Der Verrat als sittliche Pflicht?

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„Der Judaskuss“ von Giotto di Bondone. Fresken in der Arenakapelle in Padua, 1304–1306. Quelle: Wikipedia

„Ich liebe den Verrat, aber ich hasse Verräter“, so ein Zitat, das gerne genutzt wird. Es stammt aus der Antike – aus dem thrakischen Krieg, den die Römer gegen die Thraker führten. Der Caesar (hier Augustus), soll nach einem vermutlichen Überlaufen des Thrakers Rhoimetalkes zu den Römern gesagt haben: »Ich liebe den Verrat, aber Verräter lobe ich nicht«.

Ja, Verräter werden nicht geliebt (bis heute nicht). Jedenfalls nicht von den Verratenen. Kann denn Verrat sogar eine sittliche Pflicht sein? Diese Frage stellt sich unseren westlichen Demokratien, die sich auf die sog. westlichen Werte berufen, die sie nun schon seit geraumer Zeit wie eine Monstranz vor sich hertragen, und die es kaum noch gibt. Das heißt, die Werte gibt es schon noch, aber kaum noch eine Regierung, die diesen Werten nachkommt.

Neben vielen Beispielen, ist es sinnvoll das Neuste und Aktuellste rauszugreifen. Nämlich den „Verrat“ eines noch unbekannten US-Geheimdienstmitarbeiters, der das Telefongespräch von Donald Trump mit dem ukrainischen Präsidenten an seinen Vorgesetzten gemeldet und dabei eine Straftat des Präsidenten bekannt gegeben hat. Derzeit scheint es, dass der sog. „Verräter“ seinen Amtseid nicht gebrochen hat. Im Gegensatz zum Präsidenten, der natürlich vor ein Gericht gehört, damit über seine Tat entschieden werden kann. Der „Verräter“ hat also seiner sittlichen Pflicht genüge getan, indem er versucht den Rechtsstaat USA zu schützen. Lesen Sie dazu in der TAZ ein Interview mit dem ersten Whistleblower, Daniel Ellsberg (88), der die Pentagonpapiere verraten hatte, was den Vietnamkrieg erheblich verkürzte und viele Menschenleben erhalten hat.

Bleiben wir in Deutschland. Die Bundesregierung ist nicht bereit den ehemaligen CIA-Mitarbeiter, Erward Snowden, in Deutschland aufzunehmen und Schutz zu gewähren. Die Enthüllungen von Snowden gaben Einblicke in das Ausmaß der weltweiten Überwachungs- und Spionagepraktiken von Geheimdiensten – überwiegend jenen der Vereinigten Staaten und Großbritanniens. Diese lösten im Sommer 2013 die NSA-Affäre aus. Snowden wurde dafür mehrfach von nichtstaatlichen Organisationen ausgezeichnet und 2016 für den Friedensnobelpreis nominiert.

Der Australier, Julian Assange, war Sprecher der Enthüllungsplattform WikiLeaks, die es sich zum Ziel gesetzt hat, geheimgehaltene Dokumente allgemein verfügbar zu machen. WikiLeaks veröffentlichte mehrfach interne Dokumente von US-Streitkräften und -Behörden, unter anderem zu den Kriegen in Afghanistan und im Irak. Assange droht deswegen ein Strafprozess in den USA. Siehe hierzu: „Spuren der Gefangenschaft„.

Sog. „Verräter“ oder auch Dissidenten sind natürlich nur dann solche, wenn sie im gegnerischen Lager stehen. Russische oder chinesische Oppositionelle werden in der Bundesrepublik und den USA hofiert, und als mutige Kämpfer für die gerechte Sache dargestellt. Aber Whistleblower wie Edward Snowden, Chelsea Manning und Julian Assange gelten als vogelfreie Verräter, sobald sie ins Visier der US-Justiz geraten.

Mit Verrätern tut man sich also schwer. Besonders schwer wird es, wenn der sog „einfache Bürger“ in den Widerstand tritt und gar zum „Verräter“ wird. Das ist ihm anscheinend nicht gestattet, zumal er angeblich nicht die Tragweite seines Handelns erkennt (BGH in dem sog. Huppenkothen-Urteil vom 19.6.1956 Seite 5) Bei sog. höhergestellten Persönlichkeiten, der sog. „Elite“, sieht das anders aus, auch wenn die zu spät reagieren, wie beim Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944. Die Attentäter unter Stauffenberg werden heute hoch geehrt, die kleinen Widerständler, die den Naziterror vorrausahnten, wie Elsner, bleiben ungeehrt. Helmut Kramer sprach in diesem Zusammenhang von der „verzögerten Moral der Eliten„.

In dem Beitrag oben zitiert Helmut Kramer den ehemaligen Bundesverfassungsrichter: “ Von Ernst-Wolfgang Böckenförde, dem früheren Bundesverfassungsrichter, stammt eine wichtige Feststellung. Er sagt: Der demokratische Staat „lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht herstellen kann“. Zu diesen Voraussetzungen gehören aber vor allem Bürger, die bereit sind, sich politisch oder sonst bürgerschaftlich zu engagieren, notfalls auch vernehmlich „nein“ zu sagen. Ohne ständige kritische Anstöße ist der demokratische Rechtsstaat nicht überlebensfähig.

Dazu: „Wette: Das letzte Tabu. NS-Militärjustiz und „Kriegsverrat

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