältnis. Gewaltlosigkeit und Gerechtigkeit waren seine großen Anliegen.

1931 fand der sog. “Eden-Prozess” vor dem Kriminalgericht Moabit statt in dem es um den SA-Überfall auf das Tanzlokal Eden in Berlin- Charlottenburg ging. Rechtsanwalt Hans Litten hatte sich bereits die gesame Nazi-Bewegung zum Feind gemacht. Er vertrat in diesem Aufsehen erregenden Prozess von der SA zusammengeschlagene Arbeiter und wollte die Verantwortung der obersten Parteiführung der NSDAP für diesen Überfall beweisen.
Er beantragte Hitlers Zeugenvernehmung, der als “Schriftsteller Adolf Hitler” dann tatsächlich in den Zeugenstand musste. Litten trieb Hitler im Verhör so sehr in die Enge , dass der sich (unter Eid) in seine eigenen Lügen verstrickte, Litten schließlich hysterisch anbrüllte und komplett die Fassung verlor.

Diese totale Entlarvung vor großem Publikum und Presse hat ihm der “Schriftsteller Hitler”, der bald zum “Führer Hitler” mutierte, in seiner gangsterhaften Denkweise nie vergessen. Vier Wochen nach der Machtübernahme, in den frühen Morgenstunden des 28. Februar 1933, wurde Hans Litten verhaftet und mit seinem Sozius Ludwig Barbasch und anderen ins Gefängnis Spandau gesperrt.
Entwürdigt, gefoltert, mit schweren Beinverletzungen, einer Kieferfraktur, Knochenhaut-entzündung, herausgeschlagenen Zähnen, verletztem Mittelohr und einer nie mehr heilenden Augenverletzung, stand er nach einer kurzer Haftzeit schon vor dem Aus.

Seine Mutter gab niemals auf, um seine Freilassung zu kämpfen. Doch es half nichts. Ihr standhafter und von seinen Mithäftlingen deshalb bewunderter Sohn wurde in Zuchthäusern und Konzentrationslagern weiterhin systematisch dehumanisert, gequält und gefoltert, bis er nach fast fünf Jahren keine Kraft mehr hatte. In der Nacht vom 4. auf den 5. Februar 1938 wurde er von seinen Mithäftlingen erhängt aufgefunden.
“Die tugendhafte Haltung sowie die außerordentliche Handlung bedürfen zudem der Anerkennung von anderen, damit ein Heldenstatus zuerkannt wird. Denn ein Held gilt erst als solcher, wenn sein Charakter sowie die quasi übermenschliche Handlung auch als heroische kommuniziert werden.” (zitiert aus: Ethik und Unterricht, Ausgabe 4, 2018).
Tatsächlich ist der Name Hans Litten und sein hoher Einsatz für das Recht und für Gerechtigkeit bis hin zum Foltertod im nationalsozialistischen Justizsystem – dessen Vertreter auch das Rechtssystem der Bundesrepublik noch lange und entscheidend prägten – vom bis in die heutige Zeit den meisten Deutschen leider unbekannt geblieben.

Der Hans Litten-Preis
Seit 1988 verleiht die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. (VDJ) den Hans-Litten-Preis an Juristinnen und Juristen, die in besonders hohem Maße demokratisches Engagement bewiesen haben, gelegentlich auch hinsichtlich deren Lebenswerkes.
Dr. Helmut Kramer war Richter am OLG Braunschweig und ist einer der herausragenden kritischen Juristen der Bundesrepublik.
Helmut Kramer ist einer der ersten Empfänger des Hans-Litten-Preises (1994) und sagte in seiner Dankesrede:
“Der Name Hans Litten steht für ein unerschrockenes Eintreten für Demokratie und Recht. Hans Litten ergriff Partei, Partei nicht im parteipolitischen Sinn, aber er stellte sich auf die Seite der Schwachen, der Verfolgten, denn schon damals stellten sich die Richter mehrheitlich in den Dienst undemokratischer Kräfte.”
Aktuell ist Hans Litten tatsächlich einem größeren Publikum, in Deutschland und auch international, sichtbar geworden – nämlich als gleichnamige Handlungsfigur in der bekannten TV/Streaming-Serie “Berlin Babylon”, wo er von Trystan Pütter dargestellt wird.
Über sein Leben ist 2022 das Buch erschienen: „Große Angst und große Tapferkeit“ und aktuell ein Artikel im Magazin “Jacobin”